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Gastbeitrag zur Verbandsklage: Die echte Sammelklage startet in Österreich

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Unternehmen & Class Actions. Die Einführung der echten Sammelklage in Österreich hat beträchtliche Auswirkungen für Unternehmen, schreiben die Anwälte von Kanzlei Akela in einem Gastbeitrag.

Im Juli 2024 wurde in Österreich die Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle (VRUN) verabschiedet, die erstmals die Möglichkeit einer echten Sammelklage einführt. Diese neue Regelung erlaubt qualifizierten Einrichtungen, nicht nur Unterlassungsklagen zu erheben, sondern auch Verbraucheransprüche auf „Abhilfe“ gesammelt gerichtlich geltend zu machen, schreiben AKELA Partner Hannes Schlager und Patricia Stiller, Rechtsanwaltsanwärterin, von der AKELA Rechtsanwältinnen GmbH in Wien.

Bisherige Verbands- und Sammelklagen in Österreich

Schon vor der VRUN gab es in Österreich verschiedene Arten von Verbands- und Sammelklagen. Diese Klagsarten bleiben weiterhin bestehen (die neue QE-Sammelklage kommt als zusätzliche Option hinzu):

  • AGB-Verbandsklage (§§ 28 ff KSchG): Hier können bestimmte Verbände eine Unterlassungsklage gegen Unternehmen einreichen, die unzulässige AGB-Klauseln verwenden. Individuelle Verbraucheransprüche müssen jedoch separat geltend gemacht werden.
  • Wettbewerbsrechtliche Verbandsklage (§ 14 UWG): Diese Klageform erlaubt es Verbänden, gegen unlautere Geschäftspraktiken vorzugehen. Auch hier sind nur Unterlassungsansprüche möglich.
  • Sammelklage österreichischer Prägung: Diese Sammelklage ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, sondern hat sich in der Praxis als „prozessuales Hilfskonstrukt“ entwickelt. Verbraucher treten dabei ihre Individualansprüche an einen Verband oder sonstigen Rechtsträger (Verein) ab, der diese Ansprüche dann gesammelt im eigenen Namen einklagt. Diese Methode ist prozessual komplex und führt in der Praxis oft zu (langwierigen und kostspieligen) Nebenstreitigkeiten über prozessuale Punkte (zB Zulässigkeit der Klage, Zuständigkeit des angerufenen Gerichts).

Die neue Sammelklage nach VRUN/QEG

Die VRUN ist ein Sammelgesetz und enthält das neue Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz (QEG) sowie die erforderlichen Änderungen im Gebühren- und Prozessrecht.

Die QE-Sammelklagen sind keine echten Gruppenklagen, bei denen sich Verbraucher zusammenschließen und zu einer Klagsführung entscheiden können. Nur bestimmte Qualifizierte Einrichtungen („QE“), die unabhängig sind, ohne Erwerbszweck agieren und sich dem Verbraucherschutz verschrieben haben, können QE-Sammelklagen erheben. Dies schließt etablierte Organisationen (BAK, VKI, VSV) ein, ermöglicht aber auch neuen Akteuren den Zugang zu QE-Sammelklagen. Grundsätzlich kann jede österreichische juristische Person beantragen, als QE anerkannt zu werden.

Die VRUN ist ein Beispiel für das in Österreich bei der Umsetzung von EU-Richtlinien häufige „Gold Plating“. Nach der EU-Verbandsklagen-Richtlinie sollte die neue Sammelklage nur für Verstöße gegen bestimmte EU-Rechtsakte zur Verfügung stehen. Der österreichische Gesetzgeber hat sich jedoch zu einer erheblichen Erweiterung entschlossen. Eine QEG-Sammelklage kann nunmehr gegen jedes rechtswidrige Verhalten eines Unternehmers erhoben werden, welches die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht.

Eine wesentliche Neuerung liegt in der neuen Sammelklage auf Abhilfe. Neben Unterlassungsansprüchen kann eine QE damit auch Ansprüche zahlreicher Verbraucher auf Schadenersatz, Reparatur, Ersatzleistung, Preisminderung, Vertragsauflösung oder Preiserstattung bündeln und einklagen. Eine komplizierte Abtretungskonstruktion bedarf es dafür nicht. Mindestens 50 Verbraucher müssen sich einer solchen Abhilfeklage anschließen. Diese Hürde wird in der Praxis aber wohl leicht zu überwinden sein.

Bedeutung für Unternehmen

Die Einführung der neuen QE-Sammelklagen bringt eine weitere Stärkung des Verbraucherschutzes mit sich. Diese Änderung betrifft vor allem Unternehmen, die in der Vergangenheit bereits regelmäßig mit Verbandsklagen konfrontiert waren, wie etwa Banken, gewerbliche Vermieter, Versicherungsunternehmen oder Mobilfunkanbieter. Auch andere Branchen, die häufig in Verbraucherstreitigkeiten involviert sind, sollten sich auf verstärkte rechtliche Auseinandersetzungen einstellen.

Die Möglichkeit der Klagsführung auf Zahlung, die Zulässigkeit der Prozessfinanzierung, die konzentrierte Verfahrensführung vor dem Handelsgericht Wien und die Öffnung der QE-Sammelklagen für jede österreichische Verbraucherschutzorganisation führen dazu, dass der Zugang von Verbrauchern zu gerichtlicher Hilfe deutlich einfacher, günstiger und niederschwelliger wird.

Unternehmen sollten daher ihre bestehenden Vertragswerke und Geschäftsprozesse verstärkt auf Compliance mit einschlägigen Gesetzen und der maßgeblichen Judikatur prüfen. Ein proaktives Claim Management und entsprechender Kundenservice können Sammelverfahren ebenfalls vorbeugen. Denn Sammelklagen entstehen stets dort, wo eine Vielzahl an Verbrauchern unzufrieden oder benachteiligt ist.

Die Autorinnen und Autoren

Hannes Schlager, Partner, und Patricia Stiller, Rechtsanwaltsanwärterin, beide AKELA Rechtsanwältinnen GmbH, Wien.

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