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Inkasso: „Freundliches Auftreten bringt raschere Lösung“

Christian Giehler ©Matthias Silveri

Interview. Mit Inkasso als Positiv-Erlebnis will der neue coeo-Chef Christian Giehler punkten: Im Interview spricht er über Trends bei den Schuldnern und im E-Commerce, die Auswirkungen von steigenden Zinsen auf die Pleite-Zahlen und mehr.

Extrajournal.Net: coeo will laut seiner aktuellen Strategie das Inkasso zu einem positiveren Erlebnis machen – und zwar für die Konsumenten, bei denen Sie ausstehende Forderungen geltend machen. Wie funktioniert das in der Praxis?

Christian Giehler: Wir sind ein Unternehmen mit Start-up-Feeling, damit heben wir uns in meinen Augen positiv ab. Die Inkassobranche hat oft noch das Image, konservativ zu sein, mit hohen Gebühren zu operieren. coeo will es anders machen, das sieht man schon an unserem Ranking auf Google: 4,2 von 5 möglichen Sternen. Bei uns gibt es keinen Medienbruch. Wenn eine Kundin oder ein Kunde zum Beispiel über Zalando oder einen anderen Online-Händler kommt, dann funktioniert die Kommunikation auch mit uns digital, ganz so wie man es beim Online-Shoppen schon gewohnt ist. Bei anderen muss man manchmal einen Brief schreiben, wenn es um Inkasso geht. Bei uns gibt es auf Briefumschlägen einen Quick-Code, der per Smartphone direkt zu unserer Online-Betreuung führt. Ebenfalls wichtig ist, dass wir nach Möglichkeit Feedback auf Anfragen am gleichen Tag geben, dass wir verschiedene Zahlungskanäle anbieten usw.

Mit dem genannten Start-Up Feeling und unserem konsequenten Ansatz, den Menschen und seine Bedürfnisse in den Fokus unseres Handelns zu stellen, profitieren wir übrigens auch in der Mitarbeiterbindung. Um junge Leute nachhaltig für coeo zu begeistern, evaluieren wir 4-Tage-Woche, Teleworking und andere Schritte. Allerdings erleben wir hier täglich, dass die elektronische Kommunikation nicht reicht, die Zusammenarbeit im Office ist wichtig für Zusammenhalt und Energie. Das wiederum fließt in die Kommunikation mit den Konsument*innen ein und ergibt den besonderen coeo Spirit.

Fünf bis sechs große Unternehmen rittern um die Kunden

Wie groß ist der Inkassomarkt in Österreich insgesamt, wie sind Sie positioniert?

Christian Giehler: Es gibt in Österreich pro Jahr rund 1,2 bis 1,3 Millionen überfällige Forderungen. Um die kümmern sich in der Inkassobranche fünf bis sechs große und etwa 50 bis 60 kleinere Unternehmen. Wir bearbeiten etwa 200.000 Forderungen pro Jahr und gehören damit zu den Top 3. Wir definieren dabei unser Geschäft so, dass wir uns um Forderungen ab deren Fälligkeit, bis hin zur Mahnung und zum eigentlichen Inkasso kümmern. Dabei ist ein wichtiger Fokus der E-Commerce.

Wächst der Inkassomarkt insgesamt?

Christian Giehler: Man kann nicht generell von hohen Zuwächsen sprechen. Inkasso bedeutet ja, dass eine Forderung überfällig ist, kein wünschenswertes Szenario für Verkäufer. Viele Unternehmen verfolgen in letzter Zeit daher die Strategie, es gar nicht so weit kommen zu lassen – beispielsweise indem Zahlungstermine nach hinten verschoben werden. Wenn man es nach Branchen betrachtet, dann würde ich sagen, bei Banken, Versicherern, Telcos ist es eher gleichbleibend. Beim E-Commerce nimmt die Zahl der Rechnungen, die zum Inkasso gegeben werden, leicht zu.

coeo ist ein internationaler Anbieter. Ist Ihre Strategie der kundenfreundlichen Bearbeitung Österreich-spezifisch oder in der ganzen Gruppe verbreitet?

Christian Giehler: Local flavor ist wichtig, man muss schon im Auge behalten, dass Österreich anders tickt als beispielsweise Deutschland oder die Schweiz. Wir haben zwar in allen Ländern die gleichen Services, aber es gibt in der Ausprägung regionale Unterschiede. Klar ist: Freundliches Auftreten führt schneller zu einer Lösung. Und es ist besser, gerichtliche Maßnahmen zu vermeiden, wenn das geht. Wir sehen das so, dass wir damit in Österreich sowohl die Gerichte entlasten wie auch AK und VKI. Generell kann man ja sagen, dass Zahlungsverzug oft eine Folge von Informationsüberflutung ist: Bei der Flut von Nachrichten und E-Mails, die jeder von uns täglich bekommt, kann so eine Mahnung schon einmal untergehen.

E-Commerce-Forderungen meist nicht an Leitzins gekoppelt

Wie wirken sich Pandemie und steigende Zinsen auf die Zahl der Klagen aus? Werden Sie beim Inkasso eventuell künftig öfter gerichtlich vorgehen müssen?

Christian Giehler: Die Zahl der Klagen ist branchenabhängig, insbesondere auch was die Höhe der ausständigen Forderungen betrifft. Im E-Commerce kommt es nur bei einem geringen Prozentsatz zu Klagen. Bei Bankkrediten sieht es da ganz anders aus. Weiters sind auch Anwälte im Inkasso tätig und die sind häufig schneller bereit, vor Gericht zu gehen, auch weil ihnen meist die Infrastruktur für Customer Relations fehlt. Die betreffenden Zahlen sind allerdings in der Statistik der Inkassobranche nicht enthalten und daher schwer einzuschätzen.

Die Pandemie brachte insgesamt gesehen jedenfalls mehr Zahlungsaufschübe, nicht schlechtere Zahlungsmoral. Jetzt beginnt sich das zu normalisieren, was man auch an der steigenden Zahl von Insolvenzen sieht – als Rückkehr zu normalen Werten, nicht als explosive Zunahme. Der Anstieg der Zinsen ist dagegen ein neuer Effekt. Es wird wohl stark davon abhängen, ob Außenstände an den Leitzins gekoppelt sind. Im E-Commerce ist das nur zu einem sehr untergeordneten Teil der Fall, daher glaube ich nicht, dass wir hier große Effekte sehen werden.

Im Interview

Christian Giehler ist Geschäftsführer der coeo Inkasso GmbH in Österreich.

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