Mensch vs. Maschine. Eine Studie der WU Wien zeigt einen negativen Einfluss von Automatisierung auf die psychische Gesundheit der Belegschaft. Untersucht wurde konkret die Einführung von Industrierobotern in Deutschland.
In der Industrie werden immer mehr Tätigkeiten automatisiert. In einer neuen Studie haben Forscher:innen der WU Wirtschaftsuniversität Wien untersucht, wie sich das auf die Psyche von Arbeitnehmer:innen auswirkt – und es zeigte sich ein deutlicher negativer Effekt, so die Uni in einer Aussendung.
Ein Nebeneffekt des Wachstums der Industrieroboter
Die Automatisierung der Industrie schreitet immer weiter voran: Gab es im Jahr 1990 noch weltweit etwa 400.000 Industrieroboter, waren es im Jahr 2020 schon drei Millionen. Ein vielbeachteter Nebeneffekt ist der Wegfall von Arbeitsplätzen in den betreffenden Branchen. Weniger Beachtung fanden bisher allerdings die Effekte von Automatisierung auf Menschen, die weiterhin in diesen Branchen arbeiten – und vor allem die Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit, so die WU
Diesen Aspekt der Automatisierung haben Ana Lucia Abeliansky und Klaus Prettner vom WU Department für Volkswirtschaft sowie Matthias Beulmann von der Universität Göttingen ( Makroökonomik und Entwicklungsökonomik) in ihrer Studie beleuchtet (Abeliansky, A. L., Beulmann, M., & Prettner, K.: Are they coming for us? Industrial robots and the mental health of workers. Research Policy, 2024).
„Wir konnten feststellen, dass der Einsatz von Industrierobotern mit einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit der Arbeiter:innen einhergeht“ fasst Abeliansky die Ergebnisse zusammen. „Die Hauptgründe dafür sind offenbar Sorgen um die Sicherheit des Arbeitsplatzes und ein verringertes Gefühl, im Beruf einen wertvollen Beitrag zu leisten.“
Deutschland als Musterbeispiel
Für ihre Studie haben sich die Forscher:innen auf Deutschland konzentriert: „Einerseits gehörte Deutschland im Jahr 2020 zu den Ländern mit den meisten Industrierobotern weltweit, andererseits konnten wir hier auf eine gute Datenlage zurückgreifen“, so Abeliansky.
In Deutschland wird seit 2002 das sozio-oekonomische Panel (SOEP) durchgeführt, eine repräsentative Wiederholungsbefragung von Privathaushalten. Mit ihrer Hilfe haben die Forscher:innen die Entwicklung der psychischen Gesundheit von Beschäftigten in 14 verschiedenen Industriesektoren erhoben, so die WU zur Methodik. Die Daten verglichen sie mit der Intensivierung der Nutzung von Robotern im jeweiligen Sektor.
Dabei zeige sich, dass mit der intensiveren Nutzung von Industrierobotern in einer Branche eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit einhergeht. „Es handelt sich dabei allerdings um keinen direkten Effekt, etwa durch Technophobie – also eine Abneigung gegenüber Technologie“, erklärt Co-Autor Klaus Prettner von der WU. Stattdessen konnten die Forscher:innen in ihrer Analyse zwei entscheidende indirekte Effekte identifizieren.
Angst vor Arbeitslosigkeit, weniger Erfolgserlebnisse
Einerseits steige durch industrielle Automatisierung die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Besonders ausgeprägt sei dies bei über 60-Jährigen sowie bei Arbeitnehmer:innen, die eher einfache und Routinetätigkeiten ausführen.
Relevante Auswirkungen auf die psychische Gesundheit habe allerdings auch der zweite indirekte Effekt: die verringerte Wahrnehmung von Erfolgserlebnissen im Beruf. Dieses Ergebnis kam für die Autor:innen überraschend, denn Automatisierung könnte die Wahrnehmung der eigenen Leistung auch verbessern, weil sie Arbeiter:innen langweilige und repetitive Aufgaben abnimmt.
Doch stattdessen überwogen zumindest bei den Ergebnissen dieser Arbeit die negativen Auswirkungen: Der Grund dafür ist laut den Forscher:innen wahrscheinlich, dass durch Automatisierung der Zusammenhang zwischen der eigenen Tätigkeit und dem Endprodukt schwindet – und damit auch das Gefühl, gebraucht zu werden.
Die künftigen Forschungsziele
Diese Ergebnisse zeigen, dass sich Automatisierung auch abseits vom Verlust des Arbeitsplatzes negativ auf Arbeitnehmer:innen auswirken kann, meinen die Forschenden. Das sei aus ökonomischer, aber auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht bedeutend, so Co-Autor Klaus Prettner von der WU: „Unsere psychische Gesundheit hat einen starken Einfluss auf die individuelle Produktivität, aber auch auf das Wohlbefinden und das Sozialleben. Darum ist es wichtig, diesen Zusammenhang genauer zu erforschen.“
Gegenstand weiterer Forschung könnte etwa sein, inwieweit die Daten aus Deutschland mit anderen Ländern vergleichbar sind. Interessant und derzeit besonders aktuell wäre auch die Frage, in welchem Ausmaß andere Formen von Automatisierung die psychische Gesundheit beeinträchtigen – etwa der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, so Prettner.