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Uni Innsbruck entdeckt Quanten-Tornados im Suprafestkörper

Francesca Ferlaino ©Martin Vandory

Grundlagenforschung. Suprafestkörper sind eine neue Form von Quantenmaterie, die zugleich starr und flüssig sein kann. Nun hat ein Team der Uni Innsbruck Quantenwirbel darin nachgewiesen – sozusagen Mini-Quanten-Tornados.

Suprafestkörper sind eine neue Form von Quantenmaterie, deren Nachweis erst kürzlich gelungen ist. Der Materiezustand lässt sich in ultrakalten, dipolaren Quantengasen künstlich erzeugen. Die Innsbrucker Experimentalphysikerin Francesca Ferlaino hat mit ihrem Team nun erstmals „Minitornados“ in einem suprafesten Quantengas beobachtet, so die Uni in einer Aussendung.

Das Team um Ferlaino hat damit ein noch fehlendes Merkmal von Suprafluidität nachgewiesen, nämlich die Entstehung von quantisierten Wirbeln als Reaktion auf die Rotation eines solchen Systems. Die Erkenntnisse wurden in Nature publiziert (Eva Casotti, Elena Poli, Lauritz Klaus, Andrea Litvinov, Clemens Ulm, Claudia Politi, Manfred J. Mark, Thomas Bland, and Francesca Ferlaino: Observation of vortices in a dipolar supersolid). Die beobachteten Quantenwirbel verhalten sich zudem anders als bisher vermutet, so die Uni.

Sowohl starr als auch flüssig

Materie, die sich zugleich wie ein Festkörper und wie eine Supraflüssigkeit verhält, scheint unmöglich zu sein. Dennoch sagten Physiker vor über 50 Jahren voraus, dass die Quantenmechanik einen solchen Zustand zulässt, in dem eine Ansammlung von ununterscheidbaren Teilchen gleichzeitig scheinbar widersprüchliche Eigenschaften aufweisen. „Ähnlich wie Schrödingers Katze, die sowohl lebendig als auch tot ist, ist ein Suprafestkörper sowohl starr als auch flüssig“, erklärt Francesca Ferlaino vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Während die kristalline Anordnung, die die „festen“ Eigenschaften eines Suprafestkörpers ausmachen, direkt beobachtet werden können, seien die supraflüssigen Eigenschaften viel schwerer zu fassen. Die Forschung hat verschiedene Aspekte von supraflüssigem Verhalten, wie Phasenkohärenz und lückenlose Goldstone-Moden, bereits untersucht, der direkte Nachweis eines der entscheidenden Merkmale einer Supraflüssigkeit – quantisierte Wirbel – habe bisher aber gefehlt.

Nun hat das Team um Francesca Ferlaino diese Quantenwirbel in einem rotierenden zweidimensionalen Suprafestkörper beobachten können, was die lang erwartete Bestätigung für das supraflüssige Strömen in einem zur Rotation angeregten Suprafestkörper liefere und einen entscheidenden Schritt in der Erforschung modulierter Quantenmaterie darstelle.

Das Quanten-Experiment

In der neuen Studie haben die Wissenschaftler theoretische Modelle mit modernen experimentellen Methoden kombiniert, um Quantenwirbel in dipolaren Suprafestkörpern zu erzeugen und zu beobachten – ein Kunststück, das sich als außerordentlich schwierig erwiesen habe, wie es heißt.

Das Innsbrucker Team hatte bereits 2021 einen Durchbruch erzielt, indem es den ersten langlebigen zweidimensionalen Superfestkörper in einem ultrakalten Gas aus Erbiumatomen erzeugte, was an sich schon eine Herausforderung war. „Der nächste Schritt – die Entwicklung einer Methode, um den Suprafestkörper zu drehen, ohne den fragilen Zustand zu zerstören – erforderte eine noch größere Präzision“, erzählt die Erstautorin der Studie, Eva Casotti.

Mit Hilfe hochpräziser Techniken, die sich an der Theorie orientieren, nutzte das Team Magnetfelder, um den Suprafestkörper vorsichtig zu drehen. Dieses Umrühren führte schließlich zur Bildung von Quantenwirbeln, die als hydrodynamischer Fingerabdruck von Suprafluidität gewertet werden können. „Diese Arbeit ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis des einzigartigen Verhaltens von Suprafestkörpern und ihrer potenziellen Anwendungen im Bereich der Quantenmaterie“, erklärt Francesca Ferlaino.

Die experimentelle Studie dauerte fast ein ganzes Jahr. Dabei wurden wesentliche Unterschiede zwischen der Dynamik von Wirbeln in Suprafestkörpern und in unmodulierten Quantenflüssigkeiten festgestellt und neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie die Eigenschaften von Suprafestkörpern und Festkörpern in diesen exotischen Quantenzuständen koexistieren und interagieren, so die Uni Innsbruck.

Neue Physik erforschen

Die Bedeutung dieser Entdeckung reiche weit über das Labor hinaus und könnte sich auf Gebiete der Festkörperphysik bis hin zur Astrophysik auswirken, wo ähnliche Quantenphasen unter extremen Bedingungen existieren könnten. „Unsere Ergebnisse öffnen die Tür zur Untersuchung der hydrodynamischen Eigenschaften exotischer Quantensysteme mit mehrfach gebrochener Symmetrie, wie etwa Quantenkristalle und sogar Neutronensterne“, hofft Thomas Bland, der die Theoriearbeit am Projekt geleitet hat.

Es werde zum Beispiel angenommen, dass die in Neutronensternen beobachteten Änderungen der Rotationsgeschwindigkeit – sogenannte Glitches -– durch supraflüssige Wirbel verursacht werden, die im Inneren von Neutronensternen eingeschlossen sind. „Unsere Plattform bietet die Möglichkeit, solche Phänomene direkt hier auf der Erde zu simulieren“, so Bland. Supraflüssige Wirbel werden aber auch in Supraleitern vermutet, die elektrischen Strom verlustlos leiten können.

Die Studie wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG und der Europäischen Union finanziell gefördert.

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