Karlsruhe. Der deutsche Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Birkenstock-Sandalen nicht als Kunst schützbar sind. Es kommt jedoch auf die Details an, so Noerr-Anwalt Tobias Voßberg.
Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass Sandalenmodelle des börsenotierten Herstellers Birkenstock keine urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind (Urteile vom 20. Februar 2025 – I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24). Er hat damit eine Entscheidung der Vorinstanz (Oberlandesgericht) bestätigt.
Der Spruch wurde mit Spannung erwartet, da es dem deutschen Schuhproduzenten mit Hauptsitz in Linz am Rhein nicht um die Kunst per se ging: Er wollte Schutz vor Nachahmern erreichen – ein Anliegen, dass er mit vielen anderen Produzenten von Konsumartikeln in Europa gemeinsam hat. „BGH erlaubt billige Kopien von Birkenstock-Sandalen“, betitelt daher das deutsche Handelsblatt seinen Bericht zur Entscheidung.
Worauf es bei Kunst ankommt
Konkret sieht der BGH laut eigener Aussendung die Sache mit der Kunst so: „Das Oberlandesgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass Urheberrechtsschutz voraussetzt, dass ein gestalterischer Freiraum besteht und in künstlerischer Weise genutzt worden ist. Ein freies und kreatives Schaffen ist ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen.“
Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst sei – wie für alle anderen Werkarten auch – eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich, so der BGH: „Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lässt. Wer urheberrechtlichen Schutz beansprucht, trägt die Darlegungslast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen.“
Das Oberlandesgericht habe sich mit sämtlichen Gestaltungsmerkmalen auseinandergesetzt, die nach Auffassung der Klägerin den Urheberrechtsschutz ihrer Sandalenmodelle begründen. „In rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht festgestellt werden kann, dass der bestehende Gestaltungsspielraum in einem Maße künstlerisch ausgeschöpft worden ist, das den Sandalenmodellen der Klägerin urheberrechtlichen Schutz verleiht“, heißt es.
Es ist nicht aller Tage Abend
Alle Tore in Richtung Schutz der Kunst schließen sich damit nicht, so Tobias Voßberg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei der Kanzlei Noerr (nicht in das Verfahren involviert), in einer Aussendung: „Die Entscheidung dürfte großen Einfluss auf die Frage haben, in welchem Umfang Alltagsgegenstände urheberrechtlich geschützt sind. Wichtig ist aber: Die Vorinstanz hatte den urheberrechtlichen Schutz der Sandalen verneint, weil bei der Gestaltung der Sandalen vor allem Gesundheitsaspekte und weniger eine kreative Leistung im Vordergrund gestanden haben sollen. Das Fußbett sollte z.B. die Füße entlasten. Der BGH gab dem Recht.“ Es sei daher aber nicht ausgeschlossen, dass „andere Schuhgestaltungen durchaus urheberrechtlich schutzfähig sein können“, so Voßberg.
Birkenstock selbst will sich nicht geschlagen geben. Anwalt Konstantin Wegner (Kanzlei SKW Schwarz) kündigt die Prüfung weiterer Schritte bis hin zum EuGH an. Übrigens gehört Birkenstock heute über eine Investmentgesellschaft zum französischen LVMH-Konzern, in dessen Heimatland Schuhwerk schon erfolgreich gegen Nachahmer geschützt wurde.