Innovation & Arbeitsmarkt. In Bereichen wie der Logistik übernimmt KI immer mehr Aufgaben. Diese Transformation kostet auch Jobs. Maik Schneider, Finanzwissenschaftler der Uni Graz, beleuchtet mögliche Antworten der Gesellschaft.
In der Logistik und Qualitätskontrolle übernimmt künstliche Intelligenz (KI) immer mehr Aufgaben. Selbst im Büro wird künftig die Maschine vermehrt Arbeiten erfüllen, die bisher von Menschen erledigt werden. „Der technologische Wandel hat immer schon Gewinner:innen und Verlierer:innen hervorgebracht“, so Univ.-Prof. Maik Schneider vom Institut für Finanzwissenschaft und Öffentliche Wirtschaft der Universität Graz, „jedoch ist das erwartete Ausmaß der KI-Transformation sehr hoch“. Sie dürfte zwischen 20 und 30 Prozent der Berufstätigen in der näheren Zukunft betreffen.
Wie viele Jobs tatsächlich tangiert sind
Es gibt freilich eine relativ große Bandbreite von Studien hinsichtlich der Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz und Automatisierung am Arbeitsmarkt, heißt es dazu. Die angenommene Bandbreite von 20% bis 30% über die nächsten zwei Dekaden stelle eine generelle Abschätzung dar. Die Unterschiede kommen typischerweise aus etwas unterschiedlichen Definitionen von „Exposure“ zu KI/Automatisierung und unterschiedlichen betrachteten Zeithorizonten. Tangiert bedeutet übrigens nicht wegrationalisiert: So sieht eine Studie des IWF etwa ein Gesamt-Exposure von um die 60% der Jobs, wobei knapp die Hälfte negativ betroffen ist („low complementarity to AI“) während die andere Hälfte der Jobs profitieren („high complementarity“).
Manchmal werden die Auswirkungen der KI in neueren Studien auch weniger dramatisch gesehen als ursprünglich erwartet. So kommt der im Jänner 2025 veröffentlichte „Future of Jobs Report 2025“ des Weltwirtschaftsforums (WEF) zum Schluss, dass bis 2030 weltweit 92 Millionen Arbeitsplätze durch KI ersetzt und gleichzeitig 170 Millionen Stellen neu geschaffen werden, der Saldo ist mit 78 Mio. neuen Jobs also deutlich positiv. Noch 2023 hatte der WEF dagegen mit einem deutlich negativen Saldo von 14 Mio. Jobs gerechnet – und das bereits bis zum Jahr 2027. In beiden Fällen berief man sich auf Umfragen unter Unternehmen.
„Unsere Studie selbst nimmt keine eigenen Abschätzungen zu den erwarteten Jobeffekten vor, sondern bezieht sich auf die gegebene Studienlage“, so Finanzwissenschafter Schneider: Der Fokus liege darauf, wie die Gesellschaft ökonomisch mit der zu erwartenden strukturellen Transformation durch Künstliche Intelligenz und genereller mit den Effekten großer technologischer Umwälzungen umgehen sollten – „unter der Maßgabe, die gesellschaftliche Wohlfahrt gesamthaft zu maximieren“, so Schneider zu Extrajournal.Net.
Die richtige Reaktion
„Wie können wir als Gesellschaft technischen Fortschritt garantieren, von dem möglichst viele davon profitieren?“, will der Finanzwissenschaftler wissen. Auch mit Blick auf die Stabilität politischer Institutionen. Wie begegnen wir also den Veränderungen am Arbeitsmarkt durch KI? Dazu ist eine Debatte entbrannt, ob es beispielsweise eine „Robotersteuer“ geben sollte. „Oder eine Art Versicherung, die negative Einkommenseffekte abfedern kann“, erklärt Schneider. Oder ob es doch ein universelles Grundeinkommen braucht, um die technologische Revolution gerechter zu gestalten.
Schneider untersucht mit Forschungskolleg:innen in einem wissenschaftlichen Artikel, inwiefern diese Politikinstrumente zielführend sein können. Die Wissenschaftler:innen schlagen ein eigenes Maßnahmenpaket vor, das die Stärken folgender drei Ansätze kombiniert.
Eine KI-Versicherung?
Ein Ansatz ist die Schaffung einer Versicherung, die explizit den KI-Wandel zum Inhalt hat. „Wenn Menschen ein erhöhtes Risiko haben, wollen sie sich absichern“, begründet Schneider. Bei einem Jobverlust könnte die Auszahlungssumme einer staatlich oder privat organisierten Einrichtung über dem Arbeitslosengeld liegen. „Um vor allem die sich immer weiter ausdünnende Mittelschicht zu schützen und Ausfälle bei mittleren Einkommen auszugleichen.“ Eine zentrale Frage dabei ist: Wie lässt sich verifizieren, ob tatsächlich der KI-Einsatz die Situation verursacht hat? Ob eine Versicherung effizient funktionieren kann, hängt essentiell vom Grad der Treffsicherheit der Auszahlungen ab.
Ein Grundgehalt?
Ein anderer Zugang ist, den KI-bedingten Verlust des Arbeitsplatzes oder niedrigere Einkünfte durch ein fixes Grundeinkommen wett zu machen. Das Modell orientiert sich am „Universal Basic Income“. Eine proportional zum Lohn geregelte Steuer finanziert die Einnahmen, die dann gleichermaßen ausgeschüttet werden. Der Uni-Graz-Forscher hält dazu fest: „Auch wenn die genaue Höhe so festgelegt werden muss, damit Anreize einer Arbeitsaufnahme prinzipiell erhalten bleiben, kann es Ungleichheiten abmildern und gesellschaftlichen Ausgleich schaffen.“ Ein solches Grundgehalt sei insbesondere dann vorteilhaft, wenn die soziale Treffsicherheit einer Versicherung gering ist.
Eine Technologie-Steuer?
Als dritte Überlegung wird die Einführung einer Robot-Tax an. Bei Wirtschaftsvertretern kommen dabei Gedanken an die bereits in den 1970er Jahren heiß diskutierte sogenannte Maschinensteuer auf – bis heute ein Feindbild. „Zwar würde eine solche Besteuerung der Technologie den Fortschritt verlangsamen, aber auch den Strukturwandel und die negativen Arbeitsmarkteffekte reduzieren“, meint Maik Schneider. Da die Maßnahme auf Kosten der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung ginge, sollte sie eher ein sekundäres Instrument sein, so Schneider.
Das Fazit
Optimal wäre es die Einnahmeseite des Grundeinkommens mit einer möglichst treffsicheren Ausschüttungsseite der Versicherung zu kombinieren und eine Robotersteuer nur bei zusätzlichem Bedarf und so niedrig wie möglich anzusetzen. „Angesichts der rasanten Ausbreitung von KI ist es sehr wichtig klare Konzepte zu entwickeln, um jederzeit handlungsfähig zu sein“, fasst Maik Schneider zusammen. Die theoretischen Entwürfe könnten als Lenkungsinstrumente dienen. Die praktische Umsetzung obliege der Politik.