Beschluss & Debatte. Organisationen können im Namen von mindestens 50 Verbraucher:innen Unternehmen künftig auf „Abhilfe“ klagen – das bedeutet vor allem Schadenersatz. Doch auch für die Unternehmen soll es Vorteile geben.
Der Nationalrat hat die Möglichkeit der Verbandsklage auf Schadenersatz beschlossen: Verbraucherschutzeinrichtungen können im kollektiven Interesse von mindestens 50 Verbraucher:innen künftig Unternehmen auf Abhilfe, also etwa auf Schadenersatz, klagen.
Zur Verbandsklage auf Unterlassung wird außerdem ein weiterer Rechtsschutzweg ermöglicht. Im Nationalrat sprach sich für die Neuerungen neben den Koalitionsparteien ÖVP und Grüne auch die FPÖ aus. Die FPÖ brachte außerdem einen Entschließungsantrag ein und forderte eine Evaluierung der neuen Regelungen bis zum 31. Dezember 2026, blieb damit aber in der Minderheit, wie die Parlamentskorrespondenz berichtet.
Was die neue Verbandsklage bringt
Neben der neuen Verbandsklage auf Schadenersatz von mindestens 50 Verbraucher:innen soll eine in der Regierungsvorlage ebenfalls geregelte Verbandsklage auf Unterlassung den bereits vorhandenen Rechtsschutz durch Verbandsklagen unberührt lassen. Es soll dabei aber ein paralleler Rechtsschutzweg ermöglicht werden, der den qualifizierten Konsumentenschutzeinrichtungen – beispielsweise Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer oder Gewerkschaft – die Wahl lässt, nach welchen Bestimmungen sie eine allfällige Klage erheben wollen.
In erster Instanz soll für alle Verbandsklagen ausschließlich das Handelsgericht Wien zuständig sein. Ermöglicht wird außerdem die Drittfinanzierung von Verbandsklagen auf Schadenersatz bzw. Abhilfe.
Hürde „sehr niedrig“ angesiedelt
Nach langer Umsetzungszeit seien nunmehr die Stellungnahmen aus der Begutachtung nicht berücksichtigt worden, bemängelte Christian Drobits (SPÖ). Kritisch sehe er auch die Hürde mit 50 Betroffenen, aus seiner Sicht würden hier 10 bis 20 Personen ausreichen. Außerdem sei die Qualifikation für weitere Einrichtungen, die solche Klagen durchführen können sollen, sehr niedrig angesiedelt. Auch Peter Wurm (FPÖ) hält die Hürde von 50 Betroffenen zu hoch, kündigte aber seine Zustimmung an. Die Grenze von 20% für eine Prozesskostenfinanzierung halte er für sinnvoll.
Ulrike Fischer (Grüne) sieht in den Regelungen demgegenüber einen „Meilenstein des Verbraucherschutzes“. Damit werde eine Last von den Schultern der Konsument:innen genommen und ihnen mit Verbänden die Möglichkeit gegeben, gesammelt vor Gericht zu gehen. Man habe lange verhandelt, das Projekt könne sich nunmehr sehen lassen.
„Auch für Unternehmen wichtig“
Katharina Werner (NEOS) meinte, dass Verbandsklagen sowohl für Konsument:innen als auch für Unternehmen eine wichtige Möglichkeit darstellen. Letztere hätten dann jeweils nur einen Prozess zu führen und nicht viele. Sie bemängelte aber unter anderem, dass die Prozesskostenfinanzierung bis zu 20% Anteil möglich sei, in Deutschland seien das nur 5%. Für neue Vereine brauche es außerdem zusätzliche Schranken, so Werner.
Michaela Steinacker (ÖVP) zufolge ist mit den Regelungen ein ausgewogenes System gelungen. Mit den 50 Betroffenen wolle man verhindern, dass es in Europa unterschiedliche Systeme gebe. Auch hinsichtlich der Prozesskostenfinanzierung und der qualifizierten Einrichtungen sei ein gutes Mittelmaß gefunden worden.
Das Gesetz stelle einen Meilenstein für Verbraucher:innen dar, ihr Recht gegenüber Konzernen durchzusetzen, sagte Justizministerin Alma Zadić. Für Organisationen gebe es strenge Voraussetzungen, um zur qualifizierten Einrichtung erhoben werden zu können. Der zentrierte Gerichtsstand beim Handelsgericht Wien soll laut der Ministerin unter anderem das Finden von Betroffenen erleichtern.