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Revisoren: „60-70% aller Fälle durch Hinweise aufgedeckt“

Gottfried Berger ©Institut für Interne Revision Österreich

Interview. Mit GRC Experts hat das österreichische Institut für Interne Revision ein privates Beratungsunternehmen gegründet: Geschäftsführer Gottfried Berger spricht über Hilfe bei der Korruptionsbekämpfung, die neuen Whistleblowing-Systeme – und welche Hinweise tatsächlich wichtig sind.

Extrajournal.Net: Sie sind Geschäftsführer von GRC Experts, eines neuen Tochterunternehmens des Instituts für Interne Revision. Was ist das Ziel dieser Neugründung?

Gottfried Berger: Das Institut ist der Berufsverband aller internen Revisoren in Österreich. Das sind jene Profis, die innerhalb von Unternehmen für die objektive und unabhängige Prüfung aller Prozesse und Abläufe zuständig sind – und somit auch Korruption aufdecken bzw. präventiv verhindern können. Wir haben rund 2.000 Mitglieder. Das sind hauptsächlich Unternehmens-Mitgliedschaften, konkret Banken, Versicherungen und Industriebetriebe, sowie Einzelmitglieder. Das Institut ist gemeinnützig, es hat sechs Vorstände, die alle ihre Funktion ehrenamtlich ausüben. Außerdem betreiben wir die Akademie für Interne Revision GmbH, die der Aus- und Weiterbildung unserer Mitglieder dient. Ziel des Instituts ist einerseits, die Tätigkeit der Revisoren bekannter zu machen, deren Interessen zu vertreten und andererseits auch das Know-how unserer Mitglieder zu stärken und nützen. Darum haben wir jetzt GRC Experts gegründet, eine privatwirtschaftlich aufgestellte GmbH. Wir haben extrem viel Know-how unter unseren Mitgliedern, gleichzeitig gibt es einen großen Markt für diese Leistungen. Auch Revisoren beauftragen derzeit in vielen Fällen externe Dienstleister mit Zuliefertätigkeiten, zum Beispiel im Bereich IT, Buchhaltung, Forensik usw. Ziel ist es daher, dass unsere Mitglieder diese Leistungen über die GRC Experts beziehen, da sie hier die Garantie haben, jemanden mit Erfahrung zu bekommen – Wissen von Revisoren für Revisoren.

Wie funktioniert das in der Praxis?

Gottfried Berger: GRC Experts stellt dieses Know-how zur Verfügung. Viele unserer Mitglieder sind zwar im jeweiligen Unternehmen angestellt, können aber solche beratenden Tätigkeiten auch für andere ausüben, manche sind auch selbständig, wir haben darüber hinaus Juristen und andere Spezialisten unter unseren Mitgliedern. Bereits zum Start haben wir einen Pool von etwa 45 Mitgliedern, die über GRC Experts buchbar sind – und dieser wird künftig weiter ausgebaut. Der Kunde hat dabei ein Vertragsverhältnis mit GRC Experts und damit die Gewissheit des entsprechend professionellen Ablaufs.

Das Whistleblowing-Gesetz ist verspätet

Welche Themen sind aktuell bei Ihrer Arbeit wichtig?

Gottfried Berger: Das ist erstens die Korruptionsbekämpfung und -vorbeugung, sozusagen die angestammte Tätigkeit der internen Revision. Dabei geht es unter anderem um die Sicherheit von Prozessen in den Unternehmen. Der zweite, derzeit aktuelle Bereich ist die Implementierung von Whistleblowing-Tools. Alle warten noch auf das entsprechende Gesetz, mit dem die Whistleblowing-Richtlinie der EU in Österreich in nationales Recht umgesetzt wird. Der Gesetzgeber ist hierbei leider säumig; es hätte eigentlich Ende 2021 beschlossen werden sollen. Das Thema ist deshalb so wichtig, weil – wie wir als Revisoren wissen – 60 bis 70 Prozent aller Fälle von Korruption in Unternehmen durch Hinweise aufgedeckt werden.

Es braucht sich auch niemand davor zu fürchten, dass es eine Flut von ungerechtfertigten Hinweisen geben wird. Die sprichwörtliche Vernaderung ist in der Praxis kaum ein Problem, sie betrifft nur 5-10 Prozent aller Hinweise. Die Zahl der Hinweise ist in absoluten Zahlen auch nicht so groß wie manche glauben, diese Erfahrung machen wir immer wieder. Wichtig ist das Verständnis, dass Hinweisgeber in der Regel keine Querulanten, sondern engagierte Mitarbeiter sind, denen ihr Unternehmen wichtig ist, und die Missstände aufzeigen oder auch Schwachstellen beheben wollen. Daher sollte jedes Unternehmen daran interessiert sein, denn Whistleblowing ist ein Hebel für Verbesserungen.

Sie bieten bereits die Vorbereitung auf die Whistleblowing-Richtlinie an, obwohl das Gesetz noch nicht fertig ist?

Gottfried Berger: Natürlich, es kommt ja ohnehin und wird künftig nicht nur Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden, sondern in weiterer Folge auch kleinere betreffen. Wir können nur jedem Unternehmen empfehlen, nicht bis zum letzten Moment zu warten. GRC Experts bietet dabei u.a. die Zertifizierung zum Whistleblowing-Beauftragten an. Wir bieten für die automatisierte Abwicklung auch den Einsatz einer österreichischen Software-Lösung an, die nicht nur customizable ist – bis hin zum Kunden-Logo in der Benutzeroberfläche – sondern durch ihre heimische Herkunft auch in Sachen Datensicherheit entsprechend gute Eigenschaften hat. Auf Wunsch ist auch die Vorbearbeitung eingehender Hinweise möglich. Damit reduziert sich die Arbeitsbelastung für den Kunden auf ein Minimum, wenn wirklich nur den gravierenden Hinweisen nachgegangen wird.

Welche Hinweise sind wichtig, welche nicht?

Gottfried Berger: Ein Hinweis, dass ein bestimmter Mitarbeiter stets den falschen Firmenparkplatz benützt, ist eher ein Thema für die Personalabteilung als für die interne Revision. Stößt man dagegen auf den Vorwurf, dass eine Führungskraft und ein Buchhaltungsmitarbeiter gemeinsam nicht nachvollziehbare Überweisungen tätigen, dann wird man die entsprechenden Stellen einschalten. Unabhängig vom Schweregrad muss aber ausnahmslos jeder eingehende Hinweis bearbeitet, dokumentiert und auch beantwortet werden, das verlangt die EU-Richtlinie.

 

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