Open menu
Business, Recht

Psychisch Kranke und die Justiz: Neues Reformvorhaben

©Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Österreich. Die Betreuung psychisch kranker Menschen soll verbessert werden: Änderungen sollen im Sicherheitspolizeigesetz, bei Unterbringung u.v.m. kommen.

Ein aktuelles Regierungsvorhaben soll sozial-, gesundheits- und rechtspolitisch vor allem dazu beitragen, dass psychisch kranke Menschen besser psychiatrisch versorgt sind. Mit der entsprechenden Novelle schlägt die Regierung Änderungen im Unterbringungsgesetz (UbG), im Sicherheitspolizeigesetz, im IPR-Gesetz, im Außerstreitgesetz und in der Notariatsordnung vor, so die Parlamentskorrespondenz.

Ergebnis der Attacke am Brunnenmarkt

Das Paket wurde aufgrund von Ergebnissen einer Sonderkommission geschnürt. Sie war eingerichtet worden, nachdem im Jahr 2016 ein geistig verwirrter, obdachloser Mann am Brunnenmarkt in Wien ohne ersichtlichen Grund eine Passantin mit einer Eisenstange erschlagen hatte. Die Sonderkommission habe in der Analyse unter anderem „fehlende oder unklare Regelungen für den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Berufsgruppen und Behörden sowie Standards für das zielgerichtete Vorgehen bei psychischen Erkrankungen“ festgestellt. In der Reform sei außerdem eine dazu am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie beauftragte Studie sowie die Ergebnisse aus einer umfassenden Arbeitsgruppe berücksichtigt worden.

  • Ein wichtiges Anliegen der Reform sei es auch, das UbG mit den Anforderungen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung in Einklang zu bringen. Demnach soll künftig weniger über die Patient*innen, sondern mehr mit ihnen gesprochen werden.
  • Ein weiterer Abschnitt sieht den Erläuterungen zufolge Sonderregeln für Minderjährige vor, womit der Kritik Rechnung getragen werden soll, dass es sich bei der Materie um ein reines „Erwachsenenpsychiatriegesetz“ handle.

Von Bescheinigungen bis Datenschutz

  • Zur „Unterbringung ohne Verlangen“ in einer psychiatrischen Abteilung soll der Vorlage zufolge dem Landeshauptmann oder der Landeshauptfrau die Möglichkeit eingeräumt werden, Ärzt*innen zu ermächtigen, die entsprechende Bescheinigung auszustellen. Dies könne etwa in Gestalt eines Ärzt*innenpools erfolgen.
  • Dem Sozial- und Gesundheitsminister komme dabei eine wichtige Steuerungsfunktion zu. Er habe mit Verordnung die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Ermächtigung bzw. für die Entziehung der Ermächtigung festzulegen. Primärversorgungseinrichtungen soll diese Möglichkeit dagegen nicht mehr zukommen.

Wer weist psychisch kranke Menschen ein?

Klargestellt werden soll unter anderem auch, welche Aufgaben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die einweisende Ärztin oder Arzt und die Fachärztin oder der Facharzt der psychiatrischen Abteilung im Rahmen der Klärung der Voraussetzungen der Unterbringung haben. Außerdem sollen sämtliche Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zusammenhang mit Unterbringungen abschließend im UbG geregelt werden. Die (parallelen) Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz sollen daher entfallen. Im Entwurf ist dazu auch eine Weisungsbindung der Träger einer Sonderkrankenanstalt für Psychiatrie bzw. einer Krankenanstalt, die über psychiatrische Abteilungen verfügt, vorgesehen.

Zur Verbesserung der Rechtssicherheit in der Kommunikation und Kooperation zwischen den verschiedenen Stellen, die mit psychisch kranken Personen mit Selbst- und Fremdgefährdungspotential zu tun haben, wird den Erläuterungen zufolge versucht, für alle denkbaren Situationen zu regeln, wer wem welche Daten zu welchem Zweck übermitteln darf. So soll sich etwa die Ärztin oder der Arzt im Zuge der Aufhebung der Unterbringung um eine angemessene weitere soziale und psychiatrische Betreuung bemühen können, wenn er das für erforderlich hält.

Klargestellt werden sollen unter anderem auch die Regelungen zu eigenmächtigem Fernbleiben und Behandlung außerhalb der psychiatrischen Abteilung. Die Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung der betroffenen Person und des Patienten bzw. der Patientin sollen außerdem gestärkt sowie die gerichtlichen Entscheidungsbefugnisse über eine medizinische Behandlung neu geregelt werden.

Gefährlichkeit soll (etwas) genauer definiert werden

Vorgenommen werden darüber hinaus etwa Klarstellungen zu den Voraussetzungen der Unterbringung. So erfolge zwar keine Legaldefinition zur „ernstlichen und erheblichen Gefährdung“, es werden aber in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf an Hand von Literatur und Judikatur einige Details diesbezüglich festgehalten.

Ebenfalls enthalten ist in dem Reformvorhaben eine Novellierung des Internationalen Privatrechts: Sie betrifft das Thema Erwachsenenvertretung. Nach dem Recht vieler Staaten sei eine Erwachsenenvertretung von Gesetzes wegen nicht vorgesehen. Für Erwachsene mit ausländischer Staatsangehörigkeit habe diese Rechtsunsicherheit zur Folge, dass die Eintragung in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis fallweise nicht durchgeführt und in der Folge eine gerichtlicher Erwachsenenvertretung bestellt wird, obwohl die Voraussetzungen einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung nach österreichischem Recht erfüllt wären. Laut Erläuterungen wird mit dem Entwurf im Sinn der Rechtssicherheit nunmehr eine diesbezügliche Klärung vorgenommen.

 

Weitere Meldungen:

  1. Wenn die „Trägerraketen“ starten: Grundlegender Wandel im Parlament
  2. Besondere Ermittlungsmaßnahmen: So oft kam 2023 der „große Lauschangriff“
  3. Margaretha Lupac-Stiftung: Die Preisträger des Demokratiepreises 2024
  4. Protokolle im Parlament: Damit nicht gefälscht wird „wie es die Herren brauchen“