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WU: Reinigungskräfte sollen stolz bei Tag aufmarschieren

©WU Wien

Wien. Unsoziale Arbeitszeiten, fehlende Sichtbarkeit, ausbleibende Anerkennung: Eine Umstellung auf Reinigung in den Geschäftszeiten habe für Beschäftigte und Kunden Vorteile, so die WU.

Reinigungskräfte müssen viele Nachteile in Kauf nehmen, weil ihre Arbeit an die Tagesränder gedrängt wird. Eine jetzt publizierte Studie der WU Wirtschaftsuniversität Wien zeigt: Eine Umstellung auf Reinigung während der Geschäftszeiten könnte viele dieser Probleme beseitigen, so die WU (Sardadvar, K., & Reiter, C., „Von den Tagesrändern zu den Geschäftszeiten: Potenziale und Herausforderungen einer Umstellung auf Tagreinigung“, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft).

Bevor oder nachdem die anderen arbeiten

In Österreichs Büros findet Reinigung meist zu Tagesrandzeiten statt: Beim Reinigungspersonal herrscht also Hochbetrieb, wenn das Büro frühmorgens noch leer oder abends wieder ruhig ist. Für Reinigungskräfte bedeute das nicht nur, dass ihre Arbeit unsichtbar ist und es kaum zu Sozialkontakten zwischen ihnen und den Büroangestellten kommt. Es bedeutet oft auch geteilte Dienste – die Reiniger:innen müssen also frühmorgens und abends arbeiten, mit einer unbezahlten Pause dazwischen.

„Diese geteilten Dienste sind eng verquickt mit Teilzeitbeschäftigung, die nicht existenzsichernd ist“, erklärt Karin Sardadvar vom WU Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung, „denn die kurzen Arbeitszeitfenster machen es schwierig, Vollzeit- oder lange Teilzeitstellen zu schaffen. Hinzu kommt: Die freien Stunden zwischen zwei Teildiensten sind nicht wirklich nutzbar für Freizeit oder Familienleben, hat unsere Forschung gezeigt.“

Die Soziologin beschäftige sich seit über zehn Jahren mit den Arbeitsbedingungen von Reinigungskräften. Vor kurzem hat sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Cornelia Reiter ihre neue Arbeit veröffentlicht, die Potenziale und Herausforderungen einer Umstellung auf Tagreinigung analysiert – also der Reinigung von Büros während der normalen Geschäftszeiten: „In Norwegen gab es seit den siebziger Jahren einen weitreichenden Übergang zu Tagreinigung“, sagt Sardadvar: „Wenn dieser Prozess umsichtig gestaltet wird, ergeben sich daraus Vorteile für alle Seiten.“

Tagreinigung als Win-Win-Win-Situation

Ein Vorteil liege auf der Hand: Die geteilten Dienste entfallen, damit halbieren sich die Anfahrtswege und den Reiniger:innen – es sind zumeist Frauen, überwiegend mit Migrationshintergrund – bleibt mehr Zeit für ihr Familien- und Privatleben. Im besten Fall bedeutet Tagreinigung auch, dass Reinigungskräfte nicht mehr alleine und isoliert arbeiten müssen. Dadurch haben sie mehr sozialen Austausch und auch mehr Gelegenheit, am Arbeitsplatz Deutsch zu sprechen.

„Gebäudereinigung ist ein typisches Beispiel für ‚dirty work‘ – also Tätigkeiten, die als unrein gesehen und oft unsichtbar gemacht werden“, so Sardadvar: Eine höhere Anerkennung von Reinigungsarbeit zu erreichen, bedeute auch, „sozialen Ungleichheiten sowie Rassismus und Klassismus“ entgegenzutreten.

Die Anbieter sind dafür

Auch Reinigungsunternehmen würden eine Umstellung auf Tagreinigung überwiegend positiv sehen. Denn bessere Arbeitsbedingungen machen die Personalsuche einfacher, Beschäftigte sind zufriedener, und auch die Organisation vereinfacht sich durch den Entfall von atypischen Arbeitszeiten.

Selbst für Kund:innen-Unternehmen bringe Tagreinigung Vorteile: Missverständnisse oder Unklarheiten können im direkten Gespräch beseitigt werden, Reiniger:innen sind in dringenden Fällen rascher verfügbar und auch die Kosten können sinken, indem Energie im Gebäude gespart wird.

„Allerdings ist entscheidend, dass der Übergang zu Tagreinigung offen und klar kommuniziert wird“, räumt Soziologin Sardadvar ein: „Sonst entstehen Missverständnisse darüber, welche Aufgaben die Reinigungskräfte haben und wie die Kommunikation mit ihnen ablaufen sollte.“ Im besten Fall würden Reiniger:innen der Belegschaft zu Beginn mit Namen vorgestellt, damit sie Teil des Teams werden können. „Wird die Tagreinigung nicht entsprechend vorbereitet, kann es leider vorkommen, dass Reinigungskräfte schlecht behandelt oder einfach ignoriert werden. Diese Erfahrung haben wir im Zuge von teilnehmenden Beobachtungen gemacht.“

Ein in Teilen nachvollziehbares Gegenargument sei die Sorge vor Störungen, etwa durch laute Staubsauger. Allerdings gebe es mittlerweile technische Hilfsmittel – von Flüsterstaubsaugern bis zu Sensoren, die erkennen, wann Räume gerade nicht genutzt werden –, mit denen man in Norwegen schon gute Erfahrungen gemacht habe, um diese Probleme zu umgehen.

Eine Frage des Bewusstseins

„Die größte Hürde für eine Umstellung zu Tagreinigung ist wohl das fehlende Bewusstsein, dass Reinigungskräfte unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen leiden und dass es Alternativen zur Reinigung zu Randzeiten gibt“, so Sardadvar. Als Chance sieht sie das Thema Corporate Social Responsibility: Schließlich sei auch der Umgang mit Reinigungskräften ein Teil der sozialen Nachhaltigkeit, die sich immer mehr Unternehmen auf die Fahnen heften. Und auch die öffentliche Hand könnte den Umgang zu Tagreinigung beschleunigen. Gerade in Behörden sei es wichtig, Akzente zu setzen und mit gutem Beispiel voranzugehen – etwa indem man Ausschreibungen für Gebäudereinigung entsprechend gestaltet, heißt es.

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