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Im Infowar schützen kritische Bürger die Demokratie

ISPA-Forum 2023 ©ISPA / APA-Fotoservice / Hörmandinger

Wien. Beim ISPA-Forum 2023 der Internet-Wirtschaft ging es um digitale Kriegsführung mit Trollfabriken, Irreführung und Gegenmaßnahmen sowie die Auswirkungen des „Infowar“ auf die Gesellschaft.

Das heurige ISPA-Forum in der Sky Lounge der Universität Wien stand unter dem Thema „Infowar: Sicherheitspolitik im Internet?“. Konkret ging es um die bewusste Manipulation des öffentlichen Diskurses, etwa durch Trollfabriken, sowie um mögliche Gegenmaßnahmen wie die Sperren von Medien, aber auch die Bedeutung der Grundrechte in diesem Zusammenhang.

Grundrechte müssen geschützt werden

„Der öffentliche Diskurs und die Meinungsvielfalt sind ein hohes Gut, das vor Missbrauch und Manipulation geschützt werden muss. Sicherheitspolitik findet heute natürlich auch im Internet statt, wie wir etwa bei den Netzsperren für russische Propagandamedien gesehen haben“, sagte Stefan Ebenberger, Generalsekretär der ISPA: „Dabei stellen sich wesentliche Fragen, etwa die Abwägung des Schutzes der Öffentlichkeit und der Grundrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit.“

Die Internet-Branche sei dabei schon heute gefordert und nehme ihre Verantwortung wahr, aber diese Abwägung berühre so grundsätzliche Fragen des Rechtsstaates, dass sie nicht auf die Internetanbieter alleine abgewälzt werden dürfe „Vielmehr sollten unabhängige Behörden diese Entscheidungen auf Basis gesetzlicher Vorgaben treffen und so Rechtssicherheit gewährleisten“, so Ebenberger.

Justizministerin Zadić gegen Auslagerung von Überwachung

Justizministerin Alma Zadić hob in ihrer Botschaft zur Begrüßung die Bedeutung der Sicherheit im Internet hervor, verwies aber auch auf die Achtung der Grundrechte. Sie betonte, dass es anlasslose, massenhafte Überwachung sämtlicher Kommunikation nicht geben dürfe und sie schon gar nicht an private Unternehmen auszulagern wäre.

In seiner Keynote sprach Pulitzer-Preisträger Christo Buschek über die Beschleunigung von Desinformation, deren Akteure und deren Werkzeuge, die in seinen jüngsten Recherchen erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Dabei unterstrich er, dass aktuelle technische Innovationen die Möglichkeiten böswilliger Akteure vergrößern und Desinformation kaum noch von echter Information zu unterscheiden ist, investigative Recherche aber ein wirksames Gegenmittel sein kann.

In der folgenden Podiumsdiskussion diskutierte Christo Buschek gemeinsam mit Sabine Frank, Head of Governmental Affairs and Public Policy YouTube DACH/CEE, Walter Unger, Oberst des Generalstabs und Leiter der Abteilung Cyber Defence & IKT-Sicherheit im Abwehramt des Österreichischen Bundesheeres, sowie Thomas Bruning, Generalsekretär der Niederländischen Journalistenvereinigung (NVJ), welche gegen die EU-Sperre von russischen Medien geklagt hat. Sie diskutierten über gezielte Diskurszerstörung, die mögliche Rolle von Social-Media-Plattformen und wie wichtig es ist, bei allen Maßnahmen die Balance für eine offene Gesellschaft zu wahren, so die Veranstalter.

Klar definierte Standards für Eingriffe in Grundrechte nötig

Thomas Bruning kritisierte dabei insbesondere, dass die Sperre russischer Medien durch die EU auf politischer Ebene entschieden wurde, denn während es zwar durchaus Grenzen für Propaganda geben könne, müsste deren Verletzung immer von einer unabhängigen Behörde oder einem Gericht festgestellt werden.

Schließlich seien es gerade die Prinzipien von Pressefreiheit, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, die die EU von einem Regime wie dem russischen unterscheiden. Bruning erklärte weiter, dass diese Standards für Soziale Medien genauso gelten müssten wie für klassische.

Intelligente Technologien als wichtiges Instrument

Sabine Frank unterstrich den hohen Stellenwert verantwortungsbewussten Handelns bei YouTube und die Investitionen in Prozesse und intelligente Technologien, welche die Nutzer*innen schützen und gleichzeitig eine Vielfalt von Standpunkten ermöglichen sollen, um Hass und Desinformation keinen Platz zu geben. Hierzu sei YouTube bemüht, schädliche Inhalte so schnell wie möglich zu entfernen und gleichzeitig den Zuschauer*innen Zugang zu hochwertigen Inhalten zu ermöglichen.

Aus sicherheitspolitischer Perspektive betonte Walter Unger, dass die Abwehr von Desinformation in den Köpfen beginne und trat daher für mehr Medienkompetenz ein. Wir müssen unsere Kinder und vielleicht uns selbst so erziehen, dass wir nicht alles kaufen, was so im Netz stehe, sagte er: „Wir brauchen gebildete Menschen, kritische Menschen. Auch Journalisten, die kritisch sind.“

Grundrechte müssen online wie offline gelten

ISPA-Präsident Harald Kapper schloss das ISPA-Forum mit einer Erinnerung daran, dass Grundrechte offline und online gleichermaßen zu gelten haben: „Die Debatte hat gezeigt, wie groß die Bedeutung von Transparenz, Meinungsfreiheit und freiem Zugang zu Informationen für ein freies und offenes Internet ist. Denn das Internet ist kein rechtsfreier Raum, vor allem kein grundrechtsfreier Raum, und Provider sind keine Hilfssheriffs, die diese zentralen Werte unserer Gesellschaft einfach außer Kraft setzen.“

Während Medienmanipulation und Desinformation durch staatliche Akteure kein neues Phänomen sind, stelle die rasche und einfache Verbreitung in der Online-Welt eine neue Herausforderung für liberale Demokratien dar, die in einem Informationskrieg systematisch mit Falschinformation angegriffen werden. Manipulation, Desinformation und Social Engineering einzelner Zielgruppen könne nur mit einer ebenso versierten und vernetzten Antwort begegnet werden. „Zensur darf dabei immer nur das letzte Mittel in einem Verteidigungsfall sein. Staatliche Eingriffe müssen daher mit viel mehr Kompetenz und Umsicht erfolgen, um nicht die eigenen Werte im Namen der Sicherheit zu verlieren“, so Kapper.

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