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Kapitalmärkte: „Nach 6 Monaten Stillstand geht es aufwärts“

Karsten Wöckener Credit White & Case
Karsten Wöckener ©White & Case

Interview. Die Finanzmärkte sind dabei, Krieg und Zinsanstieg zu verdauen: Karsten Wöckener, Kapitalmarkt-Profi und Executive Partner von White & Case Frankfurt, schildert die Trends bei Aktien und Anleihen, ESG-Instrumenten, Sanktionen und mehr.

Extrajournal.Net: Die Zeiten sind turbulent: Nach Covid-19 kam die Ukraine-Krise, die Zinsen steigen, die Inflation ist hoch. Wie wirkt sich das auf die Finanzmärkte aus, wie reagieren die Mandanten?

Karsten Wöckener: Letztes Jahr waren die öffentlichen Kapitalmärkte über einen Zeitraum von ca. sechs Monaten nur eingeschränkt zugänglich. Ukraine-Krieg, Sanktionen, explodierende Energiepreise, Inflation, unterbrochene Lieferketten und eine anhaltende kritische Gesundheitslage in China gepaart mit rasant steigenden Zinsen und u.a. daraus resultierend ein insgesamt unsicheres Marktumfeld waren für den Markt zu viele Faktoren, die auf einmal zusammenkamen. Während die letzten Jahre ein anhaltend günstiges Zinsumfeld für Refinanzierungen mit sich brachten, kam es Ende 2021 in 2022 hinein anhaltend zu einem massiven Zinsanstieg, zunächst in den USA und schließlich auch in der Euro-Zone. Ein solch massiver Zinsanstieg in so kurzer Zeit musste und muss zunächst verdaut werden – dies gilt für manche Branchen wie z.B. den Immobiliensektor umso mehr als für andere. Daher waren die öffentlichen Märkte von substantiell eingeschränkter Marktaktivität geprägt.

Für zahlreiche Akteure war dies ein ungewohntes Umfeld, denn es galt über Jahre ein Zinsabfall bis hin in den negativen Zinsbereich. Die letzte Kapitalmarkt-relevante Krise liegt fast 15 Jahre zurück. Nicht alle Marktteilnehmer sind entsprechend vorbereitet, mit der zuvor beschriebenen Verschiebung umzugehen. Man musste sich auf das Umfeld zunächst einstellen, bis ein gewisser Gewöhnungseffekt eintritt.

Die privaten Märkte wie z.B. der Schuldscheinmarkt erlebte in 2022 hingegen wenig überraschend eine Renaissance. Ein Trend, der sich im letzten Quartal 2022 und zu Beginn in 2023 mit der Wiederbelebung der öffentlichen Kapitalmärkte leicht abschwächte, wenngleich ich davon ausgehe, dass der Schuldscheinmarkt auch weiterhin lebhaft bleiben wird und für Unternehmen eine echte Alternative bzw. Ergänzung im Finanzierungsportfolio darstellt.

Aktuell ist nun übergreifend aus meiner Sicht beim Zinsanstieg eine gewisse „emotionale Sättigung“ eingetreten: Zum Ende des letzten Jahres und in 2023 anhaltend haben sich die Marktteilnehmer deutlich an das aktuelle Umfeld gewöhnt. Insbesondere im Fixed Income Bereich und auch bei Unternehmensanleihen belebte sich der Markt bereits rasant; dies sowohl im Hinblick auf die reine Anzahl an Transaktionen aber auch im Hinblick auf Emissionsvolumina.

Bei E.S.G. performen nicht alle Buchstaben gleich stark

Es gibt einen starken Trend zur Nachhaltigkeit, Stichwort ESG, das für „Environment, Social, Governance“ steht. Andererseits herrscht angesichts schwieriger Zeiten oft der Zwang zum Sparen. Was wollen die Mandanten?

Karsten Wöckener: Zunächst bleibt festzuhalten, dass das Thema ESG weiterhin sehr weit oben auf der Prioritätenliste bei Banken und Unternehmen steht – und dies sehr facettenreich. Im Bereich des „E“ für Environment sind es die Green Bonds, also die Verwendung von Emissionserlösen für bestimmte vorher zu definierende nachhaltige Projekte, die sich mittlerweile etabliert haben. Damit begann vor einigen Jahren alles und die Emissionsvolumina sind weiterhin Jahr um Jahr ansteigend. Das gilt ebenso für die etwas neuere Variante der ESG-linked Bonds. Hier definiert der Emittent bestimmte Nachhaltigkeitsziele anhand bestimmbarer Key Performance Indicators (KPIs). Die Erreichung oder Nicht-Erreichung dieser Ziele hat dann eine Auswirkung auf die Höhe des Zinssatzes des Instruments. Es handelt sich dabei um einen Zinsanpassungsmechanismus, wie wir ihn aus dem Ratingbereich ja schon lange kennen. Bei ESG-linked Bonds ist der Emittent in der Mittelverwendung frei. Der ESG-linked Mechanismus wurde zunächst im Bereich von syndizierten und bilateralen Darlehen eingesetzt, so auch im Schuldscheinmarkt – bevor er seinen Weg in den Kapitalmarkt über Unternehmensanleihen fand.

Das „S“ steht für Social. Während Social Bonds im Vergleich zu Green Bonds eine deutlich kleinere Rolle einnehmen, erfreuen sie sich ebenso steigender Beliebtheit. Dies sowohl bei Emissionen durch Finanzinstitute als auch bei Corporates und erst recht im Bereich der öffentlichen Hand.

Die Regulierung nimmt zu. Wie wirkt sich das auf die Beratung aus? Sind die Russland-Sanktionen angesichts des Ukraine-Kriegs ein Thema?

Karsten Wöckener: Ein wichtiges Thema ist die ESG-Regulierung, die weiterhin zunimmt. Stichwörter sind EU-Taxonomy und EU Green Bond Standards, ESG Disclosure und MIFID, um nur ein paar Themen zu nennen, die bei Unternehmen zu einem erheblichen Anstieg von administrativem Aufwand führen. Es geht dabei um die Dokumentation, aber auch darum, Risiken und Folgen zu erkennen, die Verstöße mit sich bringen, und die Haftung, die drohen kann – Stichwort ‚Greenwashing‘.

Das Thema Sanktionen ist natürlich anhaltend präsent und bringt häufig einen hohen Grad an Komplexität und Beratungsintensität mit sich. Wie geht ein Unternehmen z.B. damit um, dass eine sanktionierte Partei eine Anleihe im Sekundärmarkt erworben hat? Sachverhalte, in denen z.T. der Gesetzgeber gefragt ist, genau solche Situationen, die im wahrsten Sinne des Wortes für ein Unternehmen zu einem Dilemma werden können, aufzulösen.

Sie haben auch einige österreichische Unternehmen als Mandanten. Wie gut stehen die Österreicher da, was die Erfordernisse der Nachhaltigkeit auf den Finanzmärkten betrifft?

Karsten Wöckener: Große österreichische Unternehmen sind nicht nur am Kapitalmarkt regelmäßig aktiv, sie sind in Sachen ESG gut aufgeklärt. Ich stelle keinen wesentlichen Unterschied zu anderen Ländern fest. Es gibt mit dem Verbund z.B. einen echten Vorreiter, der bereits 2014 als erstes Unternehmen in der D/A/CH-Region einen Corporate Green Bond emittiert hat. 2021 hat der Verbund den ersten Green und ESG-linked Bond emittiert, auch das war ein Erfolg. Wir durften die Gesellschaft bei beiden Transaktionen beraten.

Der Höhepunkt des Krypto-Winters

Wie werden sich die Kapitalmärkte heuer aus Ihrer Sicht entwickeln?

Karsten Wöckener: Wie schon gesagt, ist allgemein eine Belebung des Marktes festzustellen. Das gilt aber nicht für alle Bereiche. High-Yield Anleihen bleiben in Bezug auf die Platzierbarkeit eine Herausforderung, ebenso wie bestimmte Bereiche innerhalb des Immobiliensektors. Der Markt ist enger geworden und weniger aufnahmefähig. Das liegt einerseits an einem vorsichtigeren Investoren-Umfeld und andererseits daran, dass es aufgrund des allgemeinen Zinsanstiegs auch weniger risikoreiche Investment-Alternativen gibt.

Die Entwicklung der Inflation und damit die Zinsentwicklung bleibt natürlich ein wesentlicher Faktor, ebenso wie die geopolitische Situation mit dem Blick auf die Ukraine und Russland. Was passiert mit den Energiepreisen – ist hier mit einer Erholung zu rechnen? Ferner wird ganz entscheidend bleiben, wie sich die Corona Situation in China entwickelt und wir auf eine Erholung der Absatzmärkte sowie der Lieferketten setzen können. Was macht der Euro gegenüber dem Dollar? Auch daraus können sich Opportunitäten ergeben, die für Unternehmen in Sachen Refinanzierung sehr interessant sein können und Alternativen im Hinblick auf Platzierbarkeit und Diversifikation von Fremdkapitalinstrumenten aber auch in Bezug auf Investorengruppen mit sich bringen können.

Die Aktienmärkte bleiben herausfordernd, aber auch hier stellen wir eine positivere Tendenz fest, als wir dies zuletzt in 2022 beobachten konnten. Der Tech-Bereich hat letztes Jahr einen kräftigen „Dip“ erlebt, da muss man allerdings genauer hinsehen. Gelitten haben natürlich manche Fintechs und junge Unternehmen mit einem hohen Fokus auf Digitale Assets. Die Situation bleibt hier eine Herausforderung, auch wenn ich derzeit davon ausgehe, dass der Höhepunkt des „Krypto-Winters“ erreicht ist. Sollte eine Flucht in sichere Assets und Währungen für Investoren keine anhaltende Priorität mehr sein, könnte die Attraktivität von bestimmten digitalen Assets wieder steigen.

Im Interview

Karsten Wöckener ist Office Executive Partner des Frankfurter Büros der US-Anwaltssozietät White & Case LLP, spezialisiert auf Kapitalmarkttransaktionen (Debt und Equity Capital Markets).

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