Wien. Am heutigen World Whistleblowing Day orten Rechtsprofis und TI-Austria Schwachstellen im neuen österreichischen Hinweisgeber*innenschutzgesetz. Klar ist: Für Firmen wird es ernst.
Heute ist World Whistleblowing Day: Der 23. Juni hat diesmal besondere Relevanz, weil in Österreich das neue Hinweisgeber-Schutzgesetz beschlossen wurde: Für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter*innen und auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts besteht Handlungsbedarf, denn bis August 2023 müssen Systeme implementiert werden. Kleinere Unternehmen haben Zeit bis 17. Dezember.
Damit haben – da auch Deutschland kürzlich nachzog – 25 der 27 EU-Länder die Whistleblower-Richtlinie der EU umgesetzt, nur Polen und Estland sind noch säumig, so Anwalt Martin Eckel von Taylor Wessing. Allerdings zeigt sich TI-Austria mit dem aktuellen Stand noch nicht zufrieden: Bekanntlich will Österreich sein Gesetz auf Basis erster Erfahrungen zu einem späteren Zeitpunkt evaluieren, und schon jetzt stellt sich TI-Austria auf den Standpunkt, dass das Hinweisgeber*innenschutzgesetz (HSchG) in der aktuellen Fassung, den Schutz der Whistleblower*innen nicht in den Fokus stelle, sondern vielmehr zahlreiche Unklarheiten und Schwachstellen beinhalte. Unternehmen müssen jedenfalls etliche Besonderheiten berücksichtigen, hieß es neulich auch bei Events von Tools-Anbieter EQS Group und Ausbildner BMD Akademie zum Thema.
Die Kritik
Anwalt Eckel: „Meiner Meinung nach ist das österreichische HSchG nicht gelungen, da insbesondere die gesetzlich definierten Meldebereiche nicht das gesamte Strafrecht umfassen. Vielmehr konzentrieren sich diese lediglich auf die Korruptionstatbestände. Es muss daher jedenfalls eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, um den Schutz auch auf Meldungen, die z.B. das allgemeine Strafrecht betreffen, auszuweiten. Hinzu kommt, dass in diesen Fällen auch eine sog. ‚Datenschutzfolgeabschätzung‘ erforderlich sein wird.“
Prof. Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von TI-Austria, hält in einer Aussendung fest: „TI-Austria hat bereits im Begutachtungsverfahren auf Schwachstellen im neuen Gesetz hingewiesen. Diese Warnungen wurden nicht ernstgenommen. Tausende Unternehmen in Österreich müssen ein Gesetz umsetzen, welches mehr Fragen aufwirft als Antworten liefert! Wir hoffen auf eine rasche Reparatur des österreichischen Whistleblowing-Gesetzes!“
Neben Problemen, wie dem restriktiven sachlichen Anwendungsbereich oder dem verfehlten Strafen- und Sanktionensystem, ergeben sich auch Herausforderungen bei Gerichtsprozessen, heißt es. TI-Austria fordert nun die Ausweitung des sachlichen Geltungsbereichs, die Pflicht zur Einrichtung anonymer Systeme sowie keine Einschränkungen nach Unternehmensgröße oder nach Inhalt der Meldung. Auch das Strafen- und Sanktionssystem müsse überarbeitet und Hürden für Hinweisgeber*innen abgebaut werden.