Uni Salzburg. Sind die Pensionen nachhaltig? Ein Autorenteam um den Salzburger Arbeits- und Sozialrechtler Rudolf Mosler will differenziert antworten. Die bekannten Mercer-Studien werden kritisiert.
Immer wieder heißt es, unser Pensionssystem sei nicht mehr finanzierbar. Ob das stimmt, wollen die Experten und Expertinnen in dem vom Salzburger Arbeits- und Sozialrechtler Univ.-Prof. Rudolf Mosler herausgegebenen neuen Buch „Sind unsere Pensionen nachhaltig?“ aus dem Manz-Verlag konkret beantworten. Die Neuerscheinung gibt die Beiträge einer einschlägigen Fachtagung in entsprechend adaptierter Form wieder.
Dabei bemühe man sich um ein differenziertes Bild: Es werden Stärken und Schwächen diskutiert sowie die Maßnahmen aufgezeigt, die in letzter Zeit ergriffen wurden, um die Leistungsfähigkeit des Pensionssystems zu erhalten, aber auch die Schritte genannt, die noch gesetzt werden müssten, wenn das System trotz Alterung der Gesellschaft finanzierbar bleiben soll, heißt es. Rudolf Mosler ist Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS).
„Eine Mixtur aus Recht, Wirtschaft, Politik, Soziologie und Mathematik“
Beim Pensionssystem handelt es sich um einen der wichtigsten, aber auch komplexesten Bereiche der Sozialpolitik. Die Thematik sei derart vielschichtig, dass sogar Sozialrechtler oft Schwierigkeiten hätten, Feinheiten des Pensionssystems zu durchschauen, so Mosler in einer Aussendung: „Die Komplexität liegt nicht einmal in erster Linie daran, dass die einschlägigen Gesetze schwer verständlich sind. Die Materie ist an sich schwierig, weil es sich um eine Mixtur aus Recht, Wirtschaft, Politik, Soziologie und Versicherungsmathematik handelt.“
Umso mehr überrasche es, wenn man Beiträge in diversen Medien, Äußerungen von Politiker:innen oder auch von Interessenvertretungen liest, wonach das Pensionssystem mit einfachen Maßnahmen zu retten ist. „Ganz offenkundig hat Österreich nicht nur hunderttausende Teamchefs im Fußball, sondern auch tausende Pensionsexpert:innen“, so Mosler.
Ein Tagungsband
Der Ärger über so manches Statement habe bei ihm – so Mosler – die Idee zu einer wissenschaftlichen Tagung hervorgebracht, die dann im Mai 2023 an der Universität Salzburg stattfand. Nun liege der Rückblick darauf in Buchform vor. Gleich zu Anfang widmet sich die Neuerscheinung einer Grundsatzfrage, die (oft unausgesprochen) die Debatte entscheidend mitbestimmt: Pensionssysteme sind sehr unterschiedlich ausgestaltet. Ganz grundlegend unterscheidet man solche, die auf dem Umlageverfahren beruhen, von solchen, die auf dem Kapitaldeckungsverfahren basieren:
- Bei Umlage-finanzierten Systemen werden die laufenden Pensionsversicherungsbeiträge der Aktivbeschäftigten zeitgleich als Pensionszahlungen an die Pensionsgeneration „umgelegt“.
- Bei Kapital-finanzierten Systemen werden die Beiträge der Beschäftigten am Kapitalmarkt angelegt, und mit der Pensionierung erfolgt eine Umwandlung des individuellen Kapitalbestands in eine Rente.
Das österreichische System der Sozialversicherungspensionen basiert auf dem Umlageverfahren. In den ersten zwei Kapiteln des Buches werde daher zunächst die Frage nach der Nachhaltigkeit der beiden Systeme gestellt.
Kritik an der Mercer-Studie
Vergleiche zwischen Pensionssystemen sind sehr schwierig, heißt es dazu: Für Verwunderung und teils heftige Reaktionen habe eine Studie aus dem Jahr 2022 gesorgt, in dem das österreichische Pensionssystem nach dem sogenannten „Mercer-Index“ im Vergleich mit 44 ausgesuchten Ländern im letzten Drittel landet und bei der Nachhaltigkeit nach den Philippinen am schlechtesten abschneidet.
„Ein Blick auf die Nachhaltigkeitskriterien zeigt freilich, dass der Mercer-Index ein ganz bestimmtes Verständnis von Nachhaltigkeit verwendet, bei dem Systeme mit Kapitaldeckung grundsätzlich besser abschneiden als solche, die auf dem Umlageverfahren beruhen. Eine seriöse Bewertung der Vor- und Nachteile von Pensionssystemen muss differenzierter agieren“, fordert Mosler. Die Studie kritisierte, dass Österreich zu sehr auf das staatliche Pensionssystem baue, und die zweite und dritte Vorsorgesäule vernachlässige.
„Eine Vielzahl von Pensionsreformen“
In Pensionsdiskussionen wird dem österreichischen Pensionssystem nicht nur Reformbedürftigkeit attestiert, sondern oft auch auf die Reformunwilligkeit der Politik verwiesen. Dass es wenige Reformen in den letzten Jahrzehnten gegeben hätte, könne man bei genauerer Betrachtung allerdings nicht bestätigen, meint Mosler: „Im Gegenteil: Eine Vielzahl von Pensionsreformen, insbesondere die sukzessive Verlängerung des Bemessungszeitraums und die Einführung von Abschlägen bei Inanspruchnahme der Alterspension vor dem Regelpensionsalter, hat zu Pensionskürzungen geführt.“
Da die Verlängerung des Bemessungszeitraums auf 40 Jahre – Stichwort „Lebensdurchrechnung“ – erst 2028 abgeschlossen sei, dürften Neupensionen in den nächsten Jahren auch bei sonst unveränderter Rechtslage eher sinken, heißt es. Freilich seien Österreichs Pensionen im internationalen Vergleich relativ hoch. In einem ausführlichen Kapitel werden alle Maßnahmen zur Pensionssicherung seit dem Jahr 2000 beschrieben.
Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht
Weitere Reformen seien jedenfalls zu erwarten. Das betrifft vor allem das Pensionsantrittsalter. Oft wird gefordert, dass dieses nach dem Vorbild Schwedens an die Lebenserwartung gekoppelt wird. Das ist allerdings durchaus umstritten, wie ein Kapitel mit einem Überblick über die schwedische Pensionsdiskussion zeigen soll.
Aus der Sicht der einzelnen Versicherten sei besonders interessant, ob sie sich darauf verlassen können, dass eine Anwartschaft oder ein einmal erreichtes Pensionsniveau für die Zukunft gesichert ist. „Einen ausdrücklichen einfachgesetzlichen oder gar verfassungsrechtlichen Schutz gibt es nicht. Es fällt also in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern. Allerdings gibt es einen Vertrauensschutz gegen plötzliche und erhebliche Eingriffe“ erklärt Mosler.
Das Autor:innenteam
Die Themen im Buch werden von folgenden Expert:innen aus den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften diskutiert:
- Erich Hirsch (Österreichische Pensionsversicherungsanstalt)
- Alexander W. Huber (WU Wien)
- Klaus Kapuy (Österreichische Pensionsversicherungsanstalt)
- Christine Mayrhuber (WIFO)
- Rudolf Mosler (PLUS)
- Rudolf Müller (PLUS)
- Wolfgang Panhölzl (AK Wien)
- Lisa Pelling (arena Idé Stockholm)