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Business, Finanz

Plötzlich Börse-Boom in China: Ein kurzfristiges Ereignis, fürchtet FERI

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Börsen & Zocker. China will mit Zinssenkungen und Förderungen seine Wirtschaft stützen: Nach der Ankündigung stiegen chinesische Aktien um 25 Prozent. Das deutsche Geldhaus FERI bleibt skeptisch.

Die von der chinesischen Zentralbank beschlossenen Zinssenkungen und vom Politbüro der Kommunistischen Partei angekündigten Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft haben seit der letzten Septemberwoche ein Kursfeuerwerk am chinesischen Aktienmarkt ausgelöst. Konkret stieg der SSE Composite Index der Börse Shanghai innerhalb von zwei Wochen (bis 8. Oktober) von 2.800 auf 3.490 Punkte, das ist ein Plus von 24,6 Prozent. Die Volatilität ist allerdings hoch: Schon am 9. Oktober brach der SEE Composite Index auf 3.258 Punkte ein.

Tatsächlich gibt es viele Skeptiker, die nicht an einen nachhaltigen Aufschwung des chinesischen Aktienmarktes glauben. Dafür werden einerseits politische Argumente angeführt – die Freude der Kommunistische Partei Chinas an ihrer nationalen Kapitalismus-Variante ist bekanntlich in den letzten Jahren deutlich erkaltet. Zweitens werden auch gravierende wirtschaftliche Gründe genannt.

„Komplexe Herausforderungen für die chinesische Führung“

Es sei noch nicht erkennbar, dass der neue Stimulus tatsächlich zu einem nachhaltigen Aufschwung der chinesischen Wirtschaft führen wird. Dazu sind die Herausforderungen, mit denen die chinesische Führung derzeit konfrontiert ist, zu komplex, formuliert es das Research des deutschen Vermögensverwalters FERI in einer Aussendung.

Der Entschluss der Regierung, die im Immobiliensektor über lange Zeit entstandenen Exzesse abzubauen, habe dazu geführt, dass die Immobilienpreise seit rund zwei Jahren sinken, schreibt Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe. Das habe die chinesische Wirtschaft in eine Liquiditätsfalle bewegt: Sinkende Zinsen führen nicht zu einer Belebung der Investitionstätigkeit, weil die Akteure angesichts des hohen Überangebots an Wohnungen mit anhaltend sinkenden Preisen rechnen.

Anders als beabsichtigt habe dies eine Kettenreaktion mit gesamtwirtschaftlich gravierenden Folgen ausgelöst: Wegen der aus den sinkenden Immobilienpreisen resultierenden Vermögensverluste wird auch der private Konsum massiv beeinträchtigt, was wiederum die gesamtwirtschaftliche Dynamik erheblich bremst. Der Versuch, dem mittels steigender Exporte entgegenzuwirken, sei nur in begrenztem Maße erfolgreich, weil die Weltwirtschaft insgesamt schwächelt und sowohl die US-amerikanische Regierung als auch neuerdings die EU-Kommission Maßnahmen gegen die Flutung ihrer Märkte mit günstigen chinesischen Produkten ergreifen.

Sanierung des Immobilienmarktes braucht mehr Zeit

Die bisherigen Schritte zur Stabilisierung der Wirtschaft waren jeweils nur kurzzeitig erfolgreich. So stellte die Zentralbank 500 Milliarden Yuan für den Kauf leerstehender Wohnungen durch lokale staatliche Unternehmen bereit, wovon bisher nur 25 Milliarden genutzt wurden, da das Geschäft für die Firmen offenbar unattraktiv ist. Zudem gibt es Widerstand von Hausbesitzern, die auf Dauer geringere Marktpreise und eine ungünstige Veränderung der Sozialstruktur in ihren Wohnvierteln befürchten, wenn ein Großteil der Häuser als Sozialwohnungen vermietet wird.

Für eine nachhaltige Stabilisierung der Immobilienpreise wäre laut FERI jetzt kein kleines, sondern im Gegenteil ein großes Zentralbankprogramm notwendig, wie es zuletzt im Jahr 2015 der Fall war. Die derzeitigen Maßnahmen bleiben in ihrem Umfang deutlich dahinter zurück und zielen vor allem darauf ab, das BIP-Wachstumsziel von 5% zu erreichen und ein weiteres Abrutschen der Wirtschaft zu verhindern. Dieses Ziel immerhin dürfte wohl erreicht werden, zumal die Führung in Aussicht gestellt hat, die Maßnahmen bei Bedarf auszuweiten, heißt es.

Weltpolitische Ambitionen statt hohem Wachstum?

Eine dauerhaft deutlich höhere Wachstumsdynamik sei jedoch unwahrscheinlich: Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die chinesische Führung unter Xi Jinping ihre Prioritäten grundsätzlich verändert hätte, und diese Prioritäten liegen gerade nicht in einer hohen Wachstumsdynamik, sondern in möglichst umfassender Kontrolle und der Verfolgung spezifischer Ziele zur Stärkung (welt-)politischer Ambitionen, so FERI.

Aufschlußreich war in den Augen von Angermann die ausbleibende Reaktion des Ölpreises auf die neuen Stützungsmaßnahmen: Würde Chinas Wirtschaft tatsächlich auf einen höheren Wachstumspfad einschwenken, hätte das erfahrungsgemäß den Ölpreis deutlich steigen lassen, da China weiterhin zu den größten Ölkonsumenten zählt.

Und was bedeutet das alles für Aktien-Investments? Bei chinesischen Aktien ergebe sich für professionelle Investoren angesichts der bisherigen dramatisch niedrigen Bewertung eine „taktische Opportunität“. Die strategischen Perspektiven bleiben allerdings verhalten, formuliert es FERI.

Die Investmentbank Goldman Sachs sieht in einer aktuellen Analyse immerhin ein Anstiegspotenzial von weiteren 20 Prozent für den chinesischen Aktienmarkt. Die Wachstumsprognose für die chinesische Wirtschaft hat Goldman Sachs allerdings gleichzeitig von 5 Prozent auf 4,7 Prozent 2024 reduziert.

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