Rechtsanwälte. Der „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 bedeutete für tausende Anwälte das Ende der beruflichen Tätigkeit, Verfolgung und Tod. Ein neues Buch beleuchtet ihre Schicksale.
Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 bedeutete für viele österreichische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte das Ende ihrer beruflichen Tätigkeit, erinnert die Rechtsanwaltskammer (RAK) Wien: Ihr Schicksal beleuchtet die Neuauflage des Buches „Advokaten 1938“, das mit Unterstützung der RAK Wien erschienen ist. Kammer-Präsident Univ-Prof. Michael Enzinger: „Kritische Auseinandersetzung mit unserer Geschichte ist wichtig und unerlässlich für den Rechtsstaat.“
Der „Verein zur Erforschung der anwaltlichen Berufsgeschichte der zwischen 1938 und 1945 diskreditierten Mitglieder der österreichischen Rechtsanwaltskammern“ hat im Mai 2022 die 2. Auflage des im November 2010 erschienenen Buches „Advokaten 1938“ herausgegeben. Die Erstauflage zeichnete die Geschichte der österreichischen Anwaltschaft unter der NS-Herrschaft aus dem Blickwinkel der persönlichen Schicksale der verfolgten und entrechteten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.
Neuauflage beleuchtet die Rechtsanwaltsanwärter*innen
Die 2. Auflage beschäftigt sich nun auch mit den Schicksalen der Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärter, die in der Zeit von 1938-1945 ihre Ausbildung nicht mehr fortsetzen konnten. Das Buch erinnert an 2.200 österreichische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Rechtsanwaltsanwärter*innen, die unter der NS-Herrschaft nicht nur ihr Ausbildungsrecht oder Berufsausübungsrecht verloren haben, sondern unter zum Teil dramatischen Umständen verfolgt und auch ermordet wurden.
Weltweite Verbreitung stellt Gedenken sicher
Die Neuauflage werde erstmals ausschließlich in englischer Sprache veröffentlicht, um weltweit den Nachfahren und an der österreichischen NS-Geschichte Interessierten Zugang zu diesem geschichtswissenschaftlichen Werk zu eröffnen. Die Wiener Rechtsanwaltschaft habe die Herausgabe der 1. und 2. Auflage des Buches maßgeblich unterstützt; man sehe das Werk zugleich als Gedenkbuch und kritische Auseinandersetzung mit der österreichischen Anwaltsgeschichte.
RAK Wien-Ausschussmitglied Alix Frank-Thomasser ist Initiatorin des Buches und als Obfrau der Herausgeberin maßgeblich an der Entstehung beteiligt: „Es erscheint vergleichsweise einfach, die Geschichte der österreichischen Anwaltschaft 1938-1945 in anonymisierten Zahlen auszudrücken. Genau dies geschah hier nicht. Mit dieser Aufarbeitung wurde ein persönliches Gedenken durch die Veröffentlichung der Biografien der Betroffenen erstmals ermöglicht.“
„Die kritische Auseinandersetzung mit der österreichischen und vor allem unserer Geschichte als Rechtsanwaltschaft ist wichtig und unerlässlich für den Rechtsstaat. Es ermöglicht uns, die heutige parlamentarische Demokratie wert zu schätzen und gleichzeitig an persönliche Schicksale zu erinnern“, so Enzinger.