Reich der Mitte bremst. Chinesische Käufer schlagen bei Firmenübernahmen in Europa seltener zu: Die Zahl der Transaktionen sinkt deutlich, das Volumen geht um zwei Drittel zurück.
Chinesische Käufer*innen kamen bei Firmenübernahmen in Europa im vergangenen Jahr nur selten zum Zug, heißt es in einer Aussendung von EY:
- Die Zahl der Transaktionen sank im Vergleich zum Vorjahr von 155 auf 139.
- Auch das Transaktionsvolumen sank, der Wert der Beteiligungen und Übernahmen ging von 12,4 auf 4,3 Milliarden US-Dollar zurück – bei der Mehrzahl der Übernahmen liegen allerdings keine Angaben zu Kaufpreisen vor, wie es heißt.
Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, die jährlich die Investitionen chinesischer Unternehmen in Europa untersucht.
„Zurückhaltend bei Investitionen“
„Die Analyse der letzten Jahre zeigt, dass chinesische Unternehmen bei ihren Investitionen in Europa insgesamt zurückhaltend sind“, so Eva-Maria Berchtold, Partnerin und Leiterin der Strategie- und Transaktionsberatung bei EY Österreich: „Das hat mehrere Gründe: Zum einen haben die Pandemie und die langanhaltenden, massiven Eindämmungsmaßnahmen in China zu Reisebeschränkungen und strengen Quarantäne-Regeln geführt, die auch die Umsetzung von Transaktionen erschwert haben. Zum anderen sind Expansionsmaßnahmen für viele chinesische Unternehmen seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts in der Priorität stark gesunken.“
Darüber hinaus sähen sich chinesische Unternehmen in vielen europäischen Ländern in einigen Sektoren – wie etwa Infrastruktur – teils erheblichem politischen Widerstand ausgesetzt. Daher überprüfen chinesische Investoren inzwischen sorgfältig, ob Übernahmekandidaten politische Diskussionen auslösen könnten, so EY. Ebenfalls dämpfend wirkten sich die inzwischen hohen Hürden für ausländische Beteiligungen in kritischen Branchen sowie die zunehmende Konkurrenz durch kapitalstarke Finanzinvestoren aus.
Auch das belastete politische Verhältnis zwischen den USA und China hemme die Transaktionsaktivitäten, so Berchtold: „Wenn Übernahmekandidaten Produktionsstätten oder R&D-Zentren in den USA haben, werden potenzielle chinesische Bieter oftmals gar nicht erst eingeladen, da eine Ablehnung durch die zuständige US-Behörde befürchtet wird.“
Ein chinesischer Deal in Österreich
Österreich ist nach wie vor kaum auf dem Schirm von Investor*innen aus China. Wie schon in den drei Jahren davor gab es auch 2022 nur einen chinesischen Deal in Österreich. Der Investor Jebsen Capital, ein Beteiligungsarm der Jebsen Group, erwarb Ende des Jahres 2022 Anteile vom österreichischen Kinder- und Jugendradhersteller woom.
Damit stagnieren die chinesischen Investitionen in Österreich weiterhin auf sehr niedrigem Niveau. Zwischen 2020 und 2022 gab es je einen Deal, 2019 gar keinen. 2018 sind chinesische Investor*innen noch bei drei Unternehmen in Österreich eingestiegen, 2017 sogar bei fünf.
Wo China noch kauft
Im vergangenen Jahr gab es europaweit erstmals mehr Unternehmensübernahmen und -beteiligungen im High-Tech-Segment, wozu in erster Linie Software- und Halbleiter-Unternehmen zählen, als in klassischen Industriebranchen: Die Zahl der Übernahmen von High-Tech-Unternehmen stieg gegen den Trend von 27 auf 32, gleichzeitig sank die Zahl bei Industrieunternehmen von 30 auf 25. Im Industriesektor wurden mit neun Transaktionen die meisten Deals in Deutschland gezählt, bei Transaktionen im High-Tech-Bereich liegt Großbritannien mit sechs Deals an der Spitze – vor Frankreich (fünf) und Deutschland (vier).
In Deutschland wurden zudem besonders viele Transaktionen im Gesundheitsbereich gezählt, wozu neben Biotech-Unternehmen auch die Branchen Pharma und Medizintechnik zählen. Europaweit gab es in diesem Segment 17 Transaktionen, von denen neun auf Deutschland entfielen.
Die meisten Transaktionen wurden im vergangenen Jahr wie schon 2021 in Großbritannien verzeichnet. Mit 27 Übernahmen und Beteiligungen liegt Großbritannien knapp vor Deutschland (26 Transaktionen) und deutlich vor Frankreich (17).
Die größten chinesischen Käufe
Die europaweit größte Investition war im vergangenen Jahr der Verkauf des niederländischen Halbleiterherstellers Ampleon, bislang im Besitz eines chinesischen Private Equity Investors, an Wuxi Xichan Microchip Semiconductor für knapp zwei Milliarden US-Dollar.
Die zweitgrößte Transaktion war der Einstieg des chinesischen Internet-Unternehmens Tencent bei der Ubisoft-Familienholding Guillemot Brothers Limited für knapp 300 Millionen US-Dollar, gefolgt vom Erwerb des französischen Arzneimittelproduzenten Cenexi durch den chinesischen Pharmakonzern Fosun für 218 Millionen US-Dollar.