München. Die BMW Group will ihre Autos künftig in der Produktion fahrerlos manövrieren lassen. Beim Projekt „AFW“ wird dafür mit zwei Startups kooperiert.
Mit dem Projekt „Automatisiertes Fahren im Werk“ (AFW) will die BMW Group laut den Angaben die Effizienz der Logistik von neu produzierten Fahrzeugen in Werken und Distributionszentren erhöhen. Ziel des Pilotprojekts: Fahrzeuge bewegen sich eigenständig innerhalb der Logistikzonen und der Montage – fahrerlos, sicher und effizient.
Dafür kooperiert BMW mit dem südkoreanischen Startup Seoul Robotics und dem Schweizer Startup Embotech. Die Pilotphase startet im Juli 2022 im BMW Group Werk Dingolfing. Der neue BMW 7er sowie der vollelektrische BMW i7 sind demnach als „Technologieträger“ die ersten Fahrzeuge, mit denen das Projekt umgesetzt wird.
Automatisierte Manöver vom ersten Motorstart bis zum Weitertransport
„Wir haben einen anderen Ansatz als beim autonomen Fahren, weil wir keine Sensoren aus den Fahrzeugen nutzen. Das Auto selbst ist quasi blind. Stattdessen haben wir Sensoren entlang der Fahrstrecken installiert, anhand derer wir die Autos in den Werken bewegen“, schildert BMW Group Projektleiter Sascha Andree. Die AFW-Lösung setze auf zwei Schlüsseltechnologien.
- Zum einen kommt eine Sensor-Infrastruktur zum Einsatz, die bei der Lokalisierung der Fahrzeuge hilft und gleichzeitig Hindernisse in der Werksumgebung erkennt.
- Zum anderen sendet ein Bewegungsplaner kontrollierte Befehle über Mobilfunk an die fahrerlosen Fahrzeuge.
Die automatisierten Fahrten im Werk erfolgen zunächst innerhalb der Montage und anschließend zu Logistikflächen im Werk. Das bedeutet, die fertig produzierten Fahrzeuge fahren selbst zu einem Parkplatz. Von dort aus werden sie per Zug oder LKW weitertransportiert. Grundsätzlich lässt sich die Technologie laut BMW einsetzen, sobald die Fahrzeuge im Produktionsprozess selbstständig fahren können – also kurz nach dem ersten Start des Motors.
BMW Startup Garage holt junge Unternehmen an Bord
Die Lidar-Erkennungssoftware des Startups Seoul Robotics erstellt mithilfe der statischen Überwachungssensoren einen digitalen Zwilling der Umgebung, einschließlich einer Objektklassifizierung und Positionsbestimmung für die Fahrzeuge. Die Fahrplanungssoftware von Embotech lenkt, bremst, beschleunigt und parkt die fahrerlosen Fahrzeuge. Die Routen werden in Echtzeit berechnet. Eine situationsbedingte Programmierung oder ein Training der Fahrzeuge ist nicht erforderlich. Stattdessen sei jedes Fahrzeug in der Lage, eigenständig auf die jeweilige Umgebungssituation zu reagieren.
„Dieses Vorgehen, bei dem zwei junge Startups mit einem OEM wie der BMW Group an einem einzigen Projekt arbeiten, hat es wahrscheinlich noch nie gegeben“, meint HanBin Lee, CEO von Seoul Robotics. Ermöglicht hat diese Zusammenarbeit die „BMW Startup Garage“, also die Venture Client Einheit der BMW Group. Sie habe Seoul Robotics als potenziell interessanten Technologielieferanten entdeckt und das erste Proof-of-Concept-Projekt mit dem Team von Sascha Andree initiiert.
Später hat die BMW Startup Garage auch Embotech zu einer Produktdemonstration für das Projekt mit an Bord geholt. „Ohne die BMW Startup Garage wäre es uns nicht möglich gewesen, unsere Lösung evaluieren und testen zu lassen“, so Alexander Domahidi, Mitgründer und CTO von Embotech.
Die Pilotphase erstreckt sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Ein weiterer Roll-out ist laut BMW zunächst mit zusätzlichen Modellen in Dingolfing geplant. Später soll die Technologie auch in anderen Werken eingesetzt werden. „Automatisiertes Fahren im Werk“ sieht BMW als wegweisend an, womit es zu einer von inzwischen „vielen Erfolgsgeschichten“ der BMW Startup Garage werde: Seit 2015 evaluiert die BMW Group über das Venture-Client-Modell gemeinsam mit Startups mögliche Projekte. Dieses Corporate-Venturing-Tool folge dem Prinzip, frühzeitig das Produkt eines Startups und nicht die Anteile an dem Unternehmen selbst zu kaufen. Mit diesem Ansatz habe die BMW Startup Garage bisher mehr als 150 Pilotprojekte mit Startups erfolgreich durchgeführt, die ein kumuliertes Investitionsvolumen von mehr als 4,5 Mrd. US-Dollar aufweisen.