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Business, Recht

Österreichs 11 Wettbewerbsbehörden sind zu kompliziert, so RH

Rechnungshof ©Achim Bielek

Wien. Der Rechnungshof empfiehlt eine umfassende Strukturreform der Wettbewerbsbehörden: Derzeit sind Österreichs Kartellwächter auf nicht weniger als 11 Institutionen aufgeteilt. Das ist nicht nur verwirrend komplex, es bestehen auch Doppelgleisigkeiten, so der RH.

Die Ergebnisse einer Überprüfung des Systems der Wettbewerbsbehörden des Bundes (außerhalb des Finanzmarkts) durch den Rechnungshof (RH) beschäftigten jetzt den Rechnungshofausschuss des Nationalrats. In seinem Bericht kommt der RH zu dem Ergebnis, dass die Behördenstruktur in diesem Bereich zu komplex ist.

Der Rechnungshof empfiehlt daher die Erarbeitung einer Wettbewerbsstrategie des Bundes sowie eine umfassende Strukturreform der Wettbewerbsbehörden, berichtet die Parlamentskorrespondenz. Gleichzeitig wird den Wettbewerbshütern grundsätzlich gute Arbeit zugebilligt, aber dazu später mehr.

Die Prüfung und das Problem

Schon der Blick auf die Prüfliste offenbart die Komplexität. Die in den Jahren 2013 bis 2016 vom RH geprüften Wettbewerbsbehörden sind konkret in folgenden Institutionen bzw. Bereichen angesiedelt:

  • Bundeskanzleramt
  • Justizministerium (BMJ)
  • Verkehrsministerium (zur Zeit der Überprüfung BMVIT, nunmehr BMK)
  • Wirtschaftsministerium (früher BMWFW, nunmehr BMDW)
  • Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus
  • Zum System der Wettbewerbsbehörden gehören auch die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt, der der Bundesministerin für Justiz unmittelbar unterstellt ist, sowie die ebenfalls beim BMJ angesiedelte Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften.
  • Überprüft wurden auch die Regulierungsbehörden der Sektoren Energie (E–Control), Medien, Telekommunikation und Post (KommAustria sowie RTR–GmbH) sowie für die Schiene (Schienen–Control GmbH).
  • Nicht berücksichtigt hat der RH die Kontrollbehörden des Finanzmarktes wie etwa die Finanzmarktaufsicht (FMA); natürlich spielen sie aber ebenfalls eine wichtige Rolle.

Der Rechnungshof beurteilte bei seiner Prüfung die Struktur der Behördenorganisation, die systembezogenen Ziele sowie entsprechenden Aufgaben der Wettbewerbsbehörden, die Unabhängigkeit vom bzw. die Steuerung und Aufsicht durch den Bund als Eigentümer der Wettbewerbsbehörden, die Ressourcenausstattung hinsichtlich der wirtschaftlichen Unabhängigkeit und der Leistungsfähigkeit der Wettbewerbsbehörden sowie die Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden. Der Bericht wurde von den Abgeordneten des Rechnungshofausschusses einstimmig zur Kenntnis genommen.

Wettbewerbsbehörden sollten einheitlich strukturiert werden

Aus seinen Feststellungen leitete das Kontrollorgan eine Reihe von Empfehlungen für die Verbesserung der komplexen Struktur der Wettbewerbsbehörden ab. Anzusetzen wäre dabei laut dem Kontrollorgan des Parlaments bei einer umfassenden Aufgabenkritik, die in weiterer Folge eine Neuordnung der Aufgaben, insbesondere im Bereich der Regulierungsbehörden, nach sich zieht.

Laut dem Rechnungshof müssten auch die zahlreichen nicht–regulatorischen Aufgaben hinsichtlich ihrer organisatorischen Zuordnung überprüft werden, um eine organisatorisch klare Struktur herbeizuführen und um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Empfohlen wird auch, eine umfassende bundesweite Wettbewerbsstrategie zu erarbeiten und umzusetzen, die die Ziele, Aufgaben und Organisation der österreichischen Wettbewerbs– und Regulierungsbehörden festlegt.

Rechnungshof will eine einzige Behörde

Im Zuge der empfohlenen Entwicklung einer bundesweiten Wettbewerbsstrategie sollte daher eine umfassende Strukturreform der Wettbewerbsbehörden durchgeführt werden, so der RH. Aus Sicht des Rechnungshofs wäre dabei eine einzige rechtlich selbstständige Einrichtung mit einer modernen, effizienten Organisationsstruktur mit Anbindung an ein einziges Bundesministerium ins Auge zu fassen.

In Verbindung mit dieser umfassenden Strukturreform der Wettbewerbsbehörden wäre laut dem Rechnungshof auch eine verbindliche mehrjährige Finanzierungsvereinbarung als Finanzierungsinstrument zu entwickeln. Um die jetzt auftretenden Doppelgleisigkeiten in Zukunft zu vermeiden, sollte auch eine Zusammenführung der Kompetenzen der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwalts in der Bundeswettbewerbsbehörde angestrebt werden.

Die Regierung ist nicht präsent

Vor Eingang der Debatte merkte FPÖ-Abgeordneter Christian Lausch zur Geschäftsordnung an, dass es Usus sei, dass an der Debatte auch ein/e Vertreter*in der Politik teilnehme. Nach dem Rücktritt von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hätte eine Vertretung benannt werden sollen. Darin, dass das verabsäumt wurde, sehe seine Fraktion eine Missachtung des Parlaments. Er forderte daher in einem Antrag die Herbeischaffung einer Ministerin bzw. eines Ministers. Der Antrag der FPÖ wurde von den drei Oppositionsfraktionen unterstützt, nicht jedoch von den Regierungsparteien, und blieb somit in der Minderheit.

In ihren Wortmeldungen interessierten sich die Abgeordneten Karin Greiner (SPÖ), Kurt Egger (ÖVP), Edith Mühlberghuber (FPÖ), Elisabeth Götze (Grüne) und Gerald Loacker (Neos) für den Stand der Umsetzung der Empfehlungen, insbesondere in Hinblick auf die Vereinfachung und Effizienz der Behördenstruktur und möglicher Einsparungspotenziale.

„Wettbewerbsbehörden sind wichtiger Standortfaktor“

In Vertretung der erkrankten Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker gab eine Beamtin des Rechnungshofs ein kurzes Statement ab. Ausgangspunkt der Empfehlungen des Rechnungshofs sei die Aufgabenkritik gewesen, da festgestellt wurde, dass die Strukturen und die jeweiligen Rechtsgrundlagen der Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden unterdessen sehr komplex und schwer überschaubar geworden seien.

Grundsätzlich würden die Behörden aber gute Arbeit leisten, wurde seitens des Rechnungshofs betont. Das Prüforgan wolle aber darauf hinweisen, dass effizient arbeitende Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden ein wichtiger Standortvorteil seien, sagte die Rechnungshofvertreterin in Richtung von Abgeordneter Götze (Grüne). Insofern sei es wichtig, dass es für die Finanzierung der Stellen Rechtssicherheit gebe. Dem Rechnungshof sei bewusst, dass die Schaffung einer einzigen, rechtlich selbstständigen Einrichtung mit Anbindung an ein einziges Bundesministerium eine Maximalforderung darstelle. Der Großteil der anderen Empfehlungen sei jedoch leicht umsetzbar.

„Geforderte Aufgabenkritik ist umgesetzt“

Seitens des Wirtschaftsministeriums wurde betont, dass die vom Rechnungshof geforderte Aufgabenkritik in seinem Bereich durchgeführt und der der Aufgabenkatalog klar strukturiert worden sei, was auch der Rechnungshof positiv zur Kenntnis genommen habe. Die Formulierung einer Wettbewerbsstrategie sei ein laufender Prozess. Grundsätzlich gehe es darum, den Wettbewerb zu stärken. Gerade in Zeiten der Krise gelte es, dafür zu sorgen, unfairen Wettbewerb hintanzuhalten bzw. für europäischen Produzent*innen, die mit diesem auf außereuropäischen Markten konfrontiert seien, Ausgleichsmaßnahmen zu setzen.

Das Wettbewerbsrecht selbst sei sehr stark von europäischen Vorgaben bestimmt, weshalb nur wenig nationaler Spielraum gegeben sei. Österreich spiele aber in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle auf europäischer Ebene, etwa beim Thema der Nachhaltigkeit, so jedenfalls das Wirtschaftsministerium.

Verschiedene Geldquellen, verschiedene Behörden

Was die Strukturreform und eine einheitliche Rechtsgrundlage angehe, so sei zu bedenken, dass Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden eine unterschiedliche Finanzierungsstruktur hätten, hieß es seitens des BMDW auf diesbezügliche Fragen von Greiner (SPÖ) und Mühlberghuber (FPÖ). Während die Regulierungsbehörden überwiegend von den Marktteilnehmern finanziert würden, trage die Kosten der Wettbewerbsbehörden die öffentliche Hand. Eine Zusammenführung sei daher nicht ohne weiteres möglich.

In der Nutzung von Synergien und beim Frauenanteil sei die Bundeswettbewerbsbehörde vorbildlich, erfuhr Abgeordnete Greiner. Zu der von Abgeordnetem Loacker (Neos) angesprochenen Frage der Zusammenlegung einer Übertragung der Aufgaben des Bundeskartellanwalts an die Bundeswettbewerbsbehörde teilte das Wirtschaftsministerium mit, dass der Schritt geprüft worden sei, im Ergebnis aber der Wunsch überwog, die Stelle eines eigenständigen Kartellanwalts beizubehalten.

BWB wurde aufgerüstet

Was die von Abgeordnetem Egger (ÖVP) angesprochene Ressourcenausstattung der Bundeswettbewerbsbehörde betreffe, so sei vor allem der Personalaufwand ausschlaggebend, hieß es seitens des BMDW. Da es seit der Überprüfung eine deutliche Aufstockung der Stellen gegeben habe, könne man nicht mehr davon sprechen, dass die Einrichtung im Vergleich zu den Wettbewerbsbehörden anderer EU-Mitgliedsstaaten unterdurchschnittlich ausgestattet sei. Insgesamt sei die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde im EU-Vergleich eine der unabhängigsten Wettbewerbsbehörden.

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