Österreich. Das Tempo bei Insolvenzen nimmt zu, so der Gläubigerschutzverband Creditreform. Die Steigerung der abgewiesenen Insolvenzen um 150% sei sogar ein Alarmsignal. Jedoch: „Österreichs Wirtschaft hält das aus.“
Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat die endgültigen Zahlen bei den Firmeninsolvenzen für das 1. Quartal 2022 in Österreich analysiert. Sind die Firmeninsolvenzen seit Beginn der Pandemie auf den niedrigsten Stand seit 1990 gesunken, habe sich die im Herbst 2021 eingesetzte Trendwende im 1. Quartal 2022 weiter verstärkt. Die Firmeninsolvenzen sind um 111% auf 1.055 Verfahren angestiegen und erreichen damit fast das Vorkrisen-Niveau. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist dabei um 89,8% auf 611 gestiegen.
Öffentliche Hand gibt nicht mehr, sondern nimmt
Die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen haben sich sogar um 150% auf 444 erhöht – ein Alarmzeichen für alle Gläubiger, heißt es. Creditreform-Geschäftsführer Gerhard M. Weinhofer sieht als Hauptursache das Auslaufen der staatlichen Hilfen. Ebenso seien die öffentlichen Gläubiger (Finanz, Sozialversicherung) wieder im Normalbetrieb und stellen vermehrt Insolvenzanträge.
Bei vielen Unternehmern ist der Umsatz nach den zahlreichen Lockdowns und Corona-Maßnahmen auch nicht in dem erwarteten Umfang zurückgekommen, sodass sie Probleme bei der Bedienung von Ratenvereinbarungen haben. Die überwiegende Anzahl an Insolvenzen hat Klein- und Kleinstunternehmen betroffen. Die Insolvenzpassiva belaufen sich auf rund 205 Mio. Euro. 3.000 Arbeitsplätze waren tangiert, so Creditreform. Den stärksten Zuwachs verzeichneten Tirol (+309,5%), Niederösterreich (+196,1%) und Vorarlberg (+181,8%).
Für das Gesamtjahr 2022 erwartet Creditreform eine Rückkehr auf das Vorpandemie-Niveau von rund 5.000 Firmeninsolvenzen. Das entspreche bei rund 400.000 heimischen Unternehmen einer Insolvenzquote von 1,25%. Und das, so die Gläubigerschützer, könne eine starke Marktwirtschaft wie Österreich aushalten.
Die Trends bei Privatpleiten
Bei den Privatinsolvenzen ist die Gesamtzahl um rund 22% auf 2.301 Verfahren gestiegen und bewegt sich damit ebenso wie die Firmenkonkurse in Richtung Vor-Pandemie-Niveau. Die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren ist dabei um 19,4% auf rund 2.100, die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen um 57,8% auf 183 Verfahren angestiegen. „Die im Juli 2021 beschlossenen Reformen im Insolvenz- und Exekutionsrecht haben zu einer Trendumkehr geführt. Die schnelleren Entschuldungsmöglichkeiten finden immer größere Akzeptanz“, so Weinhofer.
Die Insolvenzursachen liegen meist in einem Zusammentreffen vieler Faktoren, die sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut haben: Verlust des Arbeitsplatzes, gescheiterte Selbständigkeit sowie generell ein zu sorgloser Umgang mit Geld, warnt Weinhofer. Der unmittelbare Auslöser ist dann oft ein plötzliches Ereignis wie Krankheit oder Scheidung.
Gut ein Drittel der Schuldner sind gescheiterte Selbständige. Die Durchschnittsverschulden liegt bei rund 60.000 Euro. Mehr als ein Drittel aller Privatinsolvenzen ereigneten sich in der Bundeshauptstadt, die traditionell sowohl Spitzenreiter bei der absoluten Zahl an Insolvenzen (809 Fälle) als auch bei der relativen Insolvenzbetroffenheit ist: 6 von 10.000 erwachsenen Wienern mussten Insolvenz anmelden. Damit ist ein Bewohner Wiens doppelt so stark insolvenzgefährdet wie der Durchschnittsösterreicher.
Die Aussichten
Der Anstieg bei den Privatpleiten wird weitergehen, heißt es: Dank der Erleichterungen in der Restschuldbefreiung im Zuge der letzten Reform des Insolvenzrechts stellen wieder mehr Personen einen Insolvenzantrag und nutzen die schnellere Entschuldung. Anstatt von fünf Jahren kann man sich seiner Schulden nun in drei Jahren, und ohne eine Mindestquote an die Gläubiger bezahlen zu müssen, entledigen.
Für das Gesamtjahr 2022 rechnet Gerhard Weinhofer mit einem Anstieg auf über 9.000 Insolvenzen: „Die Preissteigerungen in fast allen Lebensbereichen – vor allem beim Wohnen, bei Treibstoffen und Energie – werden zu einem Anstieg der Privatinsolvenzen führen. Unabhängig davon bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen der weitere Verlauf des Ukraine-Kriegs auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung sowie die Digitalisierung und Klimawende auf den Arbeitsmarkt und damit auf die Insolvenzen haben werden.“