Interview. Geschäftsflächen für den Handel werden in guten Lagen auch in wirtschaftlich flauen Zeiten nachgefragt, doch Randlagen bauen ab, sagen die Colliers-Profis Tanja Tanczer und Dietmar Steger (aus dem neuen eBook Immobilien für Einsteiger von Extrajournal.Net).
Extrajournal.Net: Wie entwickelt sich die Nachfrage speziell bei Retail-Immobilien – einerseits in den starken Innenstadtlagen und andererseits in Randlagen? Zeigen sich Auswirkungen der Insolvenzen in der Signa-Gruppe auf den Markt?
Tanja Tanczer: Die Nachfrage in der Innenstadt bleibt konstant hoch, insbesondere im Luxussegment zeichnet sich eine positive Entwicklung ab. Randlagen hingegen wurden in den letzten Jahren weniger nachgefragt, stehen zunehmend unter Druck und verzeichnen immer wieder Leerstände. Durch die Insolvenz der Signa sind in der Innenstadt keine Veränderungen und Auswirkungen zu beobachten. Die Insolvenz der Signa hat bisher keine spürbaren Veränderungen in der Innenstadt zur Folge gehabt. An der Mariahilferstraße hingegen ist die Nachfrage nach Flächen in der Nähe von Lamarr zurückgegangen, und es herrscht eine abwartende Stimmung hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung von Lamarr.

Große internationale Investoren waren früher insbesondere auf dem österreichischen Immobilienmarkt – vor allem dem Büromarkt – deutlich präsent. Wie sieht es derzeit aus?
Dietmar Steger: Das Niedrigzinsumfeld der vergangenen Jahre hat den österreichischen Immobilienmarkt zu einem mehr und mehr international geprägten Investmentmarkt gemacht. Waren es früher überwiegend lokale und deutsche institutionelle Investoren, so haben bis Mitte 2022 zunehmend auch internationale Investoren, v.a. aus UK und Korea, Österreich als attraktiven Investmentstandort entdeckt. Bei ähnlicher Stabilität und Sicherheit im Vergleich zu den deutschen Top 7 Standorten in Deutschland, haben v.a. die attraktiveren Renditen Wien in den Fokus der internationalen Käufer gerückt. Büro war hier im langjährigen Durchschnitt die am stärksten nachgefragte Assetklasse – durch die Yield Compression im gewerblichen Bereich, wurden aber auch die niedriger rentierlichen Residential Investments für institutionelle Investoren attraktiv.
Investoren warten auf passende Gelegenheiten
Aktuell zeigt sich der Markt noch zurückhaltend. Wir beobachten aber zunehmende Bereitschaft der Investoren, wenn sich passende Gelegenheiten bieten. Gefragt sind Logistik, Wohnen und Infrastruktur. Hotels – sowohl Business als auch Leisure – sind aufgrund der gestiegenen Nächtigungszahlen auch wieder en vogue. Büroobjekte sind, pandemiebedingt, differenziert zu sehen. Erheblich reduzierter Flächenbedarf in Folge von Home Office und Desk Sharing haben nachhaltige Veränderung in der Arbeitswelt mit sich gebracht. Für Objekte in guten bis sehr guten Lagen mit hoher Nachvermietungswahrscheinlichkeit gibt es, bei moderaten Preisabschlägen, entsprechende Nachfrage. Objekte in B- und C-Lagen hingegen, mit kurzen Laufzeiten, Instandhaltungs-, Konvertierungs- bzw. ESG Themen müssen sich neu positionieren. Passende Käufer finden sich bei Renditeaufschlägen ab 250 bis 300 Basispunkten gegenüber dem Vorkrisenniveau.
Die Interviewpartner
Tanja Tanczer ist Head of Retail bei Colliers in Wien.
Dietmar Steger ist Head of Capital Markets bei Colliers in Wien.
Link: Colliers