Wien. Die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) verhängte 2023 Strafen in Höhe von 51,2 Mio. Euro. Und das Kartellgericht verurteilte allein die Baubranche zu 175 Mio. Euro Geldbußen.
Im Jahr 2023 prüfte die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) 294 Zusammenschlüsse von Unternehmen, geht aus ihrem Tätigkeitsbericht hervor. Insgesamt 51,2 Mio. € an Geldbußen wurden auf BWB-Antrag durch das Kartellgericht über Unternehmen verhängt, die Verstöße gegen das österreichische oder europäische Wettbewerbsrecht begangen haben. Laut Bericht stellte die Behörde zur Wahrung des Wettbewerbs im Vorjahr über 40 derartige Anträge an das Kartellgericht, so die Parlamentskorrespondenz.
BWB setzt „Meilensteine“ am Bau
„Meilensteine“ bei der Arbeit der BWB gab es 2023 nach Einschätzung der Generalsekretärin für Wettbewerb, Natalie Harsdorf-Borsch, bei der Aufarbeitung des Baukartells. Laut Harsdorf-Borsch konnten in diesem Zusammenhang mehrere Verfahren mit einer Gesamtsumme von 175,81 Mio. € an Geldbußen abgeschlossen werden. Als weitere Bereiche der Kartellverfolgung nennt sie die Meinungsforschung, den Markt für Schweißtechnik sowie den Fassadenbau.
Harsdorf-Borsch, die nach zweijähriger interimistischer Leitung der BWB im November 2023 in ihr Amt bestellt wurde, verdeutlicht im Vorwort des Berichts auch ihre makroökonomische Sichtweise. Ihr zufolge ist „auf die Kraft des Wettbewerbs zu setzen“, um den inflationsbedingten Preissteigerungen im Alltag beizukommen.
Rechtswidrige Zusammenschlüsse und Preisabsprachen
Schließt sich ein Unternehmen mit einem anderen zusammen, etwa durch Kauf oder Verschmelzung, muss ab einer bestimmten Umsatzschwelle behördlich geprüft werden, ob das Vorhaben dem Kartellgesetz entspricht. Seit 2002 übernimmt in Österreich die Bundeswettbewerbsbehörde diese Prüfungen. Die aufgrund von Anträgen der BWB erzielten Einnahmen aus Geldbußen sowie die Pauschalgebühren von 6.000 € für Zusammenschlussanmeldungen fließen nicht in das Budget der Bundeswettbewerbsbehörde, sondern grundsätzlich in das allgemeine Bundesbudget. Die 294 Zusammenschlussanmeldungen im Jahr 2023 resultierten somit in Einnahmen von mehr als 1,76 Mio. €.
Wegen Preisabsprachen, Marktaufteilungen und des Austauschs wettbewerbssensibler Informationen verhängte das Kartellgericht im Dezember 2023 Geldbußen von 175,81 Mio. € für die Bildung des Baukartells. Die entsprechenden Ermittlungen hatten 2017 gestartet. Ermittelt wurde bei mehr als 40 Unternehmen wegen wettbewerbswidriger Praktiken zu Lasten von Ländern, Gemeinden und privaten Auftraggeber:innen.
Lebensmittelbranche im Fokus
In den Fokus nahm die BWB im Vorjahr auch die Wettbewerbssituation in der Lebensmittelbranche. Vor dem Hintergrund signifikanter Preissteigerungen bei sämtlichen Produktgruppen in Österreich verglichen mit anderen europäischen Ländern wurden 700 Handelsunternehmen und 1.500 Lieferanten untersucht, außerdem gab es Befragungen bei 1.000 Konsumenten und Konsumentinnen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Die Branchenuntersuchung ergab, dass die Lebensmittelindustrie für gleiche Produkte entsprechend ihren Länderstrategien in den jeweiligen Staaten teilweise unterschiedliche Preise verrechnet. Zahlreiche Lieferanten führten zudem unlautere Handelspraktiken wie einseitige Vertragsänderungen, Zahlungen ohne eine Verbindung zu Lieferungen und Zahlungen für unverschuldeten Qualitätsverlust ins Treffen. Die BWB übermittelte diesen Sachverhalt an die Europäische Kommission, weil sie darin eine Thematik für den EU-Binnenmarkt sieht. Insgesamt hat es laut BWB jedoch keinen Hinweis auf Versuche des Lebensmittelhandels gegeben, während der von 2022 bis 2023 steigenden Inflation die Handelsspannen durch zusätzliche Preisaufschläge zu vergrößern.
Dennoch empfiehlt die BWB, Maßnahmen zur Erhöhung der Preistransparenz für Konsument:innen zu setzen, Irreführungen bei Preisnachlässen zu ahnden, den Verbraucherschutz zu stärken und den Lieferanten mehr Rechtssicherheit zu geben.
Taskforce für Strom- und Gasmärkte
Gemeinsam mit der E-Control durchleuchtet die Bundeswettbewerbsbehörde in einer Taskforce die Strom- und Gasmärkte auf Ursachen für den rückgängigen Wettbewerb sowie die Plausibilität von heimischen Preissteigerungen in diesem Bereich. Weiters wird Hinweisen auf Marktmachtmissbrauch und Kartellierung nachgegangen. Überprüft wird außerdem, welche Wirkung die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen wie die „Stromkostenbremse“ entfalten beziehungsweise ob es in diesem Zusammenhang von Anbieterseite konkrete wettbewerbswidrige Praktiken gibt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden in einem eigenen Abschlussbericht veröffentlicht. Grundlage dafür bilde eine Empfehlung der Wettbewerbskommission, angesichts der krisenbedingten Energiepreisentwicklungen die Weitergabe von Preisänderungen an Konsument:innen und Unternehmen in Augenschein zu nehmen.