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Business, Finanz, Recht

ESG in der Finanzbranche als Mannschaftssport

Erich Mayer, Wolfgang Viehauser, Anne Aubrunner, Andrea Stürmer, Eduard Schock, Heidrun Kopp, Robert Sobotka, Helmut Ettl ©FMVÖ / Christoph Kerschbaum

Wien. Beim jüngsten „Financial Forum“ des Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) diskutierten Helmut Ettl (FMA), Andrea Stürmer (Zürich Versicherung), Wolfgang Viehauser (Hypo NOE) u.a. über das Thema „Nachhaltige Finanzwirtschaft“.

Nach der Begrüßung durch OeNB-Direktor Eduard Schock und FMVÖ-Präsident Erich Mayer eröffnete Inafina-Leiterin Heidrun Kopp den Abend mit ihrer Keynote zum Thema „Green Business versus Green Washing“. Sie ging darauf ein, dass in den letzten 15 Jahren die CSR-Maßnahmen vieler großer, meist börsennotierter Unternehmen inhaltlich „selten mit dem Kerngeschäft verknüpft und eher als Marketing-Themen aufgesetzt“ waren. Erst die verstärkte Nachfrage nach nachhaltigen Investments auf den Kapitalmärkten, die Einführung von freiwilligen Verfahrensrichtlinien und internationalen Standards sowie Zertifizierungen und staatliche Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte hätten zu einem „Umdenken“ geführt, so Kopp.

Die neuen Herausforderungen

Mit dem EU-Aktionsplan von 2018 sei mit der Taxonomie ein einheitliches Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten geschaffen worden, das zwar zusätzlich zur Bewusstseinsbildung für Environmental Social Governance (ESG) bei den Entscheidungsträgern beigetragen habe. Gleichzeitig seien die Organisationen nun vor zweierlei Herausforderungen gestellt: Einerseits brauche es zur besseren Messbarkeit der Nachhaltigkeit den Aufbau eines internen und externen Berichtswesens für ESG-Daten. Andererseits müssten Mitarbeiter geschult und Expertise aufgebaut werden, um ESG in den Geschäftsmodellen zu integrieren.

„Es braucht Controlling & ESG, Riskmanagement & ESG, aber vor allem Top-Management & ESG, um sicherzustellen, dass dieses neue Wissen in allen Ebenen greift und gelebt wird. Kurz gesagt: ESG ist ein Mannschaftssport – es braucht nicht nur einen Experten, sondern viele Kollegen, die wissen, wovon die Experten reden“, so Kopp.

Geld gilt bei den Kunden nicht als grün

Robert Sobotka, Geschäftsführer von Telemark Marketing, präsentierte im Anschluss die Ergebnisse einer Befragung unter 600 Personen im Zeitraum April und Mai dieses Jahres zum Thema „Nachhaltigkeit in der Finanzbranche: Was erwarten sich die Kunden?“. Sehr deutlich sei dabei laut Sobotka erkennbar, dass die Kunden mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ andere Branchen als die Finanzbranche – nämlich Lebensmittel, Energie und Landwirtschaft – assoziieren würden.

Andererseits werde die Finanzbranche seitens der Befragten auch nicht als „CO2-verantwortlich“ wahrgenommen, sondern eher der Verkehrs- und Transportbereich sowie Industrie- und Energieunternehmen. Die Kehrseite der Medaille sei allerdings, dass sich Finanzinstitute bislang nicht als nachhaltig-agierende Unternehmen positionieren konnten und ihr Beitrag zum Klimaschutz seitens der Konsumenten noch nicht erkannt wird. „Diesbezügliche Kommunikation scheint nicht sehr wirkungsvoll zu sein. Es ist auch fraglich, ob sich eine Positionierung für die Unternehmen ‚auszahlt‘, da die Wechselbereitschaft zu und Weiterempfehlung von nachhaltigen Finanzunternehmen nicht besonders hoch“ sei, so die Conclusio von Robert Sobotka.

Die Taxonomie als Herausforderung

Zur Eröffnung der Diskussionsrunde stellte Moderatorin und FMVÖ-Vorstandsmitglied Anne Aubrunner die Frage, wie es den heimischen Banken und Versicherungen mit dem historisch gesehen großen Regulierungspaket der EU gehe. Laut FMA-Vorstand Helmut Ettl bedürfe die Bekämpfung der Klimakrise und ihrer Folgen „enormer Kraftanstrengungen“ – auch hinsichtlich der Finanzierung. Zur Erreichung der gesteckten Klimaziele seien „großvolumige Investitionen“ vonnöten, so rechne man in Österreich mit einem Bedarf von rund 17 Mrd. Euro jährlich, so Ettl.

Die Aufgabe der FMA sei es laut dem Vorstand nun, die Einhaltung der einschlägigen rechtlichen Vorschriften in ihrem Zuständigkeitsbereich zu überwachen. „Wir sehen uns beispielsweise an, ob Unternehmen ESG-Offenlegungspflichten erfüllen oder ob sie im Risikomanagement Nachhaltigkeitsrisiken adäquat adressieren. Damit leisten wir einen Beitrag gegen das sogenannte ‚Green Washing‘, im Zuge dessen den Anlegern und Anlegerinnen fälschlicherweise ein Finanzierungsprodukt als nachhaltig, umwelt- bzw. klimafreundlich verkauft wird“, so Ettl. Die FMA bringe sich aber auch in den europäischen und nationalen Policy-Prozess aktiv ein, gestalte die Rahmenbedingungen mit, fungiere als Informationsdrehscheibe und sorge damit für Rechtssicherheit.

Die Sensibilität nimmt zu

„Die Anforderungen an Green Finance sind enorm und betreffen institutionelle Anleger, börsennotierte Unternehmen und auch die Versicherer – aber gibt es schon genug Angebot an Taxonomie-konformen Investmentprodukten? Kann der Markt schon in der entsprechenden Qualität bedient werden und gibt es genug Projekte, in die man investieren kann?“, so die Überleitung von Anne Aubrunner zum nächsten Themenblock.

Wie Andrea Stürmer, CEO der Zürich Versicherung betonte, gebe es aktuell noch „großen Handlungsbedarf“. Auch sei erkennbar, dass die Kunden bereits eine Sensibilität entwickelt hätten und mittlerweile ein „größerer Bedarf an grünen Finanzprodukten“ erkennbar sei. „Als Versicherer kommen wir für die Schäden des Klimawandels bei unseren Kundinnen und Kunden auf und haben deshalb ein großes Wissen zum Klimawandel und seinen Auswirkungen – in Österreich und weltweit. Gleichzeitig sehen wir uns in einer großen gesellschaftlichen Verantwortung und haben daher Nachhaltigkeit in die Mitte des Unternehmens geholt und umfassend in unsere Unternehmensstrategie integriert“, so Stürmer.

Pionierarbeit im Nachhaltigkeitsdenken

Der für ESG notwendige Transformationsprozess habe in den letzten Monaten deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommen – nicht nur wegen der regulatorischen Vorgaben, sondern auch wegen der neuen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Als einer der Vorreiter habe sich die Hypo NOE schon vor über 10 Jahren dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben, wo es vielerorts nur ein Randthema war, wie CEO Wolfgang Viehauser resümierte: „Damals war die größte Herausforderung, die Prozesse für die Datenerhebung für unsere ökologischen Kennzahlen so aufzubereiten, dass wir uns Ziele setzen und über die Umsetzung auch transparent und nachvollziehbar berichten können. Als dann die regulatorische Verpflichtung zur Nicht-Finanziellen Erklärung umgesetzt wurde, waren wir bereits sehr gut vorbereitet.“

Laut Viehauser steige auch die Nachfrage nach grünen oder auch nachhaltigen Anleihen stärker als das Angebot: „Unser Green Bond war der erste Österreichs, der mit dem UZ49 zertifiziert wurde. Am Kapitalmarkt hat in den vergangenen Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden, Glaubhaftigkeit und Transparenz spielen dort nun eine große Rolle. Mittlerweile haben wir unseren zweiten Green Bond begeben – beide waren deutlich überzeichnet.“

„Auf Diversität nicht vergessen“

Zum Abschluss gaben die Diskussionsteilnehmer noch einen Einblick, wie Versicherungen und Banken den sozialen Teil der Taxonomie bestmöglich unterstützen können. „Im Zuge von ESG wird immer viel über Environment und Governance gesprochen, wir achten aber darauf, dass das ‚S‘ ebenfalls nicht verloren geht. Wir setzen daher stark auf Diversität, auf die Gleichstellung von Frauen und Männern und haben das auch in den Unternehmensgrundsätzen verankert,“ so Andrea Stürmer.

Wolfgang Viehauser ging auf den Paradigmenwechsel ein, der zu beobachten sei: „Gerade die 3. Säule unserer Nachhaltigkeitsstrategie – die Finanzierung von Projekten mit gesellschaftlichem Mehrwert – gewinnt nun zusehends an Bedeutung, regulatorisch, aber auch gesellschaftspolitisch. In unseren Bankalltag übersetzt, heißt das, dass wir vor allem das Finanzieren von Projekten mit gesellschaftlichem Mehrwert wie beispielsweise den Wohnbau forcieren und gleichzeitig ESG-Risiken minimieren. Die Basis dazu sind unsere ethischen Leitlinien und Geschäftsgrundsätze.“

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