Wien. Die Neueröffnung des komplett renovierten Parlaments jährt sich zum ersten Mal: 2023 brachte 184 Gesetzesbeschlüsse, 11 Staatsverträge, 13 Volksbegehren u.v.m.
Am 12. Jänner 2023 wurde Österreichs Parlament nach fünf Jahren Sanierung offiziell wiedereröffnet. Nur wenige Tage später, am 17. Jänner, kamen die Parlamentarier:innen zum ersten Mal im frisch sanierten Hohen Haus zusammen, konkret die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses. Eine von der SPÖ verlangte Sondersitzung am 25. Jänner war schließlich die erste Nationalratssitzung im wiedereröffneten Parlament, berichtet die Parlamentskorrespondenz.
Anfang 2023 war so wie auch derzeit die Teuerung beherrschendes Thema: Der erste Beschluss im sanierten Parlament war eine Novelle zum Stromkostenzuschussgesetz, mit der bei der Strompreisbremse auch größere Haushalte berücksichtigt wurden. Auch in den letzten Sitzungen vor Jahresende 2023 beschäftigte die Strompreisbremse die Parlamentarier:innen. Der Bundesrat billigte am 21. Dezember einen Nationalratsbeschluss vom 15. Dezember, mit dem die Strompreisbremse um weitere sechs Monate verlängert wird.
Erstes Jahr brachte 184 Gesetzesbeschlüsse
- Insgesamt haben die Abgeordneten im ersten Jahr im neuen Hohen Haus 184 Gesetzesbeschlüsse gefasst, davon 26,6% einstimmig. Sie gingen annähernd zu gleichen Teilen auf Regierungsvorlagen (80) und Initiativen von Abgeordneten (88) zurück. 15 der beschlossenen Gesetze waren Initiativen von Ausschüssen, ein Beschluss betrifft den Bundesrechnungsabschluss.
- Zu den 184 Gesetzesbeschlüssen kommen 11 Staatsverträge und 9 Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern – zuletzt etwa zur Umsetzung der Gesundheitsreform.
- Gesetzesanträge gab es im Jahr 2023 insgesamt 226. Davon kamen 130 von Abgeordneten, 80 von der Regierung, 15 aus Ausschüssen und einer aus dem Bundesrat. Außerdem legte die Regierung 11 Staatsverträge und 9 Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern vor.
- In Form von 60 angenommenen Entschließungen richteten die Abgeordneten Forderungen an die Regierung. Dem stehen 602 von Abgeordneten und 17 von Ausschüssen eingebrachte Entschließungsanträge gegenüber.
Entschließungsanträge sind insbesondere bei der Opposition ein beliebtes Instrument, um Themen aufs Tapet zu bringen. Ein Blick auf die abgelehnten Anträge zeigt, wie mit Initiativen der Opposition verfahren wird. So wurden im Nationalrat 67 zuvor in den Ausschüssen diskutierte Entschließungen und 6 Gesetzesanträge abgelehnt. Die restlichen Anträge wurden entweder in den Ausschüssen vertagt oder noch nicht behandelt. Im Bundesrat wurde von 43 eingebrachten Entschließungsanträgen einer angenommen.
Bundesrat: Kein Veto, aber Verzögerungen
Einen Beharrungsbeschluss musste der Nationalrat im Jahr 2023 nicht fassen, weil der Bundesrat zu keinem der Gesetze ein Veto eingelegt hat. Das liegt wohl auch daran, dass die Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen auch in der Länderkammer die meiste Zeit über die Mehrheit innehatte. Zwar verloren die Koalitionsparteien nach der Landtagswahl in Niederösterreich Ende Jänner kurzfristig ihre Mehrheit. Durch die Wahl in Kärnten Anfang März gewannen sie diese aber wieder zurück. Bis die Änderungen zwischen den zwei Wahlen wirksam geworden wären, fand keine Sitzung statt.
Ein Beschluss des Nationalrats wurde von der Länderkammer dennoch verzögert. Das ORF-Reformpaket konnte wegen Stimmengleichheit bei der Abstimmung erst acht Wochen später als geplant in Kraft treten. Grund für das Patt war die Verhinderung zweier Mandatar:innen der Koalition. Einen Gesetzesbeschluss des Nationalrats wird der Bundesrat mit ins neue Jahr nehmen: Da das Notifizierungsverfahren auf EU-Ebene noch läuft, wollen die Bundesrät:innen erst bei ihrer nächsten Sitzung am 15. Februar über das Erneuerbare-Wärme-Gesetz abstimmen, das das Aus für Gasheizungen in Neubauten bringen soll.
Nicht nur die personelle Zusammensetzung des Bundesrats hat sich aufgrund von Landtagswahlen in Niederösterreich, Kärnten und Salzburg im Jahr 2023 mehrmals geändert. Auch die Anzahl der Mitglieder der Länderkammer wurde nach der jüngsten Volkszählung von 61 auf 60 herabgesetzt. Das Bundesland Wien verlor ein Mandat. Den Vorsitz im Bundesrat führten im abgelaufenen Jahr das Burgenland und Kärnten. Im zweiten Halbjahr 2023 gab es mit Bundesratspräsidentin Claudia Arpa (SPÖ/K) und den Vizepräsidentinnen Margit Göll (ÖVP/NÖ) und Doris Hahn (SPÖ/NÖ) erstmals ein rein weibliches Präsidium in der Länderkammer.
Drei Organe mit 70 Plenarsitzungen
- Insgesamt trat der Bundesrat zu 13 Plenarsitzungen zusammen, zur ersten übrigens am 16. Februar. Die Sitzungen dauerten insgesamt 126 Stunden und 20 Minuten. Ausschüsse des Bundesrats tagten 98 mal.
- Im Nationalrat gab es 56 Plenarsitzungen, davon 21 „reguläre“ Sitzungen mit Tagesordnungen und 6 Sondersitzungen. Sie dauerten insgesamt 279 Stunden und 36 Minuten. Eine dieser Sondersitzungen fand außerhalb der Tagungsperiode im Sommer statt, weshalb der Bundespräsident zuerst eine außerordentliche Tagung einberufen musste. Die restlichen 29 Sitzungen dienten der Zuweisung von Gesetzesinitiativen.
- Auch die Bundesversammlung, also das dritte parlamentarische Organ, in dem die Mitglieder von Nationalrat und Bundesrat gemeinsam zusammentreten, hielt 2023 eine Sitzung ab. Am 26. Jänner, nur zwei Wochen nach der Eröffnung des sanierten Parlamentsgebäudes, wurde im Bundesversammlungssaal der wiedergewählte Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt.
Ausschüsse, Plenardebatten, Ordnungsrufe
Die Ausschüsse des Nationalrats traten im Jahr 2023 zu insgesamt 177 Sitzungen mit einer Dauer von knapp 463 Stunden zusammen. Am häufigsten tagten der Hauptausschuss (15 mal) sowie der Sozialausschuss, der Budgetausschuss, der Finanzausschuss und der Verfassungsausschuss (jeweils 8 mal). Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss kam zwar zu drei Sitzungen zusammen, diese dienten aber rein der Klärung von Geschäftsordnungsfragen bzw. der Kenntnisnahme des Abschlussberichts.
In den Sitzungen des Nationalrats fanden insgesamt 339 Debatten statt. Im Rahmen von 9 Aktuellen Stunden, 4 Aktuellen Europastunden und 7 Fragestunden tauschten sich die Abgeordneten mit Regierungsmitgliedern über aktuelle Angelegenheiten aus. Rede und Antwort mussten die Minister:innen außerdem in Debatten zu 3 Dringlichen Anfragen und 10 Dringlichen Anträgen stehen. Darüber hinaus gab es 10 Kurze Debatten.
Einzelnen Regierungsmitgliedern oder der gesamten Bundesregierung das Misstrauen aussprechen wollten Abgeordnete von SPÖ und FPÖ jeweils zwei Mal im Jahr 2023. Die vier Misstrauensanträge blieben aber in der Minderheit. Bis zum 22. Dezember richteten die Mandatar:innen des Nationalrats außerdem 3.975 schriftliche Anfragen an die Regierung, den Nationalratspräsidenten und die Rechnungshofpräsidentin. Die FPÖ lag mit 1.841 Anfragen an der Spitze, gefolgt von SPÖ (1.203) und NEOS (866). Die Koalitionsparteien ÖVP (23 Anfragen) und Grüne (42 Anfragen) nutzten dieses Instrument traditionsgemäß deutlich seltener.
Ordnungsrufe kassierten die Nationalratsabgeordneten insgesamt 43. 19 davon gingen an Mandatar:innen der FPÖ, 9 an jene der ÖVP, 7 an Abgeordnete der Grünen, und jeweils 4 an jene der NEOS und der SPÖ. Die meisten Ordnungsrufe erhielt Herbert Kickl (FPÖ) mit fünf Stück. Norbert Hofer verteilte als Vorsitzender die meisten Ordnungsrufe (18), gefolgt von Zweiter Präsidentin Doris Bures (13) und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (12).
Die Volksbegehren
13 Volksbegehren haben 2023 die Hürde von 100.000 Unterschriften überschritten und es somit ins Parlament geschafft. Behandelt hat der Nationalrat insgesamt 15 Volksbegehren – so viele wie noch nie in einem Jahr. Außerdem langten 35 Petitionen und 11 Bürgerinitiativen ein. Auch vor Ort im Parlamentsgebäude war das Interesse der Bürger:innen groß. Anfang Dezember 2023 wurde der 500.000ste Besucher im sanierten Haus begrüßt. Allein über 63.000 Schüler:innen besuchten seit der Wiedereröffnung das Parlament.