Open menu
Bildung & Uni, Nova, Recht

Protokolle im Parlament: Damit nicht gefälscht wird „wie es die Herren brauchen“

Bundesversammlungssaal ©Parlamentsdirektion / Hertha Hurnaus

Geschichte der Demokratie. Einmalige Dokumente aus der Entstehungszeit der Parlamentsstenografie sind jetzt in einer Ausstellung zu sehen: Alles begann 1897 mit Fälschungsvorwürfen im NÖ-Landtag.

Die Parlamentsbibliothek zeigt den „Stein von Rosette der Parlamentsstenografie“, so die Parlamentskorrespondenz: Ein unerwarteter Fund im Parlamentsarchiv gibt demnach Einblick in die Entwicklung der Stenographischen Protokolle in Österreich.

„So etwas kann man nicht suchen, nur finden“

Die Entstehung der Parlamentsstenografie ist demnach eng mit dem Aufstieg des parlamentarischen Systems im 19. Jahrhundert verbunden. Eine im Zuge der Arbeiten am Detailverzeichnis des Parlamentsarchivs aufgetauchte Sammlung von Dokumenten aus dem Jahr 1897 bestätigt nun historische Berichte über die Arbeitsweise des „Stenographenbüros“ der damaligen Zeit. „So etwas kann man nicht suchen, das kann man nur finden“, sagt die Parlamentsarchivarin Doris Alice Corradini.

Sie meint damit einen historischen Akt des Abgeordnetenhauses, der passend zur Fachtagung der Parlamentsstenograf:innen, die dieser Tage im österreichischen Parlament stattfindet, einen Einblick in die Arbeit der Stenografen des Reichsrats gibt (die Tätigkeit wurde damals ausschließlich von Männern ausgeübt). Der Reichsrat war von 1861 bis 1918 das Parlament des Kaisertums Österreich bzw. der österreichischen Reichshälfte der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn.

„Stein von Rosette“

Eine besondere Bedeutung haben die Dokumente nicht nur, weil an ihnen die Bearbeitungsschritte, vom Stenogramm über die Transkription zum gedruckten Protokoll, klar nachvollzogen werden können. Sie erlauben auch, das heute nicht mehr verwendete und daher weitgehend in Vergessenheit geratene Gabelsberger System der Kurzschrift zu studieren, heißt es weiter.

Stenogramme vom 18. Jänner 1897 ©Parlamentsdirektion / Michael Buchner

Derzeit wird der Akt von der Parlamentsbibliothek unter dem Titel „Stein von Rosette der Parlamentsstenografie“ der Öffentlichkeit gezeigt: Stenogramme, Transkript und gedruckte Rede können im „Schaufenster ins Archiv“ im Eingangsbereich der Parlamentsbibliothek in Augenschein genommen werden. Im Internet finden sich die Dokumente unter „Blick ins Archiv “.

Die Namensgebung soll übrigens die Bedeutung des Fundes illustrieren: Mit dem originalen Stein von Rosette gelang es, die altägyptischen Hieroglyphen zu entziffern – der 2.200 Jahre alte Stein trägt Inschriften sowohl in Hieroglyphen wie in griechischer Sprache.

Zwei Stenographen und ein Ober-Stenograph arbeiten gleichzeitig

Doppelt hält besser war auch das Motto der Parlamentsstenographen in der Donaumonarchie – oder eigentlich sogar dreifach: Dem historischen Fund nach wurden im 19. Jahrhundert – lange vor der breiten Einführung von Tonaufnahmen – die Debatten in den beiden Kammern des Reichsrats zeitgleich von zwei Personen mitstenografiert. Die „Kammerstenographen“, die sich in kurzen Abständen abwechselten, erstellten den Grundtext des Protokolls. Parallel zu ihnen fertigte ein „Revisor“ eine stenografische Mitschrift an. Diese wurde zur Kontrolle der von den Kammerstenographen angefertigten Reinschrift herangezogen.

Der im Parlamentsarchiv erhaltene Akt enthält zwei originale Stenogramme: die Niederschrift einer Rede durch einen Kammerstenographen und die dazugehörige Mitschrift eines Revisors. Dazu kommt die handschriftliche Übertragung in Kurrentschrift mit den Korrekturen des Redners sowie das Endprodukt, das gedruckte Stenographische Protokoll.

„Wie es die Herren brauchen“

Corradini erläutert, dass der Akt einen Streit um die Zuverlässigkeit der Stenographischen Protokolle dokumentiert, der im Jahr 1897 im Niederösterreichischen Landtag seinen Ausgang nahm. Den Parlamentsstenografen sei unterstellt worden, dass sie die Protokolle fälschen würden, „wie es die Herren brauchen“.

Um diesen schwerwiegenden Vorwurf zu entkräften, habe der Reichsrat eine eigene Untersuchungskommission eingerichtet, die die beiden Stenogramme und deren Transkript „schriftkundigen“ Abgeordneten vorlegte. Diese bestätigten, dass die Stenographen eine getreue Mitschrift der Verhandlungen abgeliefert hatten.

Und heute? Zwar gibt es längst audiovisuelle Übertragungen der Sitzungen des Nationalrats, doch auch im 21. Jahrhundert sind die Parlamentsstenografen und Parlamentsstenografinnen dabei: Sie sitzen in der Mitte des Plenarsaals rechts und links vor dem Redner:innenpult im Parlaments – ausgestattet wie eh und je mit Block und Bleistift, wie es heißt.

Täglich aktuell über Neues informiert werden:

Weitere Meldungen:

  1. Römerstraßen viel umfangreicher als gedacht: Online-Portal zeigt 300.000 km
  2. 6 EU-Sicherheitsdatenbanken werden über 4 neue Tools vernetzt
  3. Umweltnovelle mit neuen Regeln für NGOs bei Abfallbehandlung und Industrie
  4. Wen der VKI ins Visier nimmt: Von Airlines bis Streamingdiensten