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Pandemie bringt erstmals seit 20 Jahren Leistungsbilanzdefizit

Oesterreichische Nationalbank (OeNB) ©OeNB / Niesner

Österreich. Die Covid-19-Pandemie führte 2021 erstmals seit der Jahrtausendwende zu einem Leistungsbilanzdefizit, so die Nationalbank.

Die mit der globalen Pandemie verbundenen wirtschaftlichen Einschränkungen haben konkret zu einem Leistungsbilanzdefizit Österreichs in Höhe von 2,1 Mrd EUR im Vorjahr geführt. Der weiterhin stark beeinträchtigte Reiseverkehr war dafür ebenso ausschlaggebend wie die durch gestiegene Energiepreise beeinflusste negative Güterbilanz.

Österreichische Technologiedienstleistungen stießen im Ausland auf wachsende Nachfrage und lösten den massiv eingebrochenen Tourismus als wichtigsten Exportsektor im Dienstleistungshandel vorerst ab. Im grenzüberschreitenden Kapitalverkehr bauten heimische Investoren ihre Forderungen in Form von Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen deutlich aus und profitierten gleichzeitig von hohen Bewertungsgewinnen.

Die Zeiten sind und bleiben ungewöhnlich

„Österreichs Außenwirtschaft war auch 2021 in hohem Maß durch die globalen Auswirkungen der Pandemie beeinträchtigt“, so Gottfried Haber, Vize-Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB): „Unterbrochene Lieferketten, steigende Energiepreise sowie volatile Märkte werden Österreichs Wirtschaft auch in unmittelbarer Zukunft ebenso beinträchtigen wie die unabwägbaren Folgen des Kriegs in der Ukraine.“

In Zahlen ausgedrückt:

  • Die Leistungsbilanz zeigte im Jahr 2021 mit –2,1 Mrd EUR bzw. –0,5 Prozent des BIP zum ersten Mal seit dem Jahr 2001 ein Defizit, da die Importe (+23 Prozent) deutlich stärker anwuchsen als die Exporte (+18 Prozent). Im Jahr 2020 war noch ein Überschuss in Höhe von 7,2 Mrd EUR verzeichnet worden.
  • Ausschlaggebend für das Leistungsbilanzdefizit war der infolge der Pandemie eingebrochene Reiseverkehr, der mit 2,0 Mrd EUR nur noch ein geringes Plus lieferte.
  • Gleichzeitig drehte die Güterbilanz – vor allem bedingt durch verteuerte Energieimporte – ins Defizit (–1,7 Mrd Euro). Güterexporten in Höhe von 168,5 Mrd EUR (+22 Prozent gegenüber 2020) standen Importe von 170,2 Mrd EUR (+26 Prozent) gegenüber.
  • Wichtigste Partnerregion war 2021 weiterhin der Euroraum, auf den mehr als die Hälfte des Güter- und Dienstleistungshandels entfiel. Die Länder Zentral-, Ost- und Südosteuropas standen für rund ein Fünftel des Handelsvolumens.

Veränderungen bei den Dienstleistungen

„Abseits des klassischen Außenhandels, also der Ein- und Ausfuhr von Waren über die österreichische Grenze, gewannen internationale Produktions- und Vertriebsketten für die Wertschöpfung in Österreich an Bedeutung“, so Johannes Turner, Direktor der OeNB-Hauptabteilung Statistik. Dahinter stecke vor allem technisches Know-how, das aus Österreich stammt und im Zuge des Technologie- und Digitalisierungsschubs während der Pandemie verstärkt nachgefragt wird. Treibende Kraft sind multinationale Unternehmen, die in Österreich große Forschungs- und Produktionsstätten betreiben. „Technologiedienstleistungen wurden 2021 zum wichtigsten österreichischen Exportsektor, da der Reiseverkehr infolge der Pandemie dramatisch eingebrochen war. Die Exporterlöse wuchsen 2021 um fast 14 Prozent auf 17,7 Mrd EUR“, ergänzte Turner.

Österreichs Tourismuserlöse sanken gegenüber 2019, dem Niveau vor Ausbruch der Pandemie, um mehr als die Hälfte und markierten einen historischen Tiefpunkt von 8,8 Mrd EUR bzw. 2,2 Prozent des BIP. Im Zuge der Pandemie hat Deutschland, das langfristig für den heimischen Tourismus zulasten von Fernmärkten an Bedeutung verloren hatte, bei sinkenden Nächtigungszahlen seinen Anteil als Herkunftsmarkt auf fast zwei Drittel deutlich erhöht. Der vergleichsweise geringe Rückgang der Nächtigungen aus Deutschland wurde durch die regionale Nähe zu Österreich, die eine Anreise per PKW ermöglicht, begünstigt und federte die Verluste im österreichischen Tourismus ab.

Österreichs grenzüberschreitender Kapitalverkehr war 2021 vor allem durch den Aufbau von Wertpapierpapierforderungen und Unternehmensbeteiligungen im Ausland gekennzeichnet. „Aufgrund außergewöhnlich hoher positiver Bewertungseffekte, vor allem bei den Wertpapierinvestitionen, stieg der Stand der Nettoforderungen Österreichs 2021 gegenüber dem Ausland um 24 Mrd EUR an“, hob Vize-Gouverneur Haber hervor.

Im Zuge der Pandemie wurde 2020 und 2021 deutlich mehr in ausländische Aktien und Investmentfondszertifikate investiert als in den Jahren davor. Die Bewertungsgewinne im Jahr 2021 führten dazu, dass sich die vermehrten Investitionen auch rentierten.

Unternehmensbeteiligungen auf Erholungskurs

Auf Erholungskurs lag 2021 das Geschäft mit grenzüberschreitenden Unternehmensbeteiligungen, während im ersten Pandemiejahr 2020 deutliche Einbußen zu verzeichnen waren. Mit 215,9 Mrd EUR erreichten aktive Direktinvestitionen im Ausland einen historischen Rekordstand. Umgekehrt markierten ausländische Veranlagungen in Österreich mit 175,1 Mrd EUR ebenfalls eine Höchstmarke. Die beschleunigte Entwicklung im Bereich der Digitalisierung und Technologie im Zuge der Pandemie ist auch in den Direktinvestitionen zu beobachten. So lukrierten Österreichs Start-ups in der Informations- und Kommunikationsbranche sehr erfolgreich ausländisches Kapital (+0,6 Mrd Euro).

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