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WU: 6 Erfolgsfaktoren für digitalen Wandel in der Krise

Christof Stögerer ©WU Executive Academy

Wien. „Lost in Transformation“ ist kein unausweichliches Schicksal: Christof Stögerer und Martin Giesswein von der WU Executive Academy haben 6 Tipps für Unternehmen in Zeiten radikalen Wandels.

Nichts bleibt, wie es ist – der radikale Wandel der Wirtschaft vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung, der Coronakrise oder des Ukraine-Kriegs kann in Unternehmen bisweilen bis zur Orientierungslosigkeit führen, heißt es von der WU Executive Academy. Viele Führungskräfte fühlen sich überfordert und wissen nicht genau, wo sie in der Praxis beginnen sollen. Christof Stögerer, Head of Continuing Education der WU Executive Academy, und der Digital-Leadership-Experte Martin Giesswein haben sich angesehen, auf welche sechs Bereiche Führungskräfte unbedingt achten sollten, damit der unausweichliche Schritt in Richtung digitale Transformation gelingt.

Digitale Transformation überflutet uns – auch verbal

45 Millionen Suchergebnisse spuckt Google aus, wenn „Digitale Transformation“ als Begriff eingegeben wird. Kein Wunder: Der Wandel der Wirtschaft beschäftigt jedes Unternehmen und alle Branchen. Während es an vielversprechenden Prognosen und Studien nicht mangelt, mache sich in manchen Unternehmen dennoch eine gewisse Verunsicherung breit.

Martin Giesswein ©Lars Ternes / WU Executive Academy

Auf der einen Seite stellt sich die grundsätzliche Frage, wohin die Reise geht und wie sich die Organisation nicht zuletzt durch die Coronakrise und deen Krieg in der Ukraine verändern wird – eine zugegebenermaßen gewaltige Herausforderung für alle Beteiligten. Auf der anderen Seite fehlt in jenen Unternehmen, bei denen der Druck zum Wandel im Moment noch etwas geringer ist, die Einsicht, dass etwas getan werden muss: Das Tagesgeschäft ist schließlich – nicht zuletzt aufgrund des wirtschaftlichen Ausnahmezustands der letzten beiden Jahre – schon anstrengend genug, da will man sich nicht auch noch mit der Transformation beschäftigen. Gleichzeitig sind gerade wegen der Coronakrise viele Unternehmen und sogar Branchen gezwungen, neue digitale Geschäftsmodelle und digitale Wege der Kundengewinnung zu erschließen.

Digital werden – aber wie?

Auf dem Weg zur unternehmerischen Digitalwerdung gibt es nun laut WU Executive Academy sechs ganz wesentliche Bereiche, die Führungskräfte – unabhängig von Wirtschaftsraum oder Branche – besonders im Auge haben sollten, weil sie über ihren künftigen Erfolg oder Misserfolg entscheiden.

1. Kennen Sie Ihre Kunden wirklich?

Zu wissen, wie die eigenen Kunden ticken, was sie sich jetzt und in Zukunft wünschen und wie sie Produkte gerne kaufen, zählt zweifelsohne zu den wichtigsten Informationen, die ein Unternehmen überhaupt haben kann. In Zeiten von Digitalisierung, Transformation und Disruption ganzer Märkte gewinnen die Daten über das zukünftige Verhalten von Kunden noch mehr an Bedeutung. Das wissen auch die Unternehmen. Deshalb haben die meisten von ihnen auch ausgeklügelte Customer Behavior Analyse-Tools im Einsatz, die ihnen dabei helfen sollen, ihre Kunden noch besser zu verstehen.

„Die beste Analyse bringt jedoch nur bedingt etwas, wenn ich nicht bedingungslos dazu bereit bin, meine gesamte Energie zu 100 Prozent immer auf meine Kunden auszurichten. Und genau hier liegt das Problem: In der Praxis zeigt sich nämlich, dass viele Unternehmen in dieser Hinsicht inkonsequent sind: Sie sind inkonsequent, wenn es darum geht, sich und die eigenen Produkte laufend zu challengen, bei allen Entscheidungen stets den Nutzen der User im Fokus zu haben und die Kunden aktiv in die (Weiter-)Entwicklung der eigenen Produkte miteinzubeziehen“, sagt Stögerer. Die Transformationsrelevanz sei hoch, weil Unternehmen, die stets bemüht sind, möglichst nah an den Bedürfnissen der Kunden zu sein, bereits einen großen Schritt im Transformationsprozess erfolgreich gemeistert haben.

2. Echten Mehrwert über digitale Co-Creation generieren

„Die Kunden in der modernen Digital-Gesellschaft lieben es, mit Marken, die sie gerne kaufen, gemeinsam neue Produkte zu kreieren“, so Digital-Leadership-Experte Martin Giesswein. Auch für Unternehmen habe diese „Co-Creation“ große Vorteile, denn sie kann Produkteinführungsrisiken minimieren und Investitionen absichern. Ein gutes Beispiel ist die Firma Giesswein Walkwaren aus Tirol, die für ihre Trachten und traditionellen Walkwaren aus Schafwolle bekannt war (die Namensgleichheit mit dem Experten ist übrigens zufällig). „Im Zuge der Geschäftsübergabe an die nächste Generation versuchten die Söhne, ein jüngeres, urbaneres Zielpublikum anzusprechen und überlegten, Sportschuhe aus Merinowolle auf den Markt zu bringen. Sie wählten dazu das Instrument des Crowdfundings, bei dem sie den Kunden ein noch nicht existierendes konzeptionelles Produkt auf einer digitalen Plattform (Kickstarter) vorstellten. Kunden, die dieses Produkt wollten, konnten bereits vorab einen Betrag bezahlen. Das Unternehmen versprach, dass sie als erste das neue Produkt beziehen könnten, oder, wenn es vom Markt abgelehnt würde, ihr Geld wiederbekämen“, erzählt Martin Giesswein.

Die Kampagne war ein voller Erfolg, die Produktentwicklungskosten für die ersten Lieferungen waren abgedeckt und heute gibt es eine ganze Produktpalette an Giesswein Sneakers und Runners aus Merinowolle zu kaufen. Die Transformationsrelevanz sei hoch, weil die Partizipation von Kunden den Führungskräften die “Bauchentscheidung” abnimmt. Produkte werden nach Bedarf und Nachfrage konzipiert und produziert – das bedeutet eine viel größere wirtschaftliche Planungssicherheit. Außerdem eignen sich gerade in (Corona-) Krisenzeiten digitale Wege der Co-Creation und des Crowdfundings besonders.

3. Rapid prototyping vs. 120% wasserdichte Lösungen

„Organisationen müssen sich divers aufstellen und vieles ausprobieren“, meint Christof Stögerer. Was nicht funktioniert, müsse heute rasch geändert oder sogar aufgegeben werden. Unternehmen müssten Rennboote bauen, die unabhängig von den schwerfälligen, robusten Tankern neue Gewässer erkunden – das erfordert aber Mut und Überzeugung. Ein Beispiel, wie so etwas in der Praxis aussehen kann, ist der oberösterreichische Feuerwehrausrüster Rosenbauer. Dieser hat das Konzept eines revolutionären Feuerwehrfahrzeugs entwickelt, das nicht nur äußerlich ganz anders ist als bisherige Modelle, sondern zudem auf einen Elektroantrieb vertraut.

Wenn etablierte Unternehmen etwas von Startups lernen können, dann ist es die Maxime „Ausprobieren ist besser als ewiges Planen“, bestätigt auch Martin Giesswein. Mit dem Rapid Prototyping haben Führungskräfte die Möglichkeit, intern oder mit ausgesuchten friendly customers neue Produkte und Dienstleistungen zu testen und basierend auf diesen Erkenntnissen die nächsten Schritte zu unternehmen. Ein sogenanntes “Minimal Viable Product” (MVP) ist ein Prototyp, der auf Basis von ersten Kundenfeedbacks entwickelt und bereits einer breiteren Kundschaft zum Test angeboten wurde. Diese werden dann laufend weiterentwickelt. Mithilfe des Prototypings produzieren Unternehmen kundennah und rasch Produkte und Dienstleistungen, die dann auch tatsächlich gekauft werden. So können Unternehmen es auch mit disruptiven Mitbewerbern aufnehmen. Die Transformationsrelevanz ist hoch, weil Führungskräfte die Dynamik und Komplexität der Kundschaft nicht mehr planen können, sehr wohl aber mit geringem Investment ausprobieren können, welche Akzeptanz am Markt gegeben ist.

4. Enablen statt managen

Flache Hierarchien, unternehmerisches Denken und mehr Freiheiten für das Team, Kritikfähigkeit und offene Kommunikation sind Kriterien einer rasch reagierenden und wandlungsfähigen Organisation. „Unternehmen müssen darüber hinaus lernen, mit internen Widersprüchen umgehen zu können“, sagt Christof Stögerer. Unternehmen brauchen Führungskräfte, die strategisch denken und den digitalen Wandel nutzen können, um neuen Wert für Kunden und Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen.

Führungskräfte, die ihren Weg in die erfolgreiche Transformation gefunden haben, zeichnen sich durch eines aus: Sie treten nicht als die allwissenden Entscheider auf, sondern wissen vielmehr, wo sie das benötigte Knowhow in der Digitalwirtschaft bekommen. Sie wissen, wer im Team Experte für den jeweiligen Task ist und die Zukunft der Firma mitgestalten können. Diese Fähigkeit ist entscheidend für das Gelingen des digitalen Transformationsprozesses. Die Transformationsrelevanz ist bedeutend, weil früher das Wissen im Kopf einer Person kumuliert war; heute sind Führungskräfte Brückenbauer und Helfer, um das Wissen der Digitalgesellschaft zum Nutzen der Transformation im eigenen Unternehmen einzusetzen.

5. Digitale Daten strategisch nutzen

Ohne digitale Daten geht heute im Business fast nichts mehr. Aber nur wer seine Daten auch versteht und sie richtig deuten kann, wird in der Lage sein, sie auch für den eigenen Erfolg zu nutzen. Damit das gelingt, braucht es eine klare Datenstrategie, die genau auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten ist. Der Top-Down-Ansatz reicht hier nicht: Neben den Vorständen und CEOs spielen vor allem interdisziplinäre Teams mit innovativ denkenden Mitarbeitern aus verschiedensten Abteilungen sowie ein experimentelles Setup eine wichtige Rolle. Datenströme richtig generieren, lesen und interpretieren zu können und daraus für die Zukunft relevante Strategien abzuleiten, wird zu einer der wichtigsten Kompetenzen in der Zukunft.

Die Transformationsrelevanz ist hoch, weil die effektive Nutzung von digitalen Daten schon jetzt über den Erfolg und sogar die Vormachtstellung von Unternehmen entscheidet und Daten-Pioniere wie Amazon oder airbnb bereits ganze Branchen disruptiert haben.

6. Verständnis für die digitalökonomischen Gesetzmäßigkeiten

„Wenn wir heute von dem gesteigerten Bedarf an Digitalkompetenz in unseren Unternehmen sprechen, meinen wir nichts anderes als: unsere gelernte und erlebte Betriebswirtschaftslehre hat sich in den letzten 20 Jahren durch den Erfolg der Onlinewirtschaft enorm erweitert und gleichzeitig grundlegend verändert“, sagt Martin Giesswein.

Führungskräfte und die gesamte Belegschaft müssen das Einmaleins der Digital Economy kennen, um heute die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können: „Einfache Fragen bringen uns hier schon weiter, wie etwa: Was sind die zehn erfolgreichsten digitalen Geschäftsmodelle, die Amazon, Facebook und Google großgemacht haben und wie können wir sie in unseren traditionellen Unternehmen einsetzen?“, so der Experte. Eine zentrale Frage in gegenwärtigen Diskussionen sei auch: „Wie können wir uns vom Anbieter einer Ware zum Plattformbetreiber unserer Industrie transformieren? Ist es nicht besser als starker Player in seiner Branche zum Dirigenten eines Ökosystems zu werden und sich strategisch selektiv mit Mitbewerbern zusammenzuschließen, um ein gesamtheitliches Kundenerlebnis zu ermöglichen? Gerade im Bereich Mobilität, Energieversorgung und Verwaltung von Kommunen sehen wir diese Tendenzen.“

Für Martin Giesswein sind diese Überlegungen die Grundlage dafür, dass Wirtschaft und Gesellschaft große Herausforderungen wie den Klimawandel oder die weltweite Nahrungsmittelversorgung in den Griff bekommen können. Die Transformationsrelevanz sei hochrangig, weil Führungskräfte so die Fehler, die andere Firmen in der Digitalwirtschaft schon gemacht haben, vermeiden können und auf den Erkenntnissen und Lehren der digitalen Gewinner aufbauen können.

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