Recht & Wissenschaft. Die Rechtsethik ist zum hochaktuellen Thema geworden, seit Behörden und Firmen die KI Entscheidungen über Leben und Tod treffen lassen (können). Der Facultas Blog widmet sich dem Thema.
Den moralischen Dimensionen des Rechts als Grundfrage widmet sich ein Beitrag von Marlon Possard am Facultas Blog: Die Rechtsethik ist kein neues Phänomen, sie hat sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt und ist auch noch heute – im Jahr 2025 – Gegenstand von kontroversen Diskussionen, heißt es darin.
Von Aristoteles bis OpenAI
Schon in der Antike, insbesondere bei Aristoteles, spielte die Ethik im Rahmen des Zusammenspiels zwischen Recht und Gerechtigkeit eine bedeutende Rolle. Auch im römischen Recht und im Mittelalter – insbesondere wegen der Wirkung des kanonischen Rechts – blieb das so. Erst in der Moderne wurde die Trennung von Recht und Moral maßgeblich vollzogen, in der Aufklärung fand die Absonderung zwischen den beiden Disziplinen ihren Höhepunkt. Das Erstarken des Gedanken des Rechtspositivismus führte schlussendlich dazu, dass Moral und Ethik als Komplexe begriffen wurden, die sich außerhalb der Rechtssphäre befinden. Prägende Persönlichkeiten der Rechtswissenschaft wie Hans Kelsen mit seiner „Reinen Rechtslehre“ (1934) trugen das ihre dazu bei.
Doch auch heute stellen sich ethische Fragen, schildert Possard: Ein häufiges ethisches Dilemma, das in der Verwaltungspraxis immer wieder auftaucht, betreffe etwa den Einsatz automatisierter Entscheidungsprozesse: Welche Entscheidungen sollen KI-basierte Systeme treffen? Im Extremfall kann es dabei ja um Leben und Tod gehen, etwa beim heiß diskutierten Einsatz teil- und vollautomatischer Waffensysteme wie Drohnen. Doch die Probleme fangen schon an, wenn ein Chatbot Anfragen von Bürger:innen beantwortet – und dabei manche Gruppen benachteiligt, weil er möglicherweise vom „Bias“ seiner Trainingsdaten beeinflusst wird.
Possard widmet sich in Folge dann – durchaus kontrovers diskutierten – philosophischen Theorien wie dem „Digitalen Humanismus“ und weist auf die Bedeutung der Rechtsethik auch als Thema in der juristischen Ausbildung hin.
„Warum Ethik in der öffentlichen Verwaltung unverzichtbar ist“
Im zweiten Beitrag vertieft Possard das Thema der modernen öffentlichen Verwaltung: Bei ihr gehe es längst nicht mehr nur um das bloße Befolgen gesetzlicher Regelungen. Auch mit Blick auf den österreichischen Verwaltungssektor zeige sich, dass Fragen der Ethik zunehmend zu einem zentralen Thema, unabhängig von jeglichen Aspekten der Rechtstreue, werden.
Als Beispiel führt der Autor das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) an, das sich bereits seit einigen Jahren komplexen ethischen Situationen im öffentlichen Dienst widme, inklusive umfassender Leitfäden für die ethische Orientierung der Verwaltung und ihrer Mitarbeiter:innen. Doch warum braucht es Ethik überhaupt? Sind rechtliche Bestimmungen nicht ausreichend, um verantwortungsvoll und fair zu handeln?
Der Autor
Marlon Possard ist Autor von „Verwaltungsethik im Fokus“, lehrt und forscht an der FH Campus Wien und an der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien und Berlin sowie – gemeinsam mit Univ.-Prof. Wolfgang Zankl – am Institut für digitale Transformation und künstliche Intelligenz, das am 1. Oktober 2024 gegründet wurde und sich u.a. interdisziplinären Fragestellungen wie Recht und Ethik widmen soll.