Forschung. Damit eine Zelle überleben kann, braucht sie Eiweiße. Diese Proteine kann sie selbst herstellen – mit den Ribosomen. Ein jetzt neu gewonnener Einblick in die Arbeit der „biologischen Maschinen“ könnte neue Therapien ermöglichen, so Uni Graz und IMP Wien.
Wie jede komplexe Maschine bestehen Ribosomen aus vielen verschiedenen Einzelteilen, die von der Zelle erst zusammengesetzt werden müssen. Ein Forschungsteam vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz und des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien hat jetzt einen wichtigen Produktionsschritt erstmals auf Molekül-Ebene sichtbar gemacht.
Der richtige Bauplan
„Dieser spezielle Vorgang ist entscheidend dafür, dass Ribosomen korrekt zusammengebaut werden“, schildert Erstautor Michael Prattes, Molekularbiologe an der Universität Graz. Die Ergebnisse sind als Cover Story in der September-Ausgabe des Fachjournals Nature Structural and Molecular Biology nachzulesen (Prattes et. al.: „Visualizing maturation factor extraction from the nascent ribosome by the AAA-ATPase Drg1“).
Konkret geht es um ein Protein namens Drg1, das während des Zusammenbauens an ein halbfertiges Ribosom andockt. Dort entfernt Drg1 bestimmte „Werkzeuge“. „Das sind auch Proteine, die Einzelteile anliefern, einbauen und den allgemeinen Fortschritt an der Baustelle überprüfen“, erklärt Letztautor Helmut Bergler. Das zeitgerechte Ablösen dieser Werkzeuge ist wichtig, weil sie dann bereits an anderer Stelle gebraucht werden. „Kommt es zu einem Stau in der Produktionskette, ist der gesamte Prozess gefährdet. Das kann Tumoren zum Wachstum verhelfen oder Störungen in der Gehirnentwicklung hervorrufen“, weiß David Haselbach vom IMP Wien. Das Forschungsteam konnte laut den Angaben nun beobachten, wie Drg1 chemische Energie in mechanische Arbeit umsetzt und so das Protein-Werkzeug nach Erfüllen seiner Aufgabe erfolgreich ablöst.
Die Hoffnungen für die Zukunft
Der neu gewonnene Blick ins innerste „Getriebe“ ist für die Behandlung von verschiedenen Krankheiten wichtig. Krebszellen zum Beispiel teilen sich sehr schnell und müssen daher mehr Ribosomen produzieren als gesunde Zellen. Wirkstoffe, die die Herstellung von Ribosomen verlangsamen, könnten deshalb heiße Kandidaten für neue Medikamente gegen Krebs sein, so die Uni Graz. Aber auch bei der Erforschung gewisser Erbkrankheiten ist ein besseres Verständnis von Drg1 von Bedeutung. Trägt ein Mensch Mutationen in diesem Gen, kann das Epilepsie, Abnormalitäten des Gehirns und Gehörverlust auslösen.