Wien. Die Corona-Pandemie hat die drei Volksanwälte 2021 intensiv beschäftigt: Die Zahl der Beschwerden stieg kräftig. Probleme hatten die Österreicher auch mit Familienbeihilfe, Führerschein, Papamonat und dem Finanzamt Österreich.
Das geht aus dem aktuellen 45. Bericht der Volksanwaltschaft hervor, der jetzt im zuständigen Ausschuss des Nationalrats zur Diskussion stand.
Die Probleme im Kampf gegen die Pandemie
Viele Bürger*innen waren demnach durch das Corona-Management des Bundes und der Länder verunsichert, auch die verzögerte Auszahlung von Corona-Hilfen, als überschießend empfundene Schutzmaßnahmen an Schulen sowie zu spät eintreffende bzw. inkorrekte Absonderungsbescheide schlugen sich im Beschwerdeaufkommen nieder. Einige Betroffene beklagten außerdem, dass ihnen trotz erfolgter dritter Impfung kein entsprechendes Zertifikat für den Grünen Pass ausgestellt worden war, so der Bericht der Volksanwälte laut Parlamentskorrespondenz.
Es zeigt sich auch Besserung
Zwar seien einige Dinge, die in den ersten Lockdowns passiert sind, nicht mehr vorgekommen, sagte Volksanwalt Bernhard Achitz im Ausschuss, etwa was die mangelhafte Begründung von Ausgangsbeschränkungen oder das Besuchsmanagement in Altersheimen betrifft. Einige Fehler seien aber wiederholt worden, wenn auch zum Teil in anderer Ausgestaltung.
- So habe beispielsweise jedes Bundesland eine etwas andere Vorgangsweise bei der Impf-Reihung oder bei der Absonderung von Kontaktpersonen gehabt. Das sei auf viel Unverständnis in der Bevölkerung gestoßen.
- Zudem seien auch 2021 sehr viele kurzfristige Änderungen der Rechtslage zu verzeichnen gewesen, was nicht nur bei den Bürger*innen sondern auch in der Verwaltung zur Verwirrung beigetragen habe.
Auch insgesamt ist die Zahl der Beschwerden bei Volksanwaltschaft mit mehr als 23.000 rekordverdächtig, wobei Volksanwalt Werner Amon unter anderem von einem deutlichen Beschwerdeanstieg im Bereich Raumordnung, Flächenwidmung und Bauordnung berichtete. Ebenso haben die Beschwerden über die Finanzverwaltung zugenommen. Weiters kamen im Ausschuss die zum Teil erheblichen Verzögerungen bei der Auszahlung von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld, Probleme bei der Erlangung des Taxischeins und die lange Dauer von Verfahren im Bereich des Fremdenrechts zur Sprache.
Der derzeitige Vorsitzende der Volksanwaltschaft Walter Rosenkranz kritisierte, dass die in Aussicht gestellte unabhängige Meldestelle für Polizeiübergriffe nach wie vor nicht eingerichtet wurde. Was die Mitwirkung der Volksanwaltschaft bei der Zuerkennung von Heimopferrenten betrifft, gibt es laut Achitz mittlerweile keinen nennenswerten Rückstau bei den Anträgen mehr.
Lob von der internationalen Vereinigung
An der Sitzung nahm auch der Präsident des Internationalen Ombudsmanninstituts (IOI), Chris Field, teil. Er habe großen Respekt vor der österreichischen Volksanwaltschaft, sagte der Australier. Diese sei eine ganz wichtige Säule der Demokratie in Österreich und leiste nicht nur gute Arbeit als Vermittlerin zwischen Staat und Bürger*innen, sondern spiele auch eine zentrale Rolle bei der Förderung von Menschenrechten. Dem IOI gehören laut Field derzeit Ombudsstellen aus mehr als 100 Nationen an. Ziel der internationalen Vereinigung sei es, Demokratie und Menschenrechte zu fördern, zudem unterstütze man Volksanwaltschaften, die in ihren eigenen Ländern unter Druck geraten. Aktuell bemühe man sich, Beobachterstatus in der UNO zu erhalten.
Zahl der Beschwerden stieg 2021 um 32%
Konkret sind im vergangenen Jahr laut 45. Bericht der Volksanwaltschaft 23.633 Beschwerden bei den drei Volksanwälten Werner Amon, Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz eingelangt. Das sind um 32% mehr als 2020. In knapp der Hälfte der Fälle (11.516) leitete die Volksanwaltschaft ein offizielles Prüfverfahren ein. In 1.834 Verfahren wurde ein Missstand bei einer Behörde aufgezeigt.
- Wie schon in den Jahren davor war der Bereich Soziales und Gesundheit mit 2.739 Verfahren (31,5%) jener mit dem größten Beschwerdeaufkommen.
- 22,3% der Fälle betrafen das Innenressort.
- Im Bereich Justiz (14%) wertet die Volksanwaltschaft die steigende Zahl an Selbstmordversuchen im Straf- und Maßnahmenvollzug als besorgniserregend.
Wo bleibt die Meldestelle?
Im Zuge der Beantwortung der zahlreichen Fragen der Abgeordneten kritisierte der derzeitige Vorsitzende der Volksanwaltschaft Walter Rosenkranz unter anderem, dass die in Aussicht genommene unabhängige Beschwerdestelle für Polizeiübergriffe weiter auf sich warten lässt. Die Volksanwaltschaft habe bereits mehrfach im Innenministerium nachgefragt, aber nur die Auskunft bekommen, dass andere Vorhaben wie die Reform des Staatsschutzes vordringlicher seien. Auch das Angebot einer Unterstützung durch die Volksanwaltschaft sei ins Leere gelaufen. Zuletzt habe es geheißen, dass man in der politischen Feinabstimmung zwischen den Koalitionsparteien sei.
Rosenkranz hält die Stelle auch deshalb für wichtig, weil die Volksanwaltschaft zwar Beschwerden über Polizeieinsätze nachgehen könne, etwa wenn Übergriffe bei Demonstrationen gemeldet werden, sie könne aber nur Unterlagen aus dem Innenressort anfordern und keine Zeug*innen anhören. Sie sei damit auf die Angaben des Ministeriums angewiesen.
Etwas zurückgegangen sind mittlerweile laut Rosenkranz die Beschwerden über lange Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz. Ebenso habe es bei der telefonischen Erreichbarkeit des zuständigen Wiener Magistrats Verbesserungen gegeben. Zuletzt im Steigen begriffen waren allerdings Beschwerden im Zusammenhang mit Staatsbürgerschaftsverfahren.
Probleme bei Führerscheinen und Taxischeinen
Als ein nach wie vor nicht gelöstes Problem sieht Rosenkranz die unterschiedliche Vorgangsweise der zuständigen Führerscheinbehörden bei der Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis im Falle von alkoholbedingtem Führerscheinentzug. Die Haaranalyse sei eine zulässige Methode, um festzustellen, inwieweit jemand Alkohol konsumiere, erklärte er, es komme zum Teil aber zu überschießenden Anforderungen, was das notwendige Unterbeweisstellen der Führerscheinfähigkeit betrifft. Vor allem in einem oberösterreichischen Bezirk häuften sich die Beschwerden. Sinnvoll wären nach Meinung von Rosenkranz bundesweit einheitliche Vorgaben, hier sei die Volksanwaltschaft im Verkehrsministerium aber „auf taube Ohren gestoßen“.
Auch bei der Erteilung eines Taxischeins ortet Rosenkranz zum Teil unnötige Schikanen, wobei es hier vor allem in Wien zu Problemen kommt. So würden Taxischeine verwehrt, weil jemand vor fünf Jahren wegen eines – minderschweren – Verkehrsdelikts bestraft wurde. Rosenkranz fordert eine individuelle Abwägung in solchen Fällen, hier seien die Gespräche mit dem Verkehrsministerium noch nicht abgeschlossen.
Viele Beschwerden nach Einführung des „Finanzamt Österreich“
Volksanwalt Werner Amon berichtete, dass es nach Einführung des „Finanzamt Österreich“ zu einem massiven Anstieg der Beschwerden über die Finanzverwaltung gekommen sei. Viele Menschen hatten den Eindruck, bei der zentralen Hotline nicht durchzukommen, zudem hätten sie häufig keine befriedigende Auskunft bekommen. Auch dass es keinen Sachbearbeiter bzw. keine Sachbearbeiterin als Ansprechpartner*in mehr gebe, habe zu Kritik geführt. Mittlerweile seien die Beschwerden aber deutlich rückläufig, erklärte Amon. Er habe den Eindruck, dass das Finanzministerium auf die Probleme reagiert habe. Bei rund 100 der 357 Beschwerden, die das Finanzressort betrafen, ging es um die Corona-Wirtschaftshilfen.
Die steigende Zahl der Beschwerden im Bereich Raumordnung, Bauordnung und Flächenwidmung führt Amon unter anderem darauf zurück, dass die Rechtsvorschriften immer komplexer werden und vielen Gemeinden die rechtliche Expertise fehlt. Zum Teil gebe es dramatische Fälle, etwa wenn ein Unternehmen plötzlich „im Grünen“ stehe und die Gebäude abgerissen werden müssten, weil der Verwaltungsgerichtshof sowohl die Flächenwidmung als auch die Baugenehmigung als rechtswidrig aufgehoben habe.
Als dringend notwendig erachtet Amon eine zweite Einrichtung für den Maßnahmenvollzug. Die Anstalt Asten platze aus allen Nähten, hob er hervor. Auch gebe es insgesamt zu wenig psychiatrische und psychologische Betreuung. Auffallend sei auch ein Plus von 60% bei den Einweisungen in den Maßnahmenvollzug in den letzten Jahren. Ein ausdrückliches Lob äußerte Amon für den Umgang des Verteidigungsministeriums mit Beschwerden.
Verzögerte Auszahlung von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld
Untypisch viele Beschwerdefälle hat es 2021 laut Volksanwalt Bernhard Achitz auch wegen einer verzögerten Auszahlung der Familienbeihilfe gegeben. Zwischen 150 und 200 Personen hätten sich deshalb an die Volksanwaltschaft gewandt. Ursache für die Verzögerungen sei das Auslaufen der coronabedingten Nachsichtsfrist in Bezug auf die Vorlage gewisser Nachweise im Frühjahr 2021 gewesen, wobei unter anderem Studierende und Bezieher*innen einer erhöhten Familienbeihilfe betroffen waren. Zum Teil habe es neun Monate gedauert, bis die Familienbeihilfe nachgezahlt wurde. Auch im heurigen Frühjahr habe es wieder ein paar Beschwerden gegeben.
Als noch größer erachtet Achitz allerdings Probleme mit der Auszahlung von Kinderbetreuungsgeld, auch wenn es hier weniger Fälle gebe. Die Kooperation mit dem Familienministerium sei hier „nicht ganz so gut“, stellte er fest. Die Angst vor Missbrauch sei sehr groß, und das auf einem Feld, wo eigentlich nicht viel Missbrauch passieren könne.
Ministerium soll den Papamonat reparieren
Auch bei der Beseitigung von Hürden in Bezug auf die Inanspruchnahme des sogenannten Papamonats sieht das Familienministerium Achitz zufolge keinen Anlass für Änderungen, obwohl es hier immer wieder zu Problemen komme. Durch sehr enge formale Vorgaben könnten viele Väter den Familienzeitbonus nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie das gerne täten. Etwa weil sie vergessen haben, sich zeitgerecht am gemeinsamen Wohnsitz anzumelden. Es brauche hier mehr Spielraum, betonte Achitz, wobei er den Ball angesichts der Haltung des Familienministeriums nun beim Parlament liegen sieht.
Erleichterungen haben das Familienministerium und die Österreichische Gesundheitskasse beim Nachweis von Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen in Aussicht gestellt, berichtete Achitz. Hier kommt es immer wieder zu aus seiner Sicht unverhältnismäßigen Sanktionen, weil Nachweise nicht rechtzeitig geliefert werden.
Heimopferrente braucht Gesetzesreparatur
Bei den Anträgen auf Heimopferrente gibt es laut Achitz keinen nennenswerten Rückstau mehr bei der Volksanwaltschaft. Insgesamt wurden 2021 seiner Auskunft nach 310 Anträge bearbeitet und 212 Fälle der Rentenkommission vorgelegt. In 192 Fällen habe man die Zuerkennung einer Rente empfohlen. Zum Schließen einer aufgedeckten Lücke regt die Volksanwaltschaft eine Reparatur des Heimopferrentengesetzes an: Wer arbeitsunfähig sei und nur deshalb keinen Sozialhilfeanspruch habe, weil der Partner bzw. die Partnerin zu viel verdiene, falle auch um die Heimopferrente um.