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Business, Recht

„Österreich ist interessant, muss aber mehr für Standortattraktivität tun“

Gerald Stefan (Extrajournal.Net), Christoph Mager, Elisabeth Stichmann ©DLA Piper

Interview. Österreich ist auch in Zeiten trüber Konjunktur ein interessanter Markt für Unternehmenstransaktionen, könnte das Umfeld aber verbessern, sagen Christoph Mager und Elisabeth Stichmann von Kanzlei DLA Piper.

Extrajournal.Net: Die Zeiten sind herausfordernd, die Konjunktur ist unter Druck, aktuell sorgen die neuen Zölle der USA unter Donald Trump für Aufregung. Wie entwickelt sich der Markt für Unternehmenstransaktionen vor diesem Hintergrund?

Christoph Mager: Das Marktumfeld ist nach wie vor günstig, da unsere globale Kanzlei in diesem Bereich gut aufgestellt ist. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich jedoch die Rahmenbedingungen für Transaktionen spürbar verändert – nicht zuletzt auch als Folge des neuen wirtschaftlichen Umfelds. Viele Verhandlungspartner prüfen derzeit bestimmte Aspekte ausführlicher und nehmen sich mehr Zeit für die Entscheidungsfindung, während früher häufig schneller Einigungen erzielt wurden.

Die Verhandlungsphase dauert jetzt typischerweise auch länger, auch die Due Diligence, also die Prüfung des zu kaufenden Unternehmens, ist jetzt wahrscheinlich extensiver. Das gilt aber auch für die Verkäuferseite: Die Verkäufer warten durchaus auch länger, da sie hoffen, später einen besseren als den aktuell gebotenen Preis zu erzielen. Ein Faktor ist sicher auch, dass es aufwändigere Prüfungen durch die Behörden gibt. Insbesondere im Falle von Foreign Direct Investments (FDI) sind die Anforderungen höher geworden, das hatte sicher ebenfalls einen bremsenden Effekt – doch hat sich der Markt in letzter Zeit zunehmend darauf eingestellt.

Das Marktumfeld ist grundsätzlich stabil: Private-Equity-Investoren zeigen weiterhin großes Interesse und auch Industrieunternehmen sind bereit zu investieren – vorausgesetzt, sie finden passende Zielunternehmen, etwa solche, die strategisch relevant sind oder technologisches Know-how einbringen. In Österreich spielt zuletzt vermehrt auch ein gewisser Sanierungsdruck eine Rolle, insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender und teils großvolumiger Insolvenzen. Dieser Mix an Faktoren führt dazu, dass das Transaktionsgeschehen hierzulande nach wie vor auf einem konstant hohen Niveau bleibt.

„Wann wenn nicht jetzt“

Elisabeth Stichmann: Ungebrochen ist der Trend auch bei Transaktionen im Zusammenhang mit Reorganisationen, mit denen sich ein Unternehmen zum Beispiel durch den Verkauf von Bereichen in Vorbereitung auf einen Börsegang attraktiv machen will. Für uns Berater ist Österreich jedenfalls ein interessanter M&A-Markt, allerdings könnte sich Österreich etwas mehr um die Standortattraktivität bemühen. Die neue Regierung hat sich ja viel vorgenommen, was die Wirtschaft betrifft – der Zeitpunkt wäre der richtige, wann wenn nicht jetzt, könnte man sagen.

Um welche Aspekte des Wirtschaftsstandorts Österreich geht es – die Bürokratie, zum Beispiel was strenge FDI-Regeln betrifft?

Elisabeth Stichmann: Die Bürokratie ist natürlich ein Thema. Wir informieren, nur als Beispiel genannt, regelmäßig ausländische Mandantinnen und Mandanten, die am österreichischen Markt tätig werden wollen, zum Konzept der österreichischen Gewerbeordnung, denn so etwas gibt es in der Form in anderen Ländern eigentlich nicht und der erste Kontakt damit löst häufig Verwunderung aus. Doch muss man sagen, dass in der Vergangenheit bereits einiges geschehen ist, um Österreich hier attraktiver zu machen. Auch mit den strengen Maßstäben im FDI-Bereich können ausländische Investoren inzwischen umgehen.

Es geht vielmehr um das Gesamtpaket: Österreich muss etwas tun, um im Wettbewerb mit anderen Standorten gerade jetzt attraktiver zu wirken, dazu gehören auch Steuermaßnahmen. Passt das Umfeld geschäftlich nicht, beginnen sich Konzerne zurückzuziehen, gleichzeitig sind etwa durch die Automobilkrise ganze Branchen wie die Autozulieferer unter Druck. Die Unternehmen spüren einfach die hohen Kosten und das schwache Wirtschaftswachstum. Gleichzeitig müssen wir uns mehr auf unsere Stärken besinnen. Österreich ist beispielsweise sehr gut im Bereich Life Sciences, vielleicht sollte Österreich als kleines Land gerade solche Bereiche, in denen wir viel vorzuweisen haben, verstärkt ausbauen.

Christoph Mager: Österreich ist als Standort für Forschung & Entwicklung inzwischen sehr gut aufgestellt, das wirkt durchaus anziehend auf die Global Players. Auch beim Schutz des geistigen Eigentums ist das Land gut positioniert. Aber wenn es darum geht, die Innovationen breit in den Weltmarkt zu bringen, sind wir weniger stark. Wir haben eher spezialisierte KMU, die in ihren Spezialgebieten zwar zur Spitze gehören, aber relativ klein sind – es handelt sich um starke Nischenplayer. Diese Verbindungen zu internationalen Playern zu betreuen, ist folglich ein wichtiges Aufgabengebiet für DLA Piper als globale Wirtschaftskanzlei und eine unserer Stärken.

Neue Anforderungen im Transaktionsgeschäft

Wie groß ist DLA Piper in Österreich, wie groß ist das M&A-Team?

Christoph Mager: Wir sind aktuell 67 Juristinnen und Juristen in Österreich, davon gehören 15 direkt dem M&A-Team an und dieses ist somit die zweitgrößte Praxis in unserem Wiener Büro. Bei der Begleitung einer Transaktion sind allerdings häufig auch noch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Praxisgruppen involviert, beispielsweise aus dem Arbeits- oder Steuerrecht.

Elisabeth Stichmann: Von den 15 Juristinnen und Juristen im M&A-Team sind fünf Partner, davon drei weiblich – das ist fast eine Alleinstellung von uns in Österreich, die wir unserer starken Talenteförderung verdanken. Unser M&A-Team ist tendenziell mehr „senior“ als „junior“, also besteht großteils aus erfahrenen Kolleginnen und Kollegen. Das liegt sicher daran, dass sich die Anforderungen bei der Beratung im Transaktionsgeschäft geändert haben. Es gibt heutzutage kein riesiges Team von Konzipientinnen und Konzipienten mehr, das in einem physischen Datenraum sitzt und Verträge mittels Diktiergerät zusammenfasst. Man konzentriert sich häufiger auf die Analyse kommerziell relevanter Bereiche und Themen. Bei diesem Wandel hat sicherlich die Digitalisierung und KI eine Rolle gespielt, aber auch die Komplexität heutiger Unternehmenskäufe. Es geht heute vielmehr darum, Risiken einzuschätzen, als tausende Verträge zusammenzufassen. Die Zusammenfassungen und dergleichen überlässt man weitgehend der KI.

Ist Seniorität auch deshalb notwendig, weil heute vielleicht bei Unternehmenskäufen mehr „gestritten“ wird als früher?

Elisabeth Stichmann: In Summe sind die Streitigkeiten aus M&A-Transaktionen auch heute noch vergleichsweise selten. Es ist aber schwer zu sagen, ob heute etwa mehr Fehler aufgedeckt werden oder ob die Unternehmen selbst früher eher compliant waren als heute.

Zugenommen hat aber die Bereitschaft, eine Versicherung im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen abzuschließen – das ist ein Trend, der in Deutschland und Osteuropa bereits stark ausgeprägt ist und auch zunehmend in Österreich angenommen wird. Diese Entwicklungen beleuchten wir auch in unserem aktuellen M&A-Report, einer internationalen DLA Piper Studie. Der Report macht deutlich, dass es hinsichtlich Unternehmenskäufen trotz aller Ähnlichkeiten weiterhin wichtige kulturelle Unterschiede zwischen Europa, Amerika und Asien, aber auch einzelnen Staaten gibt, was Unternehmenskäufe betrifft. Auf diese Unterschiede einzugehen, gehört zu unseren Aufgaben – es geht auch um Expectation Management.

Wie werden die erwähnten KI-Tools bei Ihnen in der Praxis eingesetzt, wenn Sie einen Unternehmenskauf betreuen?

Elisabeth Stichmann: Die KI fasst nicht nur viele Dokumente zusammen, sondern hilft, die wichtigen Punkte zu identifizieren. Zum Beispiel will man wissen, ob in den Key Contracts, also den Verträgen mit wichtigen Geschäftspartnern, eine Change of Control-Klausel enthalten ist, die zur Anwendung kommt, wenn sich die Kontrolle über das zu kaufende Unternehmen ändert. Das kann die KI schnell und mit einer sehr niedrigen Fehlerquote liefern. Oder sie ermöglicht es, kartellrechtliche Risikoprofile zu erstellen.

Christoph Mager: In einigen Jahren wird sie dann vermutlich schon selbst bei der Analyse von Dokumenten die relevanten Themen im Hinblick auf die geplante Akquisition erkennen und diese aus den Unterlagen herausfiltern. Das wird dann den Due Diligence-Markt nochmals verändern.

Diese Produkte sind aber natürlich auch mit Investitionen verbunden. Die Querverbindungen zu juristischen Datenbanken werden dabei als nächster Schritt wichtig werden. Bei den Verhandlungen eines Unternehmenskaufs geht es dann nur noch um die wirklich wichtigen Themen, da sitzen sich nach wie vor Menschen gegenüber, und dafür sind Senior Teams unerlässlich.

Ist der M&A-Bereich beim Einsatz von KI-Tools führend?

Christoph Mager: Der Compliance-Bereich, insbesondere das Kartellrecht, war sicher führend, dann folgt schon an zweiter Stelle der M&A-Bereich, der als sehr breiter Bereich gilt. Es handelt sich dabei um eine klassische Querschnittsmaterie.

Im Interview

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