Forschung & Landwirtschaft. Wie „gestresste“ Kartoffeln klimafit werden, erforscht jetzt das EU-Projekt Adapt mit der Uni Wien: Neue Züchtungen sollen an den Klimawandel angepasst werden.
Hitze, Trockenheit und Überschwemmungen: die Natur ist im Stress – und damit auch die Kartoffel, so eine Aussendung der Uni Wien. Als Grundnahrungsmittel gibt es ein besonderes Interesse daran, Kartoffeln klimafit zu machen. Wie das gelingen kann, hat nun ein internationales Team unter Leitung der Universität Wien im Rahmen des EU-Projekts Adapt untersucht.
Die Wissenschafter:innen konnten spezifische Eigenschaften und molekulare Reaktionen definieren, die bei der zukünftigen Kartoffelzüchtung entscheidend sein können, so die Uni. In einem Folgeprojekt sollen die neuen Erkenntnisse zur Züchtung nun in die Praxis umgesetzt werden.
Bei Milliarden von Menschen täglich auf dem Tisch
Die Kartoffel ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. Ein großes Problem für die zukünftige Sicherheit der Knollenerträge und der hohen Qualität dieses Grundnahrungsmittels ist die Anfälligkeit von Kartoffelpflanzen gegenüber Hitze und Trockenheit, die aufgrund des Klimawandels immer häufiger gemeinsam oder nacheinander auftreten. Oft folgen Hitze und Dürreperioden regionale Überschwemmungen durch Starkregen, die innerhalb weniger Tage die gesamte Ernte vernichten können, so die Uni Wien. Wie die Kartoffel auf diesen Mehrfachstress reagiert, war demnach bisher kaum bekannt.
Nach vier Jahren intensiver Forschung liefere ein internationales Team unter Leitung der Universität Wien jetzt wichtiges Grundlagenwissen, um die Kartoffel klimafit zu machen. Die Wissenschafter:innen haben Erkenntnisse dazu gesammelt, wie Kartoffelpflanzen auf Hitze, Trockenheit und Staunässe als Folge überfluteter Felder reagieren. Sie haben dafür zu kritischen Wachstumsphasen der Kartoffelpflanzen Proben genommen und Messungen durchgeführt, um dadurch spezifische Eigenschaften und molekulare Anpassungsreaktionen zu erforschen, die für die zukünftige Züchtung von besser angepassten Kartoffelsorten hilfreich sein werden.
50 Kartoffelsorten wurden untersucht
„In unseren Feldversuchen mit etwa 50 Sorten, die wir von Spanien und Serbien über Österreich hin bis zu den Niederlanden an verschiedenen klimatischen Standorten durchgeführt haben, konnten wir deutliche Unterschiede in der Ertragsstabilität einzelner Sorten feststellen: Viele Sorten lieferten zwar oft höhere Erträge unter optimalen Bedingungen, aber unter den teilweise extremen Stressbedingungen der vergangenen Jahre zeigte sich, dass Sorten mit üblicherweise etwas niedrigeren Erträgen unter Stressbedingungen besonders ertragsstabil waren. Die Frage ist nun, wodurch diese Sorten deutlich besser mit extremer Trockenheit und Hitze zurechtkommen“, erklärt der Zellbiologe und Projektleiter Markus Teige (Department für Biochemie und Zellbiologie, Universität Wien) die Vorgehensweise.
Im Freien und im Gewächshaus
Zu diesem Zweck, wurden die Feldversuche durch Experimente in Gewächshäusern ergänzt, in denen die Stressbedingen exakt regulierbar sind und wo es auch möglich ist neuartige Forschungslinien zu testen, in denen man Reaktionen auf Stress auf zellulärer Ebene – quasi „live“ verfolgen kann. Aus Untersuchungen der Proben aus diesen Versuchen konnten die Wissenschafter:innen Änderungen im Stoffwechsel anhand der Muster der Genexpression, von Hormonen oder Metaboliten beobachten. Daraus wiederum konnten sie spezifische Signaturen für Stresstoleranz bzw. Anfälligkeit identifizieren. Damit haben die Wissenschafter:innen eine wertvolle Grundlage für die Entwicklung von Markern für die zukünftige Züchtung von Kartoffeln geschaffen, hofft die Uni Wien.
Das EU-Projekt Adapt
Das EU-Projekt Adapt kombinierte die Expertise von zehn akademischen Forschungseinrichtungen, vier Kartoffelzüchtern, einem Entwickler von Screening-Technologien, einer Agentur und einem gemeinnützigen EU-Verband, um die Mechanismen zu erforschen, die der Resistenz gegen multiplen Stress der Kartoffel zugrunde liegen, heißt es dazu.
„Es war diese Kombination, die es uns ermöglichte, diese komplexen Herausforderungen auf einem so hohen Niveau anzugehen und dabei auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft/Stakeholder aufzubauen. Meiner Meinung nach ist dies der richtige Weg für die künftige Forschung im Hinblick auf klimaresilientere Pflanzen und sollte in künftigen Projekten verfolgt werden“, so Teige.
Derzeit schreibt das Adapt-Team am Wissenschaftlichen Endbericht, der innerhalb von 60 Tagen der EU-Kommission vorgelegt werden muss, so Teige gegenüber Extrajournal.Net. Die einzelnen Ergebnisse des komplexen Projekts wurden teilweise schon in verschiedenen Publikationen veröffentlicht, weitere sind in Arbeit – einen Überblick gibt die Website des Projekts.