Glacier Loss. Einer der größten Gletscher Tirols, der Hintereisferner, verlor in diesem Sommer so viel Masse wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen, so eine Studie der Uni Innsbruck.
Nachdem der Hintereisferner im Ötztal bereits seit seinem frühesten Glacier Loss Day im Juni auf eine negative Jahresbilanz zusteuerte, bestätigen sich nun auch die Befürchtungen des Gletscherforschers Rainer Prinz in Bezug auf die Schmelzraten: Der Gletscher verzeichnet dieses Jahr einen Rekordverlust von fünf Prozent seines Gesamtvolumens, heißt es.
Gemessen seit einem Jahrhundert
Der im hinteren Ötztal gelegene Hintereisferner wird seit mehr als 100 Jahren genau beobachtet, seit 1952 gibt es durchgehende Aufzeichnungen zu seiner Massenbilanz. Damit zähle er zu den bestuntersuchten Gletschern der Alpen und ist seit Jahrzehnten ein wichtiges Forschungsfeld in der Klimaforschung an der Universität Innsbruck.
Seit 2016 erheben die Forscher*innen die Gletscher-Daten zusätzlich mit einem hochmodernen System, das weltweit einzigartig sei: Mit einem terrestrischen Laserscanner wird die Oberfläche des Gletschers täglich abgetastet und damit die Veränderung der Masse des Hintereisferners in Echtzeit vermessen. Der Sommer 2022 war von außergewöhnlichen Ereignissen geprägt, wie Rainer Prinz von der Arbeitsgruppe „Eis und Klima“ am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften erklärt: „Wir haben bereits zum Beginn des Sommers gesehen, dass der Gletscher aufgrund des schneearmen Winters auf eine negative Massenbilanz zusteuert. In den Wintermonaten sammelten sich im Mittel nur zwei Meter Schnee an, normalerweise sind es mindestens drei. Im Juni, Juli und August wurden zudem in diesem Gebiet die zweithöchsten je gemessenen Temperaturen verzeichnet.“
Das führte nun leider auch zu einem Schmelzrekord, der den Hintereisferner fünf Prozent seines Gesamtvolumens gekostet hat, so Prinz weiter: „Um die Dimension deutlicher zu machen: Das entspricht knapp 20 Millionen Kubikmeter Wasser, etwa so viel wie die Stadt Innsbruck in 20 Monaten an Trinkwasser verbraucht.“ Damit werde in diesem Jahr der bisherige Negativrekord aus dem Jahr 2003 bereits am 25. August übertroffen – um wie viel genau, hängt davon ab, wie viel Eis bis zum Beginn des nächsten Winterhalbjahres im Herbst noch schmelzen wird.
Verlust von 50 Prozent
Auch wenn künftig nicht zwingend jeder Sommer wie jener 2022 verlaufen wird, die Tendenz ist für die Gletscherforscher*innen klar, denn die Entwicklungen liegen außerhalb normaler Schwankungsbreiten: „Es handelt sich um eindeutige Signale des menschengemachten Klimawandels. Die Folgen unserer Treibhausgasemissionen treffen uns bereits heute voll“, betont Prinz.
Auch die Zukunftsprojektionen der Entwicklung zeichnen kein ermutigendes Bild. Die Gletscherforscher*innen Lilian Schuster und Fabien Maussion, ebenfalls vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften, arbeiten federführend in der Anwendung und Weiterentwicklung des Open Global Glacier Model OGGM. OGGM ist laut den Angaben das erste offen zugängliche globale Modell zur Simulation der Entwicklung aller Gletscher weltweit. „Die Modellierung der Gletscherveränderungen mit Daten von Klimamodellen für die nähere Zukunft zeigt weiterhin, dass ein jährlicher Volumensverlust von fünf Prozent immer häufiger wird. Somit wird vom Hintereisferner in 10 bis 20 Jahren nur noch die Hälfte übrig sein“, so der Gletscherforscher Rainer Prinz.
Dramatische Gletscherschmelze, aber immerhin ein Fortschritt:
Die aktuelle Generation von Glaziolog:innen akzeptiert ganz eindeutig den anthropogen verstärkten Treibhauseffekt. Das war nicht immer so: Ich erinnere mich an unselige Zeiten, als der Innsbrucker Glaziologe, Meteorologe, Geograph und Hochgebirgsforscher Gernot Patzelt (seit 2004 in Pension) den menschgemachten Klimawandel relativierte bis leugnete und seine heute klar widerlegte Sicht an viele unkritische Studenten der Geographie und damit indirekt an Schüler in Gymnasien weiter vermittelte. Patzelts Arbeiten wurden gerne auch von Leugnern des menschgemachten Klimawandels zitiert…
Meine Frage an die Insider: Hat Patzelt seine unwissenschaftliche Fehleinschätzung von damals inzwischen korrigiert?