Interview. Österreicher können grundsätzlich Verluste aus Online-Casinos im Ausland zurückfordern. Jufina Vorstand Stefan Schleicher will dazu jetzt EZB-Bankeinlagen einklagen: Juristisches Neuland, aber „wir sind gut vorbereitet“.
Eine neue Situation
Österreicher können grundsätzlich Verluste aus Online-Casinos im Ausland zurückfordern, wenn der entsprechende Anbieter keine Österreich-Konzession hat, so mehrere Gerichtsurteile. Prozessfinanzierer Jufina geht nun wie berichtet gegen maltesische Anbieter vor. Allerdings ließen sich österreichische Urteile gegen diese bisher nicht vollstrecken, weil ein 2023 erlassenes maltesisches Gesetz das verbietet – trotz EU-Mitgliedschaft.
Nun hat Österreichs Oberster Gerichtshof (OGH) entschieden, dass Betroffene auch in Österreich Exekutionstitel gegen einen solchen Wett-Anbieter erwirken werden können. Dafür ist laut Ankündigung von Jufina ein mehrstufiges Procedere nötig: Zuerst konnte ein solcher österreichischer Exekutionstitel gegen den Anbieter erreicht werden, womit die Bank des Anbieters auf Malta zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre, weil dort die Spielverluste am Konto des Anbieters liegen, wie es heißt. Von der Bank war das Geld aber auch nicht zu bekommen.
Daher möchte die Betroffene nun im nächsten Schritt die Bank direkt klagen – so dass die Behörden schließlich bei weiterer Zahlungsunwilligkeit auf die Einlagen zugreifen können, die die maltesische Bank bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hält. Dazu ist eine Klage in Deutschland nötig, wie Jufina angibt.
„Dauer keinesfalls abschätzbar“
Extrajournal.Net: Ist ein solcher Griff nach den EZB-Einlagen einer Bank in der Rechtsdurchsetzung Routine oder betreten Sie damit Neuland, zumindest was Glücksspiel-Klagen betrifft?
Stefan Schleicher: Ja, mit dieser Methode schaffen wir meines Wissens bei solchen Glücksspiel-Klagen einen ganz neuen Weg. Zum zeitlichen Ablauf: Der Eingriff in die EZB-Einlagen ist erst der letzte Schritt bei der Exekution der Online-Casinos. Zuerst wurde jetzt die Exekution des Bankguthabens der Online-Casinos bei den maltesischen Banken in die österreichische Zuständigkeit geholt. So konnte das Bezirksgericht Salzburg die Bank zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung auffordern, die festlegt, ob ein relevantes Guthaben besteht und im Fall des Bestehens zur Auszahlung in Höhe der exekutierten Forderung verpflichtet.
Die diesbezügliche Frist ist ohne Reaktion der Bank verstrichen, weshalb nun die Drittschuldnerklage beim Bezirksgericht Salzburg eingebracht werden kann. Bei Erfolg in diesem Verfahren erhält die Gläubigerin einen Exekutionstitel gegen die maltesische Bank. Falls diese dann noch immer nicht zahlt, kann man Exekution auf das ausländische Vermögen der Bank führen – eben auf die Einlagen bei der EZB.
„Die Dauer ist keinesfalls abschätzbar, aber wir sind vorbereitet“
Wie lange könnte das gesamte Verfahren voraussichtlich dauern, insbesondere wenn die Gegenseite ihrerseits Rechtsmittel ergreift?
Stefan Schleicher: Das ist keinesfalls abschätzbar. Wir rechnen mit mindestens ein bis zwei Jahren. Sollten Höchstgerichte hinzugezogen werden, kann es auch länger dauern. Darauf sind wir aber gut vorbereitet. Schon bei den Ordinations-Anträgen selbst haben wir Beharrlichkeit bewiesen, da es mehrere Anläufe gebraucht hat, um die gewünschte Ordination bewilligt zu bekommen und nunmehr die Drittschuldnerklage gegen die Bank of Valetta einbringen zu können.
Mit der „Ordination“ hat der OGH die Möglichkeit bei Streitfällen, in denen Österreich international nicht zuständig ist, eine Zuständigkeit in Österreich ausnahmsweise zu begründen, wenn einer in Österreich lebenden Person die Rechtsverfolgung vor einem eigentlich zuständigen ausländischen Gericht unmöglich oder unzumutbar ist. Hier sind konkret die maltesischen Gerichte für die Exekution der Forderung zuständig, jedoch verwehren diese die Exekution mit abenteuerlichen Begründungen, weshalb die Rechtsverfolgung für die österreichischen Betroffenen unzumutbar ist.
„Hohe Dunkelziffer“
Wie viele Betroffene gibt es theoretisch – insgesamt und bei Ihnen?
Stefan Schleicher: Das ist schwer zu sagen, weil die Dunkelziffer sehr hoch sein dürfte. Es gibt keine belastbaren offiziellen Zahlen – denn immerhin sprechen wir von großteils illegalen Casinos.
Bei uns werden aktuell ca. 600 neue Verfahren pro Monat angestrengt – Tendenz steigend. Und ein guter Teil dieser Verfahren betrifft jene Casinos, die entweder schleppend oder gar nicht bezahlen. Sie sind es, die wir jetzt mit der neuen Exekutionsmöglichkeit gegen die maltesischen Banken treffen können.
Wer berät Jufina rechtlich bzw. anwaltlich beim Thema Malta-Online-Casinos?
Die ursprüngliche Idee des Ordinationsantrages kam aus unserem internen juristischen Team. In der Umsetzung der Klagen arbeiten wir im Bereich Glücksspiel mit Rechtsanwalt Florian Knaipp von Allmayer Beck Stockert Rechtsanwälte, Bertram Broesigke sowie Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte zusammen.
Im Interview
Mag. Stefan Schleicher ist Vorstand von Jufina (Juno Finanz AG) in Wien.