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Bildung & Uni

Neues aus Medizin und Forschung: Bakterienstämme, Zucker-Ersatz und mehr

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Dirk Tischler (li.) und Artur Maier (© RUB/ Marquard / beigestellt)

Health & Care. Aktuelle Forschungsergebnisse behandeln Mikroorganismen, ein neues Antibiotikum, Lungenkrebs-Therapien, Covid, Sucralose und eine Gentherapie bei Taubheit.

Naturstoffe im Kampf gegen Bakterien und Pilze 

Mikroorganismen produzieren zahlreiche Substanzen, die als potenzielle Wirkstoffe gegen Bakterien und Pilze infrage kommen. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Prof. Sandy Schmidt (Universität Groningen) und Prof. Dirk Tischler (Ruhr-Universität Bochum) hat nun Enzyme identifiziert, die gezielt funktionelle Gruppen solcher Naturstoffe herstellen können. Im Fokus standen dabei Kutzneride, eine Stoffgruppe, die gegen bestimmte Pilze und Gram-positive Bakterien wirksam ist.

Die Forscher konnten demnach Enzyme so optimieren, dass sie Stickstoff-Stickstoff-Bindungen, sogenannte Hydrazine, in verschiedenen Substraten erzeugen. Durch Mutagenese wurden die Enzyme weiter angepasst, um unterschiedliche Substrate umzusetzen und als Kaskade zu arbeiten. Dabei gelang es, auch nicht-natürliche Substrate in zyklische Ringstrukturen mit Stickstoff-Stickstoff-Bindung zu überführen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift ACS Catalysis veröffentlicht. Das Projekt wurde durch die EU und die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG gefördert.

Neue Chancen im Kampf gegen hochresistente Bakterienstämme

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Wien und des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland hat ein neues Glykopeptid-Antibiotikum entdeckt: Saarvienin A zeigt eine starke Wirkung gegen hochresistente Bakterienstämme, darunter Vancomycin-resistente Enterokokken und Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus. Die Verbindung wurde aus einem Amycolatopsis-Stamm isoliert, der in einer chinesischen Seltenerdmine gefunden wurde. Im Gegensatz zu etablierten Glykopeptiden bindet Saarvienin A nicht an das typische Zielmolekül der bakteriellen Zellwandsynthese, sondern wirkt vermutlich über einen anderen Mechanismus.

Die Strukturanalyse ergab laut den Angaben einen halogenierten Peptidkern mit einer ungewöhnlichen Ureidoverbindung und einer Kette aus fünf Zucker- und Aminozuckereinheiten, von denen zwei bisher unbekannt sind. In Tests übertraf Saarvienin A die Wirksamkeit von Vancomycin, auch bei mehrfach resistenten Bakterienstämmen. Die Forscher planen nun, das Molekül für die klinische Anwendung weiterzuentwickeln und dabei die Zytotoxizität zu reduzieren. Die Entdeckung unterstreiche das Potenzial bislang unerschlossener natürlicher Ressourcen für die Entwicklung neuer Antibiotika.

Lungenkrebs: Studie zeigt Wirkung höherer Strahlendosen

Eine aktuelle Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften hat die Wirkung höherer Strahlendosen bei nicht-operablem Lungenkrebs untersucht. Die Ergebnisse zeigen demnach, dass eine Strahlendosis von 70 Gy, kombiniert mit Immuntherapie, das Risiko für schwerwiegende Lungenentzündungen (Pneumonitis) nicht erhöht. Im Vergleich zu niedrigeren Dosen traten bei den Patientinnen und Patienten mit höherer Strahlendosis nicht häufiger entzündliche Reaktionen auf. Die Studie basiert auf retrospektiven Daten von knapp 40 Betroffenen. In der Hochdosis-Gruppe lag die Rate an Pneumonitis bei 34,5 Prozent, während sie in der Gruppe mit geringerer Dosis 50 Prozent betrug. Nur ein schwerer Fall von Pneumonitis wurde beobachtet, und dieser trat in der niedrig dosierten Gruppe auf.

Besonders auffällig war laut den Forschenden die Verbesserung des Gesamtüberlebens: Nach einem Jahr lebten in der Hochdosis-Gruppe noch über 93 Prozent der Patientinnen und Patienten, diese Rate blieb auch nach vier Jahren nahezu konstant. Das mediane Überleben in der Niedrigdosis-Gruppe lag hingegen bei 31 Monaten, zudem wurden dort häufiger Tumorprogressionen festgestellt. Die Sicherheit der Behandlung wurde durch eine exakte Planung und die Einhaltung kritischer Grenzwerte gewährleistet, heißt es. Die Studie der Uni lege nahe, dass eine intensivere Strahlentherapie bei stabiler Lungenfunktion das Überleben verbessern kann, ohne das Risiko für Nebenwirkungen zu erhöhen. Die Ergebnisse unterstreichen zudem die Bedeutung individuell abgestimmter Therapien und einer regelmäßigen Neubewertung etablierter Grenzwerte.

Studie zur Leistungsfähigkeit nach Covid-Erkrankung

Eine placebokontrollierte Studie mit Covid-19-Patientinnen und -Patienten hat laut den Forschenden gezeigt, dass ein neues, patentgeschütztes Präparat mit hochdosiertem Vitamin B3 (Nicotinamid) die körperliche Leistungsfähigkeit nach einer solchen Erkrankung schneller wiederherstellt. Entwickelt wurde die Tablette CICR-NAM am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel. Das Präparat setzt Nicotinamid gezielt im Darm frei, wodurch das Darmmikrobiom positiv beeinflusst und ein Vitaminmangel ausgeglichen werden kann.

In der Studie erreichten die mit CICR-NAM behandelten Personen innerhalb von zwei Wochen häufiger ihre normale Leistungsfähigkeit als die Placebo-Gruppe. Besonders bei Risikopatienten, etwa Rauchern oder Menschen mit Lungenerkrankungen, zeigte sich ein deutlicher Nutzen. Zusätzlich wurde festgestellt, dass Patienten, die gut auf die Intervention ansprachen, weniger Post-Covid-Symptome entwickelten. Die positiven Effekte werden auf die gezielte Beeinflussung des Mikrobioms zurückgeführt. Die Entwicklung des Präparats basiere auf langjähriger Forschung im Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI). Der Cluster vereint rund 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an mehreren Standorten in Schleswig-Holstein. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Nature Metabolism veröffentlicht.

Sucralose verstärkt das Hungergefühl

Künstliche Süßstoffe wie Sucralose werden zunehmend in der Lebensmittelindustrie eingesetzt, da sie nahezu keine Kalorien enthalten. Eine internationale Studie unter Beteiligung des Universitätsklinikums Tübingen untersuchte die Auswirkungen von Sucralose auf das Gehirn. Die Ergebnisse zeigen, dass Sucralose im Hypothalamus, einem Bereich des Gehirns, der das Hungergefühl steuert, die Aktivität erhöht. Besonders bei Menschen mit Adipositas wurde ein verstärktes Hungergefühl festgestellt.

Die Studie ergab demnach, dass das Hungergefühl nach Sucralose-Konsum um etwa 17 Prozent anstieg. Zudem beeinflusste Sucralose die Vernetzung mit Gehirnregionen, die für Motivation und Entscheidungsfindung zuständig sind. Bluttests zeigten, dass Sucralose keinen Einfluss auf Sättigungshormone hat. Die Forschenden vermuten, dass künstliche Süßstoffe das Gehirn verwirren, indem sie Süßesignale ohne Kalorien liefern und so das Essverhalten beeinflussen.

Studie zu Gentherapie bei angeborener Taubheit

Am Universitätsklinikum Tübingen wurde erstmals in Deutschland ein Kind mit angeborener Taubheit aufgrund einer Otoferlin-Genmutation im Rahmen einer klinischen Studie gentherapeutisch behandelt. Diese Form der Schwerhörigkeit betrifft etwa 1 bis 8 Prozent der genetisch bedingten Fälle und führt dazu, dass das Innenohr zwar Schall aufnimmt, die Signale aber nicht an den Hörnerv weiterleitet. Bisher galten Cochlea-Implantate als Standardtherapie, die bei vielen Kindern erfolgreich eingesetzt werden, jedoch die Ursache nicht beheben.

Die nun eingesetzte Gentherapie bringt eine gesunde Kopie des OTOF-Gens direkt in die Cochlea ein, um das natürliche Hörvermögen auf molekularer Ebene wiederherzustellen. Erste Ergebnisse aus der Studie zeigen demnach, dass 10 von 11 behandelten Kindern Verbesserungen des Hörvermögens zeigten, darunter ein 10 Monate altes Kind, das nach 6 Wochen auf Sprache und Töne reagieren konnte. Die Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie werden nun weiter in mehreren Ländern überprüft, um belastbare Daten zu gewinnen. Das Universitätsklinikum Tübingen betont, dass Gentherapie und Cochlea-Implantate sich ergänzen und die Auswahl an Behandlungsmöglichkeiten für betroffene Kinder erweitern sollen.

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