Interview. Forschungsinstitute, Unis, Wissenschaftler: Die DLA Piper Anwältinnen Maria Doralt und Sabine Fehringer über die Probleme hochintelligenter Klienten, Förderungen in dreistelliger Millionenhöhe und Reformen.
Extrajournal.Net: Wie steigt man als Anwalt in die Rechtsberatung für Forschungsinstitutionen und Wissenschaftler ein? Das ist ja kein alltägliches Beratungsgebiet.
Sabine Fehringer: Ich habe als junge Anwältin beschlossen, mich auf dieses Gebiet zu spezialisieren. Wagemutig, könnte man sagen, aber ich habe gesehen, dass es da einen ordentlichen Bedarf und gleichzeitig wenig Angebot in der Rechtsberatung gab. Konkret startete ich zunächst mit der Gestaltung von F&E-Verträgen. Auf diese Weise bin ich immer mehr mit dem universitären Bereich in Berührung gekommen. Es war damals eine Zeit des Aufbaus der Universitäten in diesem Gebiet, aber auch Fachhochschulen und außeruniversitäre Organisationen hatten großen Bedarf. Damals entstand auch der Intellectual Property Agreement Guide (IPAG), eine Sammlung praktischer Musterverträge für alle Bereiche des Technologietransfers.
Ein Institut wird nicht am Umsatz, sondern an seinen Projekten gemessen
Gibt es in der Beratung solcher Institutionen Besonderheiten?
Sabine Fehringer: Man muss die akademische Welt und ihre Bedürfnisse verstehen, es handelt sich dabei ja nicht um Industrieunternehmen, sondern um eine sehr stark intellektuell geprägte Welt. Man hat es mit hochintelligenten Menschen zu tun und der Anspruch ist sehr hoch. Eine Universität oder ein Forschungsinstitut misst sich selbst nicht an Kriterien wie dem Umsatz oder Ertrag, sondern definiert sich über die Anzahl und Qualität seiner Forschungsprojekte und Publikationen.
Der Beratungsbedarf entsteht daher einerseits auf dem Gebiet der kooperativen Forschungsprojekte mit der Industrie, insbesondere der Definition und Absicherung der Forschungsergebnisse, der Förderungen und andererseits durch die Internationalisierung. Forschung kennt keine Grenzen. Es ist durchaus üblich, dass an einem Forschungsprojekt Universitäten, Forschungsorganisationen und Industriepartner aus allen erdenklichen Ländern der Welt mit völlig unterschiedlichen Rechtssystemen mitarbeiten. Es kann durchaus sein, dass 50 Parteien oder mehr mitarbeiten. Übrigens kann Österreich international meiner Meinung nach sehr gut mithalten, wir haben in den letzten Jahrzehnten enorm viel erreicht.

Ist innerhalb der Betreuung von F&E-Einrichtungen noch eine weitere Spezialisierung erforderlich? Technik ist ja nicht gleich Life Sciences, um ein Beispiel zu nennen.
Sabine Fehringer: Ich würde es nicht unbedingt eine weitere Spezialisierung in der Rechtsberatung nennen, sehr wohl aber ist Verständnis für spezifische Anforderungen nötig. In den Life Sciences- Bereichen werden z.B. Projekte sehr früh an Unternehmen übergeben, die dann aber typischerweise noch etliche Jahre der Forschung und Entwicklung brauchen, bis aus ihnen ein marktreifes und letztendlich zugelassenes Medikament wird. Auf diese langen Zeiträume muss man in der Beratung und Vertragsgestaltung Rücksicht nehmen. Die Grundregeln sind aber gleich, die Sector Knowledge muss man sich eben aneignen.
Maria Doralt: DLA Piper hat heute echte Schwerpunkte in den Life Sciences und im Technologie-Bereich entwickelt, dazu hat Sabine Fehringer sehr viel beigetragen. Ich begegne immer wieder Klientinnen und Klienten, die sie gerade wegen der Musterverträge, an deren Gestaltung sie viel beigetragen hat, hoch schätzen. Schon so manches Start-up hat mir gestanden, dass sie nicht wüssten, was sie ohne diese täten.
Sabine Fehringer: Auf www.ipag.at sind diese Musterverträge übrigens nachzulesen – typischerweise werden sie ein- bis zweimal pro Jahr aktualisiert.
(Anm. d. Red.: IPAG = Intellectual Property Agreement Guide; ein Projekt der Universitätenkonferenz UNIKO sowie der Ministerien BMAW, BMBWF und BMK und aws)
Beratung für junge Tech-Unternehmen
Sind die Vertragsmuster kostenfrei oder kostenpflichtig?
Sabine Fehringer: Kostenfrei. Die Vertragsmuster sind öffentlich zugänglich. Jeder kann sich das für sich passende Muster runterladen und es an seine Bedürfnisse selbst anpassen. Ein Start-up beispielsweise hat natürlich am Anfang oft nicht das Budget für eine umfassende Rechtsberatung, die Vertragsmuster sind daher ein guter Start für die rechtliche Gestaltung seiner IP-Verträge. Oft wird aber anwaltliches Know-how für die Verhandlung dieser Verträge zugekauft. Die Mitwirkung an der Gestaltung der Musterverträge war ursprünglich ja auch eine Art Investition in die Zukunft anwaltlicher Beratung. Die Musterverträge sind ohnehin nur ein Aspekt. Bei den Universitäten kommt auch der gesamte organisatorische Bereich als Beratungsthema hinzu. Da geht es dann oft um spezifische Fragen zum Gesellschaftsrecht, zum Beispiel im Fall von Spin-offs usw. oder wenn die Universität selbst eine Beteiligung hält.
Maria Doralt: Die Welt der Hochschulen hat oft eine Affinität zu Anwältinnen und Anwälten, die selbst in der akademischen Welt aktiv sind – die viel publizieren, aus der Forschung bekannt sind, usw. Sector Knowledge der Kanzlei ist aber natürlich auch von Bedeutung.
Es gibt mittlerweile in Österreich eine größere Zahl von Privatuniversitäten. Sehen Sie bei denen besondere Beratungsanforderungen? Zumindest wächst mit der Zahl der Privatunis ja die Zahl potenzieller Klienten im universitären Bereich.
Maria Doralt: Das stimmt, aber besondere Bedürfnisse in der Beratung würde ich keine sehen – abgesehen natürlich von den Besonderheiten, die sich aus dem Status einer Privatuniversität ergeben, Stichwort Zulassung der Studiengänge und Akkreditierung, Finanzierung etc.
„Österreich ist viel weiter, als oft öffentlich gesagt wird“
In welche Richtung entwickelt sich der österreichische Forschungssektor generell aus Ihrer Sicht?
Sabine Fehringer: Es geht weiterhin sehr in Richtung Spin-offs, also Gründungen im universitären Umfeld, die die Chance hin zu einer Entwicklung bis hin zum Unicorn haben können. Die Forschungsorganisationen fördern das inzwischen sehr und haben teilweise eigene Beratungseinrichtungen im eigenen Haus dafür aufgebaut. Für den Start-up-Standort Österreich ist das natürlich ein großer Gewinn – er ist übrigens viel weiter, als das oft öffentlich gesagt wird, wir müssen uns nicht verstecken.
Maria Doralt: Ein Trend ist sicher auch, so wie schon länger in der US-amerikanischen Welt üblich, das „Giving Back“. Also der Wunsch erfolgreicher Menschen und Organisationen, an die Gesellschaft etwas zurückzugeben. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass Stiftungen, Unternehmen oder auch Privatpersonen Universitäten, andere wissenschaftliche Organisationen oder auch ein konkretes Institut fördern.
Größte private Förderung: 150 Mio. Euro für KI-Institut der ÖAW
Sie haben die Österreichische Akademie der Wissenschaften betreffend der „High Profile“-Gründung des Aithyra-Instituts mit 150 Millionen Euro an privaten Fördermitteln beraten. Könnten Sie dazu etwas sagen?
Maria Doralt: Sehr gerne! DLA Piper hat die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) bei der Gründung des Aithyra-Instituts für Künstliche Intelligenz (KI) in der Biomedizin in Wien beraten. Aithyra wurde von der ÖAW gegründet und wird mit einer Förderung von 150 Millionen Euro von der gemeinnützigen Boehringer Ingelheim Stiftung (BIS) aus Mainz ausgestattet. Aithyra soll über die Entwicklung KI-gestützter Forschungsansätze revolutionäre Fortschritte in der Biomedizin erzielen. Die ÖAW hat sich hier in einem hochkompetitiven Auswahlprozess durchgesetzt und wir sind unglaublich stolz auf die ÖAW und auch auf den Standort Wien.
Mit Aithyra wird Wien ein echtes Kompetenzzentrum für KI-basierte Biomedizin. Die Förderung der Boehringer Ingelheim Stiftung ist die größte private Forschungsförderung, die es in Österreich je gab. Und Aithyra ist das erste Institut seiner Art in ganz Europa. Mit dem Direktor Michael Bronstein haben die ÖAW und die BIS eine herausragende Persönlichkeit von Weltformat für die Leitung des neuen Instituts gewonnen. Wir sind stolz darauf, dass wir zu diesem visionären Projekt beitragen durften.
„Übersichtlichkeit des Förderwesens verbessern“
Österreich bekommt wohl demnächst eine neue Regierung. Gibt es Themen, die den Unis und Forschern ein besonderes Anliegen sind, die man sich sozusagen für den Forschungsstandort wünscht?
Maria Doralt: Ein großes Thema ist die Finanzierung, das betrifft einerseits die universitären Budgets und andererseits auch die Forschungsförderung. Da geht es um ausreichend Geldmittel und auch um die Übersichtlichkeit, wenn man so will.
Sabine Fehringer: Ja, das ist ein wichtiges Thema. Die Universitäten führen ihre Forschungsprojekte ja oft in Kooperation mit der Industrie durch. Dadurch sind gleich mehrere Finanzierungspartner involviert: Einerseits die Universität selbst, die zwar vorrangig die Experten und das Know-how liefert, manchmal aber auch mitfinanziert. Zweitens kann es eine öffentliche Förderung für das konkrete Projekt geben. Und das Industrieunternehmen tritt einerseits meist als Geldgeber auf und kann andererseits ebenfalls öffentliche Fördermittel erhalten. Die Komplexität der Förderlandschaft ist also grundsätzlich schon sehr hoch. Wenn es gelingen würde, die Übersichtlichkeit des Förderwesens zu verbessern, dann wäre das sicherlich sehr wünschenswert. Ein großes Thema ist auch die Durchlässigkeit des Bildungssystems, und generell der Nachwuchs besonders für mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Fächer, MINT. Das ist freilich ein Thema, bei dem man schon in den Schulen ansetzen muss: Es müssen nicht alle junge Menschen Betriebswirtschaft oder Jus studieren – das muss man möglichst früh vermitteln.
Ist das Arbeitsrecht eine Hürde beim Einsatz internationaler Wissenschaftler, oder hat man hier nach dem Motto Abhilfe gegen den Fachkräftemangel inzwischen gute Lösungen geschaffen?
Sabine Fehringer: Das ist durchaus eine Hürde, und zwar vor allem bei projektbezogenem Arbeiten. Wenn es darum geht, für ein bestimmtes Projekt ausländische Fachkräfte hinzuzuziehen, dann muss man leider sagen, die grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung ist zu schwierig, das ist oft nicht vernünftig realisierbar. Da ist der Aufwand zur Lösung der Fragen im Gewerberecht, in der Besteuerung, Sozialversicherung usw. für die Beteiligten dann zu groß.
Besser sieht es aus, wenn eine ausländische Forscherin oder ein ausländischer Forscher sich bei uns ansiedeln will: Das ist für EU-Bürger ohnehin kein Problem und auch von außerhalb der EU gibt es gute gesetzliche Rahmenbedingungen. Darum ist es oft einfacher, diesen Weg zu gehen – wenn das sinnvoll und erwünscht ist. Für ein einzelnes Projekt ist das aber natürlich manchmal keine Lösung.
Im Interview
- MMag. Dr. Maria Doralt MIM (CEMS) ist Partnerin bei DLA Piper Wien.
- MMag. Sabine Fehringer ist Partnerin bei DLA Piper Wien.