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„Besserer Schutz für Whistleblower – eine Illusion?“

Peter Jonas, Martin Eckel, Fiona Springer, Christian Kramer, Natalie Harsdorf-Borsch, Marcus Schmitt ©Helmut Tremmel

Meldesysteme in Österreich. Das Hinweisgeber-Gesetz ist in Kraft: Welche Rolle die staatlichen Meldestellen von WKStA, FMA, BWB, BAK & Co dabei spielen, stand jetzt beim Compliance Netzwerk im Fokus.

An der EU-Richtlinie zum verbesserten Hinweisgeberschutz kommt kaum ein Unternehmen vorbei, das Gesetz ist allerdings umstritten, so die Veranstalter. Noch haben Unternehmen jedenfalls Zeit, die erforderlichen Meldesysteme einzurichten. Doch was dabei sehr wichtig ist: Bereits jetzt besteht für Whistleblower die Möglichkeit, sich wahlweise an externe Meldestellen zu wenden. Diese dürften nach Verabschiedung des HSchG (Hinweisgeberschutzgesetz) nun mehr an Bedeutung gewinnen, lautet die Erwartung vieler Beobachter.

Welche staatlichen Meldestellen es schon gibt

Whistleblower können sich in Österreich bereits am mehrere staatliche Meldestellen wenden:

  • an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt (WKStA),
  • an die Finanzmarktaufsicht (FMA),
  • an die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB)
  • oder künftig auch an das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK).

Auf der Veranstaltung des von LexisNexis initiierten Compliance Netzwerks gaben Vertreter der Behörden im Rahmen einer Podiumsdiskussion vor rund 150 Gästen Einblicke, wie es in Österreich um den Hinweisgeberschutz bestellt ist. Im Verlauf des Abends kristallisierte sich heraus, dass die Hoffnung auf einen starken Hinweisgeberschutz in Österreich – zumindest in einigen Bereichen – weiter eine Illusion bleibt.

Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) langten in den letzten zehn Jahren weit über 15.000 Meldungen über das webbasierte Hinweisgebersystem ein, erläuterte OStA Marcus Schmitt. Die meisten, in der Mehrzahl anonymen Meldungen, fielen gar nicht in die Zuständigkeit der Behörde, die sich nur um große Wirtschaftsverfahren und politisch brisante Fälle kümmert. Nur 2,81 Prozent aller Hinweise passten zur Zuständigkeit der WKStA. Der schwammige Begriff „Korruption“ ziehe eben auch viele „Leute mit verdichtetem Rechtsbewusstsein“ (anders gesagt: Querulanten) an, so Schmitt.

Manche Meldestellen sind eher B2B als B2C

Laut Fiona Springer von der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) richtet sich das Whistleblowing-System der FMA weniger an die breite Masse als an „informierte Hinweisgeber“. Damit sind verantwortungsbewusste Personen bei Banken, Versicherungen, Investmentfonds und anderen Finanz-Playern gemeint – jedenfalls aber Vollprofis in Sachen Finanzbranche. Die entsprechenden Hinweise seien für die Behörde wertvoll und sachlich fast immer bei der FMA an der richtigen Adresse, das Problem von rechtlich nicht verwertbaren „Parallelwertungen aus der Laiensphäre“ habe man kaum. Meldende Personen leitet die FMA an, wie sie ihre Identität schützen können. Die Behörde interessiert sich vorrangig für die Substanz der Meldungen, nicht so sehr für die Identität der Meldenden, wird betont.

Von ähnlichen Erfahrungen wie in der FMA berichtete die stv. Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Natalie Harsdorf-Borsch: Auch die seit 2017 betriebene Meldestelle der BWB erreichen relativ wenige, dafür sehr gezielte Hinweise. „Teilweise sind die Beschwerden so ausgefeilt, dass ich den Eindruck habe, sie wurden vom Rechtsanwalt verfasst“, erzählte Harsdorf-Borsch. Dabei nutzen auch juristische Personen teilweise den anonymen Weg.

Der Schutz der Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber hat auch bei den Wettbewerbshütern höchste Priorität, betont Harsdorf-Borsch. Dabei sei es sehr selten der Fall, dass ein einzelner Hinweis bereits zu einer Verurteilung der Missetäter vor dem Kartellgericht führt; eher sei es so, dass die Behörde nach ersten Hinweisen zunächst einmal eine breit angelegte Untersuchung durchführen muss, um die benötigten Beweise zu erhalten.

Breite Themenpalette im Bundeskriminalamt

BWB wie FMA vereint die Tatsache, dass sie sozusagen die B2B-User unter den Hinweisgeber*innen anziehen: Die entsprechenden Hinweise sind meist sachdienlich und als professionelle Eingaben abgefasst. Beide Behörden veröffentlichen dazu regelmäßig upgedatete Informationen bzw. Leitfäden. Dabei ist die Einrichtung eines „anonymen Postkastens“ ein wichtiges Thema: Dieser ermöglicht es der Behörde, mit dem Whistleblower Informationen auszutauschen – beispielsweise Rückfragen – ohne dass der Tippgeber seine Identität enthüllen muss.

Ganz am Anfang der Erfahrungssammlung steht noch das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung und -prävention (BAK), wie ihr Leiter Christian Kramer berichtet. Beim BAK wird Österreichs externe Meldestelle iSd Whistleblower-Richtlinie eingerichtet, die gleichzeitig als interne Meldestelle des BMI fungieren wird. Aktuell evaluiert man verschiedene Hinweisgebersysteme, legt Prozesse fest und suche geeignetes Personal, damit das System, wie gesetzlich vorgesehen, Ende August online gehen kann.

„Gefundene Hinweisgeber sind nicht mehr anonym“

Den Präsentationen folgte eine lebhafte Debatte auf dem Podium und mit dem Publikum. Dabei sorgten vor allem die Erklärungen von OStA Marcus Schmitt für Diskussionen. Er hatte für potenzielle WKStA-Whistleblower eine Warnung parat: „Der Anonymitätsschutz gilt für Hinweisgeber nur so lange, bis man sie gefunden hat.“ Zwar erfolgt der Austausch über das Hinweisgebersystem völlig anonym, trotzdem können etwa Metadaten elektronischer Dateien oder Inhalte übermittelter Dokumente Rückschlüsse auf die Identität der Meldenden zulassen. Aber auch Hinweise an sich können verräterisch sein, da sie oft Täterwissen voraussetzen.

Ist der Whistleblower erst einmal im Akt – was die Strafprozessordnung (StPO) zwingend vorsieht – haben sowohl die Verteidiger beschuldigter Personen als auch die Staatsanwaltschaft Interesse daran, die Hinweisgeber-Identität zu kennen. Nur so lassen sich alle Verfahrensrechte der StPO zum Zweck der Verteidigung, Befragung etc. voll ausschöpfen. Whistleblower „sitzen dann nicht mehr am Steuer, sondern sind Passagiere des Verfahrens“, verdeutlichte Schmitt.

Ähnlich äußerte sich Christian Kramer in Bezug auf die externe Meldestelle des BAK. Als Polizeibehörde ist das BAK nicht nur an die StPO, sondern auch an das Prinzip der Amtswegigkeit gebunden: Sie muss in bestimmten Fällen von sich aus ein Ermittlungsverfahren einleiten. Wer „nur mal schnell etwas mitteilen will“, kann schnell Protagonist eines Verfahrens werden, mit allen geschilderten Konsequenzen. Auch hier „sticht“ also die StPO das Hinweisgeber*innenschutzgesetz, heißt es bei den Veranstaltern.

Die Konkurrenz schläft nicht

Wo also sollen sich Menschen hinwenden, die Missstände in Unternehmen anonym aufzeigen möchten? An das eigene Unternehmen, an eine externe Meldestelle, an die Medien? Den allerbesten Anonymitätsschutz für Tippgeber in Österreich biete nach wie vor das journalistische Redaktionsgeheimnis, heißt es dazu. Anwalt und Event-Moderator Martin Eckel (Kanzlei Taylor Wessing) ermahnt die Unternehmen jedenfalls, ihr eigenes Hinweisgebersystem nicht nur sicher und vertrauenswürdig, sondern auch möglichst anwenderfreundlich zu gestalten – damit sich potenzielle Hinweisgeber*innen nicht an die Konkurrenz wenden. Dem Whistleblower-Thema widmet sich auch ein Themenspecial in der Zeitschrift Compliance Praxis.

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