Wahlen & Finanzfirmen. Nach Donald Trumps Wahlsieg sieht Feri die USA „an der Schwelle zur Autokratie“. Möglicherweise ist die Amtszeit aber weniger dramatisch als die Wahl, so Vermögensverwalter DWS. Und Comgest blickt auf die Historie.
Laut ersten Wahlergebnissen geht Donald Trump als klarer Sieger aus der Präsidentschaftswahl 2024 hervor. Die Börsen reagierten am Tag danach jedenfalls bis Mittag mit leichten Kursgewinnen – also keinesfalls panisch, aber auch nicht euphorisch, obwohl viele Analysten in einer Trump-Regierung einen Vorteil für die Aktienmärkte sehen.
Doch mit dem Sieg Trumps stehen die USA vor einem äußerst kritischen Wendepunkt ihrer Geschichte, warnt die Analyse-Sparte des deutschen Investmenthauses FERI: „Nun tritt genau das Szenario ein, das wir bereits mehrfach prognostiziert haben: Amerika ist auf direktem Weg zur Autokratie,“ so Heinz-Werner Rapp, Gründer und Leiter des FERI Cognitive Finance Institute, in einer Aussendung.
„Angriff auf die US-Demokratie“
Nach Einschätzung des FERI Cognitive Finance Institute birgt eine zweite Trump-Präsidentschaft gravierende Risiken. Geschützt durch das Oberste Gericht, das präsidiale Immunität garantiert, dürfte Trump sehr schnell daran gehen, die USA in Richtung Präsidialdiktatur umzubauen. Ziel sei eine massive Machtkonzentration auf das Amt des US-Präsidenten, verstärkt durch eine weitgehende Eliminierung demokratischer Checks and Balances. Das gefährde auch die Unabhängigkeit des US-Justizministeriums und des FBI. „Es ist damit zu rechnen, dass Trump diese Institutionen zur Verfolgung politischer Gegner missbraucht. Zudem wird Trump die Kapitol-Stürmer des 6. Januar 2021 begnadigen – und möglicherweise sogar sich selbst“, so Rapp.
Der umfassende „Power Grab“ Trumps werde wohl auch vor der Neutralität der US-Notenbank nicht haltmachen: Trump wolle direkte Kontrolle der Zins- und Währungspolitik. Das bedrohe die Integrität des US-Finanzsystems und erzeuge globale Unsicherheit. Auch die Rolle des US-Dollars als globale Ankerwährung werde perspektivisch gefährdet. Hinzu komme die von Trump geplante Einführung hoher US-Zölle, was für Europa und die Weltwirtschaft hohe Belastungen nach sich ziehe. Unternehmer, Investoren und Marktteilnehmer seien gefordert, die ökonomischen wie auch die geopolitischen Folgen von ‚Trump 2.0‘ von nun an laufend zu bewerten und einzupreisen, so Rapp.
Amtszeit weniger dramatisch als der Wahlkampf?
Genau gegenteilig sieht es das Geldhaus DWS: Die Wahlen seien „lang und nervenaufreibend“ gewesen, die US-Aktienmärkte hätten sie aber gut verkraftet. „Wir glauben nicht, dass dies viel mit veränderten Wahrscheinlichkeiten oder Hoffnungen zu tun hat, was einer der beiden Hauptkandidaten im Falle seiner Wahl tun könnte. Stattdessen spricht es wohl eher dafür, dass diese spezielle Wahl weniger folgenreich ist, als allgemein erwartet wurde“, schreiben die DWS-Investmentprofis Björn Jesch, Peter Doralt und Francis J. Kelly: „Nach einem hässlichen Wahlkampf sollten sich die Anleger auf Stillstand in Washington einstellen, wahrscheinlich ohne allzu große politische Veränderungen.“
„Wahljahre sind meist gute Börsejahre – egal wer gewinnt“
Einen nüchternen Standpunkt nimmt Christophe Nagy ein, Portfoliomanager für US-Aktien bei der Vermögensverwaltungsgruppe Comgest: Die Programme der Kandidaten seien dynamisch und ändern sich ständig als Reaktion auf wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklungen sowie auf Medienberichterstattung und Umfragen. „In einigen Fällen handeln die Kandidaten nach ihrer Amtsübernahme genau gegenteilig zu ihren Wahlversprechen“, so Nagy.
So erreichte die Ölförderung in den USA unter Präsident Biden trotz seines Versprechens aus dem Jahr 2020, den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu senken, ein historisches Niveau. Trump hingegen warb im Jahr 2016 – vor seiner ersten Amtszeit als US-Präsident – als Kandidat mit der Beteuerung, die Staatsverschuldung der USA zu senken. „Während seiner vierjährigen Amtszeit stieg diese jedoch bis Oktober 2020 von 19 Billionen auf 27 Billionen Dollar“, so Nagy.
Er warnt davor, sich zu sehr auf die Präsidentschaftswahlen zu fokussieren: „Ein Anziehen der Inflation, Naturkatastrophen, Kriege, Wirtschaftsabschwünge, Pandemien und andere negative Ereignisse können zeitgleich mit dem Amtsantritt einer neuen Regierung eintreten. Die historischen Renditen des S&P 500 zeigen zudem, dass Aktien in Wahljahren tendenziell eine positive Performance erzielen, unabhängig davon, welche politische Partei die Präsidentschaft gewinnt.“