Change-Management. Die Reorganisation eines Unternehmens ist ein mehrdimensionaler Change-Prozess. Unternehmensberater Georg Kraus sieht 12 entscheidende Punkte.
Wenn Unternehmen ihre Organisation neu strukturieren, bedenken sie oft nicht ausreichend, dass sich in deren Struktur und Prozessen auch die Unternehmenskultur widerspiegelt. Das kann dazu führen, dass die Reorganisation nicht die erhoffte Wirkung zeigt, so Georg Kraus, geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Kraus & Partner in Bruchsal, Deutschland, und Lehrbeauftragter an der Uni Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School sowie der technischen Uni Clausthal.
„Aktuell stehen viele Unternehmen vor der Notwendigkeit, außer ihren Strategien auch ihre Strukturen und Prozesse zu überdenken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Ursachen hierfür können sehr unterschiedlich sein. Meist führen jedoch mehrere Faktoren dazu, dass in Unternehmen allmählich die Erkenntnis reift, dass sie etwas tun müssen um die Marktfähigkeit zu bewahren oder wieder zu erlangen“, so Kraus.
12 Tipps für die Reorganisation
Die Reorganisation eines Unternehmens ist laut Kraus ein „komplexer Change-Prozess, der weit über das Anpassen der Strukturen hinausgeht“. Denn letztlich laute das übergeordnete Ziel stets, die gesamte Organisation – von der Strategie bis zur Kultur – so aufzustellen, dass sie zukunftsfähig ist. Deshalb sollten bei der Projektplanung und -gestaltung von den Verantwortlichen unter anderem folgende Faktoren beachtet werden, so der Unternehmensberater:
1. Eine klare Vision und Strategie entwickeln. Jede Reorganisation beginnt mit einer Vision, also bildhaften Vorstellung davon, wofür das Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft steht – also zum Beispiel in einem Jahr oder fünf oder gar zehn Jahren. Diese Zielvorstellung erleichtert es demnach allen Beteiligten, die Veränderungen zu verstehen und mitzutragen. „Die Vision sollte das Top-Management allen Mitarbeitern bzw. Betroffenen in einer einfachen, inspirierenden Sprache vermitteln; zum Beispiel mittels eines Storytellings, das auch die Dringlichkeit des Wandels verdeutlicht“, so Kraus.
2. Den Status quo analysieren. Für das Planen einer Reorganisation müssen die Entscheider genau wissen, wo ihr Unternehmen aktuell steht. „Also gilt es vorab dessen Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken zu ermitteln und zu überprüfen, welche Prozesse, Technologien und Strukturen bereits zukunftsfähig sind und welche noch nicht.“ In diesen Prozess sollten demnach auch Mitarbeiter integriert werden, weil jede Organisation „blinde Flecken“ und „pain points“ habe, über die keiner gerne spricht.
3. Die Strukturen und Abläufe systematisch erfassen. Bei einer Reorganisation sollen die Strukturen, Abläufe und Prozesse einer Organisation den neuen Zielsetzungen und veränderten Marktbedingungen angepasst werden. „Entsprechend wichtig ist eine genaue Analyse der aktuellen Abläufe, um beispielsweise Engpässe und redundante Prozesse zu identifizieren. Tools wie Prozesslandkarten und Workflows helfen, die erforderliche Transparenz zu schaffen und zu ermitteln, welche Prozesse zum Beispiel schlanker gestaltet oder gar automatisiert werden sollten.“
4. Neue Technologien gezielt einsetzen und nutzen. Oft ist der Einsatz neuer Technologien ein entscheidender Hebel für erfolgreiche Umstrukturierungen. Dabei sollte jedoch bedacht werden, dass der Technologieeinsatz kein Selbstzweck ist: „Er dient dazu, die übergeordneten Ziele zu erreichen. Wie effektiv die Technik genutzt wird, hängt auch von der Akzeptanz der Mitarbeiter ab. Und diese wird davon beeinflusst, wie kompetent sie sich im Umgang mit ihr fühlen“, so Kraus: „Deshalb sollte das Einführen neuer Technologien stets mit Weiterbildungsprogrammen verknüpft sein, damit die Mitarbeiter die neuen Technologien möglichst schnell effektiv nutzen.“
5. Mitarbeiter frühzeitig informieren und einbinden. Eine Reorganisation könne nur erfolgreich sein, wenn sie von den Mitarbeitern getragen wird. „Deshalb sollten die Führungskräfte top-down aktiv auf ihre Teams zugehen und im Dialog mit ihren Mitarbeitern in ihrem Umfeld eine Kultur der Mitgestaltung kreieren. Ein frühes Einbinden der Mitarbeiter hilft, die Akzeptanz zu steigern und Widerstände zu vermeiden. Zudem werden im Dialog mit ihnen oft wertvolle Ideen generiert, um beispielsweise Fallstricke im Projekt zu umgehen.“
6. Die Erfolgsbarrieren in der Kultur abbauen. Strukturelle Veränderungen seien in der Regel leichter umzusetzen als kulturelle. Doch ohne eine passende Unternehmenskultur zeigen Umstrukturierungen meist nicht die erhofften Wirkungen: „Entsprechend wichtig ist es, die kulturellen Barrieren zu identifizieren, die im Betriebsalltag dem Erreichen der Projektziele im Wege stehen und Widerstände produzieren. Dies können Führungskräfte unter anderem, indem sie in Workshops und im Dialog mit ihren Mitarbeitern, deren Ängste adressieren und darauf hinwirken, Vertrauen aufzubauen. Ein Vorleben der neuen Werte durch die Führungskräfte top-down ist ebenfalls entscheidend für das Eintreten der angestrebten kulturellen Veränderungen“, so der Unternehmensberater.
7. Ein pro-aktives Change-Management betreiben. Umstrukturierungen, die auch die Unternehmenskultur tangieren, seien ohne ein professionelles Change-Management selten erfolgreich: „Klare Kommunikationsstrategien, transparente Entscheidungen und gezielte Maßnahmen zur Akzeptanzförderung sind für ihren Erfolg unerlässlich. Das Top-Management kann zum Beispiel durch regelmäßige Status-Updates und eine offene, mitarbeiterorientierte Informationspolitik Vertrauen schaffen.“ Wichtig sei zudem ein Change-Management-Team, das den Prozess koordiniert und im Betriebsalltag als Ansprechpartner für die Mitarbeiter inklusive Führungskräfte auf der operativen Ebene fungiert.
8. Die Führungskräfte „empowern“ und „supporten“. Die Vorgesetzten bzw. Führungskräfte der Mitarbeiter sind bei Reorganisationen im Betriebsalltag die treibende Kraft im Wandel. Ihre Haltung und ihr Engagement entscheiden maßgeblich über den Erfolg des Projekts. „Dabei gilt es jedoch zu bedenken: Jede Reorganisation bedeutet für die Führungskräfte Mehrarbeit und eine erhöhte emotionale Belastung. Zudem plagen sie als Mitarbeitende der Organisation oft ähnliche Sorgen wie ihr Team. Trotzdem müssen sie stets Zuversicht ausstrahlen“, so Kraus. Entsprechend wichtig sei ein Empowerment und Support der Führungskräfte beispielsweise durch Coachings und indem das Change-Management-Team sie im Arbeitsalltag beratend unterstützt.
9. Agil sein und flexibel bleiben. Langfristige, detailliert ausgearbeitete Pläne sind in einer von rascher Veränderung geprägten Welt oft schnell überholt oder erweisen sich als nicht zielführend – zum Beispiel, weil die Rahmenbedingungen sich geändert haben. „Deshalb sollte bei den Reviews, die im Rahmen der Reorganisation stattfinden, nicht nur überprüft werden, inwieweit die bisherigen Maßnahmen zielführend waren, sondern auch, inwieweit eventuell auch die Projektziele selbst einer Nachjustierung bedürfen. Ist dies der Fall, sollte auch der Maßnahmenplan modifiziert werden.“
10. Als Top-Management am Ball bleiben. Oft beschließt das Top-Management eines Unternehmens zwar dessen Reorganisation, doch dann delegiert es die Projektverantwortung an ein Change-Management-Team oder einen Fachbereich wie den IT- oder HR-Bereich. Das wirkt sich auf die Erfolgsaussichten aus – und zwar oftmals negativ: „Denn das Engagement des Top-Managements ist für die Mitarbeiter ein zentraler Indikator dafür, welche Bedeutung die Unternehmensleitung einem Projekt beimisst. Deshalb sollte diese den Mitarbeitern Projektverlauf immer wieder zeigen: Dieses Projekt hat für uns eine sehr hohe Relevanz“, so Kraus. Dies sei unter anderem möglich, indem die Top-Entscheider das Projekt in der firmeninternen Kommunikation immer wieder thematisieren oder in Meetings mit den Mitarbeitern über dessen Verlauf debattieren.
11. Neue Routinen und Verhaltensweisen etablieren. Im Rahmen von Reorganisations- und Umstrukturierungsprojekten sinkt in der Regel zunächst einmal die Performance der Organisation – auch weil viele Routinen, die die Mitarbeiter beim Arbeiten in den gewohnten Strukturen entwickelt haben, obsolet werden. Stattdessen müssen sie teils neue Verhaltensweisen zeigen und beim Arbeiten in den neuen Strukturen und Prozessen erst wieder neue Routinen entwickeln. „Dies erfordert Zeit. In dieser Übergangsphase benötigen die Mitarbeiter mehr Unterstützung durch ihre Führungskräfte – unter anderem, indem diese ihnen regelmäßig ein Feedback geben, inwieweit ihr Verhalten bereits den neuen Anforderungen entspricht. Zudem sind Schulungen nötig, damit bei den Mitarbeitern mit der Zeit wieder die Verhaltenssicherheit entsteht, die gute Mitarbeiter auszeichnet.“
12. Erfolge kommunizieren und feiern. Die Unsicherheiten der Mitarbeiter verschwinden allmählich, wenn diese im Arbeitsalltag die Erfahrung sammeln: „Entsprechend wichtig ist es, Erfolge – individuelle und kollektive – zu kommunizieren. Deshalb sollte man auch das Erreichen von Meilensteinen mit den Mitarbeitern feiern: als Zeichen der Wertschätzung der erbrachten Leistung und zwecks Motivation auf dem eingeschlagenen Weg fortzufahren“, so Kraus.