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Griechenlands vielfältige Armeen im Blick der Forscher

©ejn

Archäologie. Genome aus einer Schlacht zwischen Griechen und Karthagern im 5. Jahrhundert vor Christus haben eine vielfältige Herkunft der Kämpfer ans Tageslicht gebracht. Ein Forscherteam aus Österreich, Italien und den USA war an der Entschlüsselung beteiligt.

Handel und Kolonialisierung führten im 1. Jahrtausend vor Christus zu einem drastischen Anstieg der Mobilität im Mittelmeerraum, was auch zu militärischen Konflikten führte. Eine aktuelle Studie der University of Georgia, der Harvard University, der University of Northern Colorado, der Uni Florenz und der Uni Wien analysiert, wie antike Kriegsführung ein Auslöser für den Kontakt zwischen fernen Kulturen war, welcher Soldaten mit angestammter Herkunft in Nordosteuropa, dem Kaukasus und der eurasischen Steppe auf die Insel Sizilien brachte. Die Studie ist im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen.

Die Ereignisse

Die Geschehnisse fallen in die Epoche der sogenannten „griechischen Kolonisation“: Um das 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung waren Griechen aus der Ägäis und Phönizier aus der Levante über das gesamte Mittelmeergebiet verbreitet und hatten dort Küstenhandelsposten und Kolonien. In einigen Regionen wie der Insel Sizilien führte dies zu Konflikten um die wirtschaftliche und territoriale Vorherrschaft, die in militärische Auseinandersetzungen mündeten.

In den Schriften von antiken Historikern wie Herodot und Diodorus Siculus finden sich Berichte über zwei Schlachten, in denen Phönizier aus dem nordafrikanischen Karthago die griechische Stadt Himera angriffen. Während der ersten Schlacht verteidigte ein griechisches Bündnis zwischen Himera, Syrakus und Agrigent die Polis erfolgreich. Aber als die Karthager in einem Racheakt mit einer großen Söldnerarmee zurückkehrten, kämpften die Himeraner weitgehend ohne Unterstützung und die Polis wurde zerstört.

Details über diese Schlachten konnten nun durch Untersuchungen der Genome durch die Wissenschafter aufgedeckt werden. Seniorautor Ron Pinhasi von der Uni Wien: „Diese Fallstudie beleuchtet Kriegsführung als Mechanismus für kulturellen Kontakt und positioniert Soldaten, insbesondere Söldner, als Überbringer von Ideen, Technologien, Sprachen und Genen über große Entfernungen.“

Skelette aus einer griechischen Grabstätte

Ausgrabungen in Himera, einer antiken griechischen Stadt an der Nordküste Siziliens, haben laut den Forschern über 10.000 Bestattungen und damit eine der größten griechischen Nekropolen freigelegt, die jemals entdeckt wurde. Darunter befinden sich mehrere Massengräber mit Skeletten, die Archäologen als gefallene Soldaten der oben erwähnten Schlachten interpretiert haben, da es sich bei den Bestatteten um Männer jungen bis mittleren Alters handeln soll, und einige von ihnen typische Kampfverletzungen oder Pfeilspitzen in ihren Skeletten stecken haben.

Die Forscher untersuchten die genetischen Verwandtschaften dieser Soldaten und anderer zeitgenössischer Sizilianer, indem sie die Genome von 54 Individuen analysierten, die in Himera und anderen Stätten in Westsizilien ausgegraben wurden. Die Ergebnisse der Untersuchungen sollen dabei deutlich machen, dass die griechische Kolonialisierung in der klassischen Antike nicht nur zur Ausbreitung der ägäischen Völker im gesamten Mittelmeerraum führte, sondern auch einen breiteren Kosmopolitismus ermöglichte. „Während die Sizilianer des 1. Jahrtausends vor Christus größtenteils von der lokalen Bevölkerung aus der Bronzezeit abstammen, haben die Bewohner von Himera nicht nur ägäische und lokale sizilianische Vorfahren, sondern kommen auch von viel weiter entfernt“, so der Genetiker David Reich von der Harvard Universität, Seniorautor der Studie.

Die genetische Vielfalt der Soldaten übertraf die der Zivilbevölkerung von Himera sogar. „Wir waren erstaunt, unter den Soldaten der Schlacht viele Individuen zu finden, die von weit außerhalb des Mittelmeerraums abstammen, etwa aus dem Kaukasus, Nordosteuropa und der eurasischen Steppe, einer Region, die in der Antike als Skythien bekannt war. Eine solch extreme genetische Vielfalt in einem einzigen Bestattungskontext ist beispiellos für diese Periode der klassischen Geschichte“, so Co-Erstautorin Alissa Mittnik vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, die die genetischen Analysen durchführte, als sie Postdoktorandin an der Harvard University war.

Einlagerungen in Zähnen und Knochen

Die Archäologin und Co-Erstautorin Laurie Reitsema von der University of Georgia hat die sogenannten „stabilen Isotope“ der Bestatteten Himeras untersucht. Die Isotope von Elementen wie Strontium und Sauerstoff, die mit Nahrung und Wasser aufgenommen und in Knochen und Zähne eingebaut werden, geben Aufschluss darüber, wo ein Mensch aufgewachsen ist. „Viele der Soldaten hatten Isotopensignaturen außerhalb Siziliens, was darauf hindeutet, dass sie erst als Erwachsene dorthin gereist sind. Als wir die Isotopenergebnisse mit den genetischen Ergebnissen verglichen, fanden wir eine frappierende Korrelation: Alle Soldaten mit genetischem Ursprung außerhalb des Mittelmeers waren auch eindeutig isotopisch ortsfremd. Mit den genetischen Daten wissen wir jetzt, wo sie wahrscheinlich geboren wurden.“

Co-Erstautorin Britney Kyle von der Universität von Colorado: „Die genetisch und isotopisch ‚fremden‘ Individuen wurden zusammen in einer Reihe größerer Massengräber beigesetzt, was zeigt, dass ihre besondere soziale Stellung von den Überlebenden, die sie bestatteten, anerkannt wurde. Vielleicht wurden sie von den Mitgliedern derselben Einheiten identifiziert, für die sie kämpften. In historischen Quellen wird auch beschrieben, dass Syrakus, eine der Städte, die Himera zu Hilfe kamen, eine große Anzahl von Söldnern in seiner Armee beschäftigte.“

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