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Wien Energie braucht Republik für Margin Call

©ejn

Energiekrise. Die Republik verhandelt darüber, für den Versorger Wien Energie eine Art Energie-Schutzschirm in Höhe von mehreren Milliarden Euro aufzuspannen. Die Branche insgesamt hält es für „vorteilhaft, Vorsorge für weitere Preisausschläge zu treffen“.

Wiens städtischer Energieversorger Wien Energie ist infolge der starken Strompreissteigerungen der letzten Zeit in die Bredouille geraten: Das Unternehmen betont zwar, nicht insolvent zu sein und die Versorgung seiner Kunden mit Energie weiterhin gewährleisten zu können. Doch deckt die Wien Energie ihren Strombedarf teilweise über Termingeschäfte. Für diese muss ein Teil des Preises als Sicherheit hinterlegt werden – und wenn der zugrundeliegende Preis steigt, müssen diese Sicherheiten, auch Margins genannt, entsprechend erhöht werden. Die betreffenden „Margin Calls“ machen nun offensichtlich mehrere Milliarden Euro aus.

1,75 Mrd. Euro sind zwar da, aber mehr muss kommen

Laut einer Aussendung des Finanzministeriums ist der Energieversorger Wien Energie am vergangenen Wochenende erstmals an die Bundesregierung mit dem Ersuchen um finanzielle Hilfe herangetreten. Das Unternehmen verfüge nach eigener Angabe nicht mehr über ausreichend finanzielle Mittel für den Abschluss von Geschäften an der Energiebörse.

Offenbar kann das Unternehmen zur Besicherung von künftigen Lieferverträgen die notwendige Summe von 1,75 Milliarden mit Hilfe der Stadt Wien zwar noch aufbringen, so das BMF. „Für weitere erwartete Finanzierungserfordernisse bedarf die Stadt Wien jedoch die Hilfe des Bundes. Von Finanzstadtrat Hanke wurde der akute Finanzierungsbedarf der Stadt zur Weiterreichung an die Wiener Stadtwerke GmbH bzw die Wien Energie Gmbh in einem Brief mit 6 Milliarden Euro beziffert“, so das Ministerium.

Das Licht darf nicht ausgehen

Die Folge einer Nichtzahlung der Wien Energie würde ein recht unmittelbarer Ausschluss vom Börsenhandel sein, schildert das BMF die Lage: Die Wien Energie müsste Geschäfte rückabwickeln, was dazu führen würde, dass die Energielieferverträge von zwei Millionen Kundinnen und Kunden gefährdet wären. Darüber hinaus wurde der Bundesregierung bestätigt, dass die Stadt Wien bereits Milliardenbeträge an Sicherheiten für den Landesenergieversorger übernommen hat und dass die finanziellen Spielräume nun erschöpft sind, heißt es weiter.

Dies wiederum erzürnt die Wiener Rathaus-Opposition, die der SPÖ-geführten Stadtregierung vorwirft, sie über die brenzlige Situation im Unklaren gelassen zu haben. Nun laufen laut den Angaben nach dem Krisengipfel die Gespräche zwischen Bund und Wien weiter. Es gebe viele offene Fragen. Der Bund habe jedenfalls die Instrumente und den Willen, der Stadt Wien in dieser finanziellen Notlage zu helfen, so das BMF. Grundsätzlich gebe es bereits bestehende Instrumente des Bundes, auf die die Stadt Wien in der aktuellen Situation zugreifen kann.

Aktuell gehen die Überlegungen im BMF laut den Angaben in Richtung eines Kredites in Milliardenhöhe, der über die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur abgewickelt wird. Derzeit werden die Details und notwendigen Voraussetzungen zwischen Vertretern der Stadt Wien, der Wien Energie, der Finanzprokuratur und dem Finanzministerium ausgearbeitet. Ziel sei eine rasche und rechtlich sichere Lösung im Interesse der Kundinnen und Kunden von Wien Energie.

„Kautionen vervielfacht“

Wien Energie selbst teilt mit, dass sie „am Freitagabend als Teil der österreichischen Energiebranche an den Bund herangetreten“ sei, um eine stabile Gesamtsituation für die Energieversorgung in Wien und ganz Österreich weiterhin langfristig sicherzustellen, wie es heißt: „Aufgrund des am Freitag abermals und plötzlich explodierten Strompreises steigen die erforderlichen Sicherheitskautionen im Energiehandel unvorhergesehen an. Innerhalb nur eines Tages ist der Strompreis im Handel von 700 auf rund 1.000 Euro gestiegen – analog dazu haben sich die erforderlichen Kautionen (Margins, Anm.) für bereits getätigte Geschäfte in der Zukunft vervielfacht.“

Diese Situation sei auch aus Nachbarländern bekannt. Internationale Energieversorger in Deutschland stehen vor denselben Problemen und nutzen bereits das Instrument von staatlicher Unterstützung, so Wien Energie. Das Unternehmen fordert nun die Republik dazu auf, ähnlich wie in Deutschland einen „Schutzschirm“ für die Energieversorger aufzuspannen.

Was die Branche fordert

Die Branchenvertretung sieht laut eigenen Angaben zumindest „Vorteile“ in einer solchen Lösung: „Ziel aller politischen und regulatorischen Bemühungen muss es sein, jetzt die richtigen Vorsorgemaßnahmen zu setzen“, so Michael Strugl, Präsident von Oesterreichs Energie und Verbund-Chef, in einer Aussendung: „Auch wenn aktuell keine Liquiditätsengpässe bei weiteren Unternehmen bekannt sind, wäre es vorteilhaft, Vorsorge für weitere Preisausschläge auf den Märkten zu treffen. Deutschland hat bereits ein entsprechendes Modell implementiert.“

Kauft oder verkauft ein Unternehmen an den Börsen langfristig Strom, muss es dafür bei einer Clearingstelle Sicherheiten leisten. Diese Sicherheiten haben eine Schutzfunktion, steigen aktuell aber in enorme Höhen und erfordern von den Unternehmen erhöhte Liquidität, so auch Strugl. Er begrüße gleichzeitig die Initiative der Bundesregierung auf europäischer Ebene für ein zeitlich befristetes Eingreifen in das europäische Strommarkt-Modell einzutreten: „Es darf nicht sein, dass ein Marktmodell wirtschaftlich grundsolide Unternehmen in Schwierigkeiten bringt.“

 

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