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Neues Whistleblower-Gesetz „muss repariert werden“

Gottfried Berger ©Institut für Interne Revision Österreich

Hinweisgeberschutz. Österreich hat die EU-Richtlinie zum besseren Schutz von Whistleblower*innen umgesetzt: Kritik kommt von der Opposition, aber auch vom Institut für Revision (IIA Austria) und TI.

Whistleblowerinnen und Whistleblower werden künftig auch in Österreich besser geschützt: Mit mehr als einjähriger Verzögerung hat der Nationalrat jetzt ein neues Hinweisgeber*innenschutzgesetz und begleitende Gesetzesänderungen beschlossen und damit die Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie fixiert, wie die Parlamentskorrespondenz berichtet.

Man habe sich intensiv mit der Thematik befasst und letztlich eine „praktikable, gute Lösung“ gefunden, die sowohl Hinweisgeber*innen schützt, als auch Unternehmen bürokratisch nicht überfordert, hoben die Koalitionsparteien hervor. Die Opposition hält die Bestimmungen allerdings für unleserlich sowie in manchen Punkten für unzureichend und stimmte in diesem Sinne geschlossen gegen das Paket.

In Kraft treten soll ein Großteil der Regelungen unmittelbar nach Kundmachung des Gesetzes, für die Einrichtung von Meldestellen haben betroffene Unternehmen und die öffentliche Hand aber einige Monate Zeit.

Die Ziele

Ziel des Gesetzespakets ist es, Personen, die Informationen über rechtlich fragwürdige Praktiken in ihrem beruflichen Umfeld wie Betrug, Korruption, Gesundheitsgefährdung oder Umweltgefährdung weitergeben, vor Repressalien am Arbeitsplatz und anderen negativen Konsequenzen wie existenzbedrohenden Gerichtsprozessen zu schützen. So sind unter anderem etwa Kündigungen, Suspendierungen, Gehaltskürzungen und Disziplinarmaßnahmen explizit verboten. Auch die vorzeitige Auflösung geschäftlicher Verträge oder anderer Vereinbarungen mit Geschäftspartner*innen wie der Entzug von Genehmigungen ist untersagt.

Wer gegen diese Bestimmungen verstößt oder etwa versucht, seine Mitarbeiter*innen bzw. Geschäftspartner*innen einzuschüchtern, kann auf Schadenersatz geklagt werden. Zudem werden Verwaltungsstrafen bis zu 20.000 € fällig. Letzteres gilt auch für die Verletzung von Vertraulichkeitsbestimmungen bzw. für wissentlich falsche Hinweise durch Whistleblower*innen.

Unternehmen, Bundesdienststellen, gemeinnützige Einrichtungen und Vereine sind außerdem verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten, sofern sie mehr als 50 Mitarbeiter*innen beschäftigen. Als externe Meldestelle wird das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) fungieren. Das bedeutet: Wer in seinem Unternehmen keine Anlaufstelle findet, kann sich an das BAK wenden.

Opposition hält Bestimmungen für unzureichend

Etliche Mängel im Gesetzespaket orten die Oppositionsparteien. SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum zeigte etwa wenig Verständnis dafür, dass nur bestimmte Sachbereiche wie das öffentliche Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Umweltschutz, Verkehrssicherheit, Lebensmittel- und Produktsicherheit, die öffentliche Gesundheit, Datenschutz, Korruption oder der Missbrauch von EU-Fördergeldern in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen. Wer andere Rechtsverletzungen wie etwa systematische Arbeitszeitverletzungen, Lohndumping, gefährliche Arbeitsbedingungen, Untreue oder sexuelle Belästigung melde, sei hingegen nicht vom Schutz umfasst. Ihrer Ansicht nach widerspricht das dem Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung.

Zudem seien die EU-Vorgaben in Zusammenhang mit der Beweislastumkehr nicht richtlinienkonform umgesetzt worden, ist sie überzeugt. Als „nicht praktikabel und nicht umsetzbar“ beurteilte FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch das Gesetz. Die Bundesregierung sei „auf halbem Weg stehen geblieben“, sagte sie. Kritik kam auch von den NEOS. Trotz der zeitlichen Verzögerung sei kein gutes Ergebnis herausgekommen, hielt Abgeordneter Johannes Margreiter fest. Man habe nur das unbedingt Notwendige getan, um die EU-Richtlinie umzusetzen.

TI ist nicht zufrieden

Prof. Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von Transparency International Austria (TI-Austria) sieht das Gesetz „leider als Minimalvariante“. Unternehmer*innen werden mit mehr Fragen als Antworten zurückbleiben, so Geiblinger. Hinweisgeber*innen werden sich angesichts der Rechtsunsicherheit dreimal überlegen einen Hinweis abzugeben, befürchtet sie: Das Gesetz sei „ernüchternd und ein Schritt in die falsche Richtung“. Kristof Wabl, Leiter Arbeitsgruppe Whistleblowing, hält dazu fest: „HinweisgeberInnensysteme, entsprechend weltweit anerkannter Gesetze und Compliance Standards, die von einer Vielzahl österreichischer Unternehmen bereits seit Jahren implementiert wurden, gehen viel weiter als die aktuellen Anforderungen des Gesetzesentwurfs.“ TI fordert die Ausweitung des sachlichen Geltungsbereichs, anonyme Systeme sowie keine Einschränkungen nach Unternehmensgröße oder nach Inhalt der Meldung. Auch das Strafen- und Sanktionssystem müsse überarbeitet, Hürden für Whistleblower abgebaut werden.

Kritik vom Institut für Interne Revision

Auch das Institut für Interne Revision (IIA Austria) übt in einer Aussendung Kritik am jetzt beschlossenen Gesetzesentwurf. „Bedauerlicherweise fanden die Verbesserungsvorschläge kaum Berücksichtigung im Gesetzestext und die Experten wurden nicht gehört“, so Gottfried Berger, Vorsitzender des Instituts für Interne Revision.

Im Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung und die Absicherung von Aufklärungsarbeit orten die Internen Revisoren Österreichs Nachholbedarf. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International ist Österreich bekanntlich heuer von Rang 13 auf 22 abgerutscht. Berger: „Wir sind darüber zwar nicht verwundert, der Absturz macht aber betroffen. Der Umgang der Politik mit Korruption in Österreich ist bedauerlicherweise sehr lasch.“

Am Hinweisgeberschutzgesetz finden sich laut IIA Austria nun konkret folgende Haupt-Kritikpunkte:

  • Das Gesetz sieht den Schutz von Hinweisgebern bzw. Whistleblowern nur bei Verletzungen von EU-Recht und bei Korruptionsfällen vor. Nicht berücksichtigt sind der Schutz bei Verstößen gegen das Arbeitsrecht, bei Mobbing, sexueller Belästigung, aber auch Betrug. „Für juristisch nicht ausgebildete Hinweisgeber ist unklar, ab wann sie tatsächlich rechtlichen Schutz genießen“, so Berger.
  • Grundsätzlich sei im Gesetz der Anwendungsbereich der Bestimmungen nicht klar erkennbar, da sich der Gesetzestext zumeist nur auf Unternehmen bezieht und z. B. auf Personen des öffentlichen Rechts und Behörden nicht gesondert eingeht.
  • Das Gesetz sieht keine Verpflichtung zur Bearbeitung von anonymen Hinweisen vor. Die Internen Revisoren Österreichs fordern nun, dass das Gesetz eine verpflichtende Prüfung der Stichhaltigkeit von Hinweisen enthält: Es soll also verpflichtend geprüft werden müssen, ob an den Vorwürfen selbst etwas dran ist, unabhängig von Kriterien wie der Identität des Whistleblowers.
  • Im Hinweisgeberschutzgesetz sind keine Sanktionen für den Fall festgelegt, dass ein Unternehmen keine Meldestelle für Whistleblower einrichtet. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung eine solche Meldestelle einzurichten, komme jedoch rechtlich einer Behinderung der Hinweisgebung gleich.

„Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass das neue Whistleblower-Gesetz zahnlos ist und in der Praxis kaum Verbesserungen bringen wird. Daher wird eine Reparatur des verunglückten Gesetzes über kurz oder lang notwendig sein“, so Berger.

Die Anbieter bringen sich in Stellung

Zahlreiche Unternehmen in Österreich haben freilich inzwischen bereits eine Meldestelle eingerichtet – die Großen taten dies bereits deutlich vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, so Country Manager Austria Mirco Schmidt von Marktführer EQS Group. Auch u.a. das Institut für Interne Revision bietet über seine Tochter GRC Experts Unterstützung für österreichische Unternehmen bei der Implementierung und beim Betrieb von Whistleblowing-Systemen und hat selbst eine cloudbasierte Web-Applikation „made in Austria“ dafür.

Fachinformations-Anbieter LexisNexis setzt auf „Lexis WhistleComplete“: Es wird als „Autopilot für das Hinweisgeberschutz-Gesetz“ positioniert und soll konkret als Komplettsystem – inklusive Prüfung der Hinweise – fungieren. Die Prüfung finde unter Verschwiegenheit statt und Firmen haben jederzeit Einsicht in alle Meldungen, heißt es dazu. Bei relevanten Hinweisen wird eine Handlungsempfehlung durch eine Anwaltskanzlei erstellt: Dafür hat LexisNexis Baker McKenzie Österreich an Bord geholt.

Im Gesetz ist übrigens nicht näher definiert, wie ein Hinweisgebersystem auszusehen hat: Grundsätzlich wäre sogar auch eine Art stiller Postkasten denkbar, so EQS Group-Manager Schmidt – der Interessent*innen freilich professionelle digitale Tools ans Herz legt. Denn die Anforderungen an die Bearbeitung der Hinweise sind hoch. Die Sicherheit persönlicher Daten darf zu keinem Zeitpunkt gefährdet sein, heißt es auch bei PwC.

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