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Business, Recht, Steuer

Abstieg in die Finsternis: So erkennt man Wirtschaftskriminelle in der eigenen Firma

Roland Beranek ©Gabor Bota / BMD Akademie

Wien. Um die „CSI Rechnungswesen“ ging es jetzt beim BMD-Seminar „Die dunklen Ecken der Buchhaltung – Manipulation bis zur Bilanz“: Forensiker zeigen dabei, wie man Gaunern und Tricksern mit KI-Hilfe auf die Spur kommt.

Steuerberaterin und Juristin Katharina Peschetz, spezialisiert auf forensische Buchhaltung, betrachtete typische Problemgebiete und zeigte, auf welche Warnsignale und „Red Flags“ die Steuer- und Buchhaltungsprofis achten müssen. Denn wer rechtzeitig aktiv wird, kann Problemfälle und Sünder in der eigenen Firma entlarven, bevor die Schäden zu groß oder gar existenzbedrohend werden.

„25 Prozent der Wirtschaftskriminalität finden im Rechnungswesen statt“, sagt Roland Beranek, Leiter der BMD Akademie. Und die Zahl der Fälle befindet sich nach allen Anzeichen auf Rekordhöhe – mit einer großen Dunkelziffern, der jährliche Schaden ist enorm.

Katharina Peschetz ©D.Hammer / BMD

Doch warum begehen die Täter überhaupt ihre Malversationen? Warum veruntreuen Angestellte Geld durch Scheinrechnungen, lassen Einkäufer sich von Lieferanten bestechen, tragen Lagerarbeiter Waren nach Hause, fälschen Geschäftsführer die Bilanz? Gewinnerzielung ist eine häufige, aber keineswegs die einzige Motivation, warnt Expertin Peschetz. Karriere durch schöne Zahlen ist ebenfalls ein häufiger Grund, gerade im Management.

Manchmal ist der betreffende Mitarbeiter aber auch schlicht für seinen Job ungeeignet – und um das zu verschleiern, fälscht er die Zahlen. So wie ein Mitarbeiter im Mahnwesen, der aus Konfliktscheue niemals Mahnungen verschickte – aber gegenüber der Geschäftsführung eine fast hundertprozentige Erfolgsquote bei der Eintreibung meldete. Am Ende ging das Unternehmen in Konkurs, schildert Peschetz.

Wenn der nette, vertraute Kollege eine dunkle Seite hat

Gefährlich ist an den Malversationen auch, dass sie oft aus einer Richtung kommen, von der man es nie erwartet hätte. Die häufigsten Täter sind langgediente, vertrauenswürdige Mitarbeiter, die aber keine besondere Führungsrolle innehaben. Täter aus dem Management sind die zweithäufigste Gruppe (richten dafür aber deutlich höheren Schaden an). Meist hat man es mit Einzeltätern zu tun, Tätergruppen sind wegen des höheren Risikos, erwischt zu werden, weitaus seltener – aber wenn sie doch zuschlagen, dann richten sie den vierfachen Schaden an, weiß Peschetz.

Der durchschnittliche Schaden bei solchen Malversationen liegt bei 180.000 Euro, die Wiederbeschaffungsrate ist sehr gering. Auch Versicherungen zahlen häufig nicht. Und was oft vergessen wird: Die Täter haben bei Unterschlagungen nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch die Steuer am Hals, denn sie haben ja dadurch (illegale) unversteuerte Einkünfte erzielt. Und leider kann dies auch das Unternehmen treffen, in dem sie arbeiten: Wenn der Kassier im Supermarkt Ware verkauft, ohne den Eingang in der Kassa zu vermerken, dann kann das Unternehmen schlimmstenfalls ein Verfahren wegen hinterzogener Umsatzsteuer am Hals haben – wurden doch in seinen Räumlichkeiten Verkäufe getätigt, für die keine USt verrechnet wurde. Dass die Firma von diesen Verkäufen keinen Cent gesehen hat, schützt nicht unbedingt.

Wenn der Betriebsprüfer über Gauner stolpert

Immer wieder wird strafrechtlich relevantes Verhalten sogar durch die Betriebsprüfung aufgedeckt: Für das Unternehmen ist es dann doppelt schlimm, vom Prüfer des Finanzamts mit den aufgedeckten Taten konfrontiert zu werden – steht doch allzu rasch der Verdacht im Raum, man hätte davon gewusst oder zumindest wissen müssen. Nur allzu oft führt Untreue im Unternehmen so in letzter Konsequenz bis in die Insolvenz.

Die Unternehmen seien also gut beraten, genau zu kontrollieren – sie sind dazu sogar verpflichtet, denn sonst droht schlimmstenfalls eine Strafe nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, warnt Peschetz. „Die Grundregel lautet: Wenn ein Betrieb Kontrolle ernst nimmt, dann passiert tatsächlich weniger.“ Dabei gilt es zuallererst, das Wertvolle im Unternehmen präventiv abzusichern – Geld, Waren, Daten (z.B. Kundenlisten), geistiges Eigentum.

Wenn die KI in der Doppelten Buchhaltung nach Tätern jagt

Bei der Kontrolle ist die Doppelte Buchhaltung der wichtigste Verbündete, denn ihrer Natur entsprechend kann nichts aus der Buchhaltung entnommen (oder hinzugefügt) werden, ohne an anderer Stelle eine entsprechende Reaktion auszulösen. Mächtige Hilfsmittel können eingesetzt werden, um solche Taten aufzudecken, heißt es: „Die neuen digitalen Tools bis hin zum KI-Einsatz werden immer besser“, sagt Beranek. Das Seminar sollte vor allem dazu dienen, dafür den Umgang mit der hauseigenen BMD Software zu zeigen. Die Möglichkeiten reichen vom Erkennen von „Red Flags“ über die Durchführung von Tests auf typische Merkmale für gefälschte Einträge bis zum Anlernen von KI zur Aufdeckung gefälschter Belege.

Die besten Tools werden allerdings zur stumpfen Waffe, wenn die Buchhaltung ihre Aufgabe nur schlampig erledigt. So sind chronologisch exakte Einträge wichtig, warnt Peschetz. Ein heikles Thema sind stets Buchungen ohne Beleg, z.B. Gutschriften oder Umbuchungen. Je besser die Datenlage, desto besser ist dann die Ausgangsbasis für die forensische Buchhaltung: Sie setzt auf die Analyse von Buchhaltungsunterlagen, Aufzeichnungen und Belegen, geht Zahlungsströmen nach, setzt Textanalyse und die grafische Aufbereitung komplexer Daten ein, um Auffälligkeiten aufzudecken.

Warum braucht eine Autofabrik doppelt so viele Akkus wie Autos?

Dabei sind auch nicht-finanzielle Daten wichtig: So kann die Menge bezogener Waren als Basis für eine Plausibilitätsrechnung dienen. In einem besonders krassen Fall bezog die Fabrik eines Autokonzerns doppelt so viele Akkus wie sie Autos baute. Die Geschäftsleitung hatte zunächst den Lieferanten im Verdacht, mit den Einkäufern unter einer Decke zu stecken, doch das war nicht der Fall – die Akkus wurden schlicht im Werk gestohlen.

Wichtig sind auch die kleinen Kennzeichen, die eine betrügerische Buchung von einer ganz gewöhnlichen unterscheiden: Mathematische Verfahren wie die Betrachtung der Zahlenverteilung nach dem Benfordschen Gesetz sind oft in der Lage, mit verblüffender Genauigkeit Betrugsfälle aufzudecken, sagt Beranek. Auch die Textanalyse kann in vielen Fällen Hinweise liefern, dass etwas nicht stimmt: Das ungewöhnlich häufige Auftreten der Möglichkeitsform zeichnete etwa die Geschäftsberichte sowohl von Enron wie Wirecard aus.

„Auf das eigene Bauchgefühl achten und nicht wegsehen“

Forensische Buchhalter arbeiten aber auch vor Ort, befragen die Beschäftigten in verschiedenen Geschäftsbereichen, gehen Hinweisen aus dem Umfeld des Unternehmens nach. A propos Umfeld: Schon so manchem Steuerberater oder Buchhalter sind ungewöhnliche Buchungen bei einem Klienten aufgefallen, auch Geschäftspartner, Lieferanten, Kunden erkennen oft Warnsignale für Malversationen. Sogar von Konkurrenten kamen schon gutgemeinte Hinweise, dass in der Firma etwas nicht stimmen kann, erzählt Peschetz. Sie empfiehlt insbesondere Steuerberatern, in solchen Fällen auf ihr Bauchgefühl zu achten und nicht aus falsch verstandener Sympathie oder ähnlichen Erwägungen zu schweigen: So mancher Steuerberater sah sich in solchen Fällen dann später selbst einem Finanzstrafverfahren ausgesetzt.

Wichtig ist neben den geeigneten Hilfsmitteln auch etwas Täter-Psychologie. Die größte Hemmschwelle besteht vor der ersten Tat. Auslöser sind oft persönliche Drucksituationen: Das kann die Aufstiegschance sein, bei der Konkurrenten anscheinend unfair im Vorteil sind, oder auch die dramatische Notlage eines Kindes. Die Tat wird dann für sich selbst rationalisiert. Letztendlich sind solche Ereignisse daher für das betreffende Unternehmen kaum vorhersehbar, oder anders ausgedrückt: „Wir kennen doch alle unserer Mitarbeiter“ ist kein ausreichender Schutz, es kann jeden treffen. „Wo die Kontrolle fehlt, steigt das Risiko“, warnt Peschetz.

Nicht überhastet reagieren, sondern Beweise sammeln

Natürlich dürfe die Kontrolle aber nicht so weit gehen, dass sie jedes Vertrauen und das innerbetriebliche Klima zerstört. Wichtig ist auch, nicht schon beim ersten Verdacht auf Malversationen vorschnell Verdächtige zu beschuldigen, sondern zunächst solide Beweise zu sammeln, wenn nötig unter Einsatz von Spezialisten.

Denn ein Unschuldiger, der zu Unrecht zu verdächtigt wird, leidet im besten Fall schwer darunter, manchmal ist sogar die berufliche Karriere zerstört. Wohingegen ein gewiefter Täter, der zwar schuldig ist, aber ohne Beweise fristlos entlassen wird, sich ins Fäustchen lacht und auch noch vor dem Arbeitsgericht dagegen klagt.

Schulungen der Beschäftigten sind das beste Mittel

Als bestes Mittel zur Vorbeugung gegen Malversationen haben sich laut Expertin Peschetz Schulungen bewährt, jedenfalls im Verhältnis zu den Kosten: Sie befähigen die Mitarbeiter, typische Warnsignale zu erkennen. Ein klassisches Warnsignal sei beispielsweise der Ausspruch: „Dieser Mitarbeiter ist immer da, morgens der erste, abends der letzte, geht nie auf Urlaub – wir wüssten gar nicht wie wir ohne ihn auskommen könnten.“

Warum die Dauer-Präsenz? Nun, es könnte sein dass der Mitarbeiter einfach regelmäßig krumme Dinger dreht und dafür z.B. Eingangsrechnungen fälscht. Geht er jemals auf Urlaub, kommt ein Ersatzmann zum Einsatz – und alles fliegt auf.

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