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Zukunft der coolen Internet-Domain „.io“ ungewiss: Briten geben Inselchen zurück

©ejn

World Wide Web. Viele Digital-Startups setzen auf einen Namen mit „.io“ am Ende. Doch diese Top-Level-Domain steht nicht für Datenströme, sondern für ein winziges Inselreich, das bald zu existieren aufhört. Die Regeln für verwaiste Domains sind streng.

Es war eher eine Randnotiz der internationalen Politik in der vergangenen Woche, doch für eine beliebte Top-Level Domain könnte es weltweite Auswirkungen haben: Großbritannien wird die Chagos-Inseln im Indischen Ozean an Mauritius abgeben – darauf haben sich die beiden Staaten nach jahrzehntelangen Verhandlungen nun geeinigt. Eine Ausnahme bildet lediglich die zu Chagos gehörende Insel Diego Garcia mit seinem wichtigen US-Militärstützpunkt.

Der Deal hat den Sanktus von US-Präsident Joe Biden, auch Indien ist dafür. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat bereits 2019 zugunsten von Mauritius entschieden: Das Chagos-Archipel war im Jahre 1965 durch die britische Verwaltung von Mauritius abgespalten worden – als dessen baldige Unabhängigkeit bereits absehbar war. Das Ganze war völkerrechtswidrig, urteilte Den Haag. Nach knapp 60 Jahren kehren die Inseln also zurück – ein Beweis dafür dass langes, ausdauerndes Verhandeln der Gerechtigkeit zum Durchbruch verhelfen kann, meint US-Präsident Biden.

Bloß 3.500 Seelen, aber eine weltbekannte Domain

Um die ganze Sache von der weltpolitischen Bedeutung her einzuordnen: Das Chagos-Archipel hat 63 Quadratkilometer Landfläche, die Zahl der Einwohner:innen liegt bei 3.500. Als Gebietskörperschaft ist Chagos also in etwa so groß wie die Gemeinde Heidenreichstein in Niederösterreich. Doch im Gegensatz zu anderen Gebietskörperschaften haben die Chagos-Inseln mit „.io“ eine eigene Internet-Top-Domain – so wie Österreich „.at“ oder Deutschland „.de“ hat. Also eine sogenannte ccTLD, was für „Country code Top-Level Domain“ steht.

Mit dem Boom des World Wide Web erlangte das „.io“ der kleinen Inseln rasch internationale Beliebtheit – es klang nämlich nach „Input/Output“ (I/O), digitalen Datenströmen und damit ganz generell nach „Tech“. Viele Startups wählten daher eine Webadresse mit der Endung .io, um damit ihre Zugehörigkeit zur virtuellen Welt zu demonstrieren.

Was sie aber eigentlich damit besiegelten, war ihre Zugehörigkeit zu dem Inselreich, das nun in der größeren Jurisdiktion Mauritius aufgeht. Damit droht „.io“ durch die zuständige Internet-Körperschaft ICANN aufgehoben zu werden, so wie das in der Vergangenheit bereits in fünf anderen Fällen geschehen ist. Die Regeln der ICANN sind einfach, fasst das auf Domains spezialisierte Portal Domainincite.com zusammen – es muss einen international genormten Landescode geben, dieser wird zur Domain: „Your territory has to be on the ISO 3166 list and the ccTLD has to match the code ISO gives you.“

.io steht für „British Indian Ocean Territory“

So hat beispielsweise Österreich deswegen „.at“, weil unser ISO 3166-Landescode „AT“ lautet. Mit dem Ende von Chagos als eigenständigem Staat (bzw. britischer Kolonie) droht den Inselchen jetzt die Streichung von der ISO 3166-Liste. Und dann wird auch die TLD gestrichen, so wie ICANN das in der Vergangenheit beispielsweise im Fall von Jugoslawien („.yu“) getan hat.

Theoretisch wäre es möglich, dass Chagos auch unter der Flagge von Mauritius eine eigenständige geographische Einheit bleibt, inklusive eigener TLD. Die Entscheidung liegt bei Mauritius, das sich dazu noch nicht geäußert hat. Doch würde die Top-Level-Domain von Chagos dann weiterhin „.io“ lauten?

Grundsätzlich könnte Mauritius bei der ICANN einen entsprechenden Antrag stellen, heißt es. Wirtschaftlich wäre es zweifellos sinnvoll – mehrere hunderttausend Domain-Inhaber, die sich ihr „.io“ jedes Jahr nicht unbeträchtliche Gebühren kosten lassen, hoffen zweifellos darauf. Doch politisch gibt es ein Problem: Für Mauritius ist das Ganze eine Frage der nationalen Souveränität – und die TLD „.io“ wurde seinerzeit ausgerechnet von „British Indian Ocean Territory“ abgeleitet. Natürlich könnten die Behörden auf Mauritius sich augenzwinkernd für „Mauritius Indian Ocean Territory“ entscheiden, wie Kommentatoren auf dem Portal hoffen.

Auf .ch sitzt schon die Schweiz

Wenn aber nicht, wird es schwierig: Stellt Mauritius den Antrag auf eine völlig neue TLD für das Chagos-Archipel, so sehen sich die coolen Digital-Startups möglicherweise bald mit einer eher unschönen Namensgebung konfrontiert: Rund um den Buchstaben „c“ ist auf der ISO-Liste nämlich so gut wie nichts mehr frei, so das Portal. Insbesondere die logische Wahl „.ch“ ist prominent besetzt, steht sie doch für „Confoederatio Helvetica“, die Schweizerische Eidgenossenschaft. Die Endung „.cj“ wäre noch frei – werde aber kaum die Wünsche der internationalen Domain-Inhaber nach einem „Tech“-Image erfüllen.

Ein Trost bleibt den hippen Startups: Bei den Country-Code Top-Level-Domains mahlen die Mühlen im Internet manchmal sehr langsam. Bekanntlich brach die frühere Volksrepublik Jugoslawien im Jahr 1992 im Gefolge blutiger Kriege auseinander, das offizielle Ende als Staat kam dann 2003. Gestrichen hat die ICANN die ccTLD „.yu“ aber endgültig erst im Jahr 2010.

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