Wien. Seit 2018 können Volksbegehren in Österreich online unterstützt werden. Dadurch gibt es jetzt zwar mehr Volksbegehren, diese sind aber weniger erfolgreich, so eine aktuelle Analyse.
Der Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftliche Dienst (RLW) der Parlamentsdirektion hat für ein Fachdossier Daten über Volksbegehren vom Jahr 1964 bis heute ausgewertet. In diesem Zeitraum gab es im Jahr 2018 auch eine deutliche organisatorische Änderung: Musste man nämlich davor persönlich in ein Eintragungslokal der eigenen Gemeinde gehen, um ein Volksbegehren zu unterstützen, ist dies seit 2018 auch online möglich mittels ID-Austria.
Dies hat laut Parlamentskorrespondenz eine deutliche Veränderung in der Statistik gebracht: Es gibt nämlich laut Fachdossier wesentlich mehr Volksbegehren als früher.
- Von den insgesamt 106 Volksbegehren der zweiten Republik wurden 39 zwischen den Jahren 1964 und 2017 eingebracht.
- Seit 2018 waren es 67.
- Allein im Jahr 2023 konnten 19 Volksbegehren in der Eintragungswoche unterschrieben werden – und damit in einem Jahr fast halb so viele wie in den ersten fünf Jahrzehnten.
- Im Jahr 2024 gab es 14 Volksbegehren, wobei der Zeitraum der Untersuchung mit der letzten Legislaturperiode (bis 23.10.2024) endet.
Verändert hat sich laut den Angaben auch das Verhalten der Unterstützer:
- Bis 2017 unterzeichneten die allermeisten Personen ein Volksbegehren erst in der Eintragungswoche.
- Seit 2018 hat sich das gedreht: Die Mehrheit spricht sich bereits in der Unterstützungsphase davor für ein Volksbegehren aus – und das überwiegend online (76,9 %).
Über beide Phasen hinweg wird die Mehrheit der Unterschriften und Unterstützungserklärungen (54 %) online abgegeben.
Erfolgsquote seit 2018 deutlich niedriger
Seit 2018 übersprangen 46 Volksbegehren die Hürde der 100.000 Unterschriften. Von 1964 bis 2017 waren 35 Volksbegehren erfolgreich. Die Erfolgsquote lag vor Einführung der Online-Unterstützung bei knapp 90 % (35 der 39 Initiativen schafften es in den Nationalrat). Seit 2018 lag die Erfolgsquote nur noch bei knapp 69 %.
Nur ein Volksbegehren schaffte es seitdem in die Top 10 der erfolgreichsten Initiativen. Das Volksbegehren „Don’t smoke“ erreichte mit insgesamt 881.692 Unterstützungserklärungen und Unterschriften den sechsten Rang. Alle anderen Top-10-Plätze belegen Volksbegehren, die noch persönlich unterzeichnet werden mussten.
Weniger intensiv ist in den vergangenen Jahren auch die Auseinandersetzung mit den Anliegen im Nationalrat gewesen. Vor 2018 wurden Volksbegehren in der Regel mehrmals in einem Ausschuss beraten, häufig folgten Entschließungsanträge. In sechs Fällen setzten die Abgeordneten sogar einen eigenen Ausschuss für die Vorberatung eines Volksbegehrens ein.
Nur zwölf der 35 Volksbegehren zwischen 1964 und 2017 wurden lediglich einmal im Ausschuss und im Plenum beraten. Seit 2018 war das bei 36 der 46 Volksbegehren der Fall. Zu sechs Volksbegehren gab es Entschließungen. Besonderer Ausschuss zur Vorberatung wurde keiner eingesetzt.
Kritik am „Geschäftsmodell“ Volksbegehren
In der politischen Debatte über die Entwicklung von Volksbegehren äußerten Kritiker laut Parlamentskorrespondenz zuletzt die Vermutung, dass einige Initiatoren Volksbegehren als Geschäftsmodell nutzen würden. Denn pro Volksbegehren lasse sich aufgrund der fünffachen Kostenrückerstattung der Gebühren derzeit 13.686 Euro verdienen, heißt es.
Die Analyse kommt demnach zum Ergebnis, dass seit 2018 häufiger einzelne Gruppen von Initiatoren hinter den Volksbegehren stehen, die verschiedene Volksbegehren zu den gleichen oder ähnlichen Themen einbringen. In der Eintragungswoche im März 2024 stammten laut den Angaben acht von 14 Volksbegehren von denselben beiden Bevollmächtigten. Bis 2017 stammten Volksbegehren dagegen primär von Gewerkschaften, Parteien oder zivilgesellschaftlichen Akteuren.