Interview. Nachhaltigkeit ist ein großes Schlagwort – aber oft nicht mehr als das. Martin Kreeb, Rektor der University of Sustainability (Charlotte Fresenius Privatuni) spricht über die Standards, einschlägige Bildungsangebote und seine Ziele.
Nachhaltigkeitsziele in Zeiten budgetärer Engpässe
Extrajournal.Net: Herr Kreeb, Nachhaltigkeitsziele rücken vor dem Hintergrund budgetärer Probleme vielfach in den Hintergrund – was sollte Österreich ihrer Meinung nach in dieser Hinsicht tun?
Martin Kreeb: Österreich steht vor der Herausforderung, trotz budgetärer Engpässe an seinen Nachhaltigkeitszielen festzuhalten. Nachhaltige Investitionen – etwa in erneuerbare Energien, klimafitte Infrastruktur und Bildung – sind keine Zusatzkosten, sondern zentrale Zukunftssicherungen. Gerade diese Bereiche schaffen Arbeitsplätze, stärken die Innovationskraft und senken langfristig öffentliche Ausgaben. Eine sozial gerechte CO₂-Bepreisung mit Ausgleichsmechanismen wie dem Klimabonus kann dabei ökologische Lenkung mit sozialem Ausgleich verbinden. Gleichzeitig sollte Österreich Förderungen konsequent an Nachhaltigkeitskriterien knüpfen und umweltschädliche Subventionen abbauen.
Notwendig ist auch eine klare gesetzliche Verankerung von Klima- und Nachhaltigkeitszielen sowie eine koordinierte Umsetzung auf allen Verwaltungsebenen. Österreich hat das Potenzial, eine Vorreiterrolle einzunehmen und ökonomische Stabilität mit ökologischer Verantwortung zu verbinden. Nicht zu vergessen: nur die Einpreisung von externen Kosten in das heutige Preissystem ist kosteneffizient in der Zukunft.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Martin Kreeb: Klimaschädliche Subventionen des Individualverkehrs heute sind doppelt teuer – heute und erst recht morgen. Das Umweltbundesamt schätzt die externen Kosten von CO₂-Emissionen in Deutschland für das Jahr 2024 auf etwa 300 Euro pro Tonne CO₂ bei einer einprozentigen Zeitpräferenzrate. Das bedeutet, dass zukünftige Schäden mit einem Zinssatz von einem Prozent abgezinst werden. Bei null Prozent Zeitpräferenzrate, also ohne Abzinsung, steigt der Wert auf 880 Euro pro Tonne CO₂. Diese Werte basieren auf der Methodenkonvention des Umweltbundesamtes in Berlin zur Ermittlung von Umweltkosten, an der ich mitgearbeitet habe. Der Preis für Emissionszertifikate im Europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) erreichte im Mai dieses Jahres 70 Euro pro Tonne CO₂. Also kurz gesagt: die Preise für CO2-Emissionen sind völlig unbewertet.
Ohne verbindliche Standards geht es nicht
Besteht die Gefahr, dass Nachhaltigkeit inzwischen in vielen Bereichen zum reinen Schlagwort geworden ist? Und sind daher Zertifizierung und andere Nachweise echter Nachhaltigkeit umso wichtiger?
Martin Kreeb: Ja, die Gefahr ist real: Nachhaltigkeit wird oft als Schlagwort verwendet, ohne dass konkrete Taten folgen. Ohne verbindliche Standards bleibt vieles freiwillig und unverbindlich, was Greenwashing Vorschub leistet. Zertifizierungen und transparente Berichterstattung – etwa nach ESG- oder GRI-Standards – schaffen Vergleichbarkeit und Glaubwürdigkeit. Sie ermöglichen es Konsumentinnen und Konsumenten, fundierte Entscheidungen zu treffen, und belohnen tatsächlich nachhaltiges Wirtschaften. Auch der Staat sollte Nachhaltigkeit konsequent prüfen und fördern, anstatt nur darüber zu sprechen. Nur so wird Nachhaltigkeit von einem Modewort zu einem echten Steuerungsprinzip.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft derzeit in der universitären Aus- und Weiterbildung in Österreich?
Martin Kreeb: Die Angebote im Bereich Kreislaufwirtschaft an österreichischen Hochschulen sind oft noch selten und teilweise wenig anwenderfreundlich. Ein Grund dafür ist die starke Fachorientierung vieler Studiengänge, die interdisziplinäre Themen wie Kreislaufwirtschaft nur schwer integrieren. Zudem fehlt es häufig an Lehrenden mit praktischer Erfahrung und an curricularem Spielraum für praxisnahe Inhalte. Viele Programme sind zu theoretisch angelegt und richten sich nicht an eine breite, auch nicht-akademische Zielgruppe.
Auch Kooperationen mit Wirtschaft und öffentlichen Institutionen sind oft unzureichend, obwohl gerade sie reale Problemstellungen und Anwendungsmöglichkeiten einbringen könnten. Damit Kreislaufwirtschaft in der Hochschulbildung ankommt, braucht es mehr Praxisbezug, interdisziplinäre Ansätze und eine klare institutionelle Priorität. Im Juni 2024 haben wir dazu ein Weiterbildungsprogramm entwickelt, gemeinsam mit ÖGV, IV, Respact und anderen Partnern. Derzeit entwickeln wir diese Ideen weiter – auch in ein E-MBA-Programm
„Integrativer Ansatz mit klassischen Studiengängen“
Apropos: Ihre Universität positioniert sich als Nachhaltigkeits-Uni – was kann man sich konkret darunter vorstellen? Und wie wird das umgesetzt?
Martin Kreeb: Wir verfolgen einen integrativen Ansatz zur Nachhaltigkeit, der alle Bereiche der Hochschule umfasst. Unsere klassischen Studiengänge wie Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftspsychologie oder auch Psychologie sind gezielt auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtet. Und Themen wie ökologische Verantwortung, soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Wirtschaft sind im Curriculum verankert. Unsere Hochschule setzt auf interdisziplinäre Zusammenarbeit und fördert einen ganzheitlichen Blick auf globale Nachhaltigkeitsprobleme. Internationale Kooperationen mit renommierten Universitäten ermöglichen außerdem den Studierenden, sich auch global mit den Herausforderungen der Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Durch Veranstaltungen und Programme, zusammen mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft, wird außerdem das Bewusstsein für Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Geschäftsmodelle gestärkt.
Welche Zielgruppe an Studierenden sprechen Sie mit diesen Angeboten Ihrer Privatuniversität an?
Martin Kreeb: Die University of Sustainability richtet sich an Studierende, die ein starkes Interesse an nachhaltiger Entwicklung und verantwortungsbewusstem Wirtschaften haben. Besonders angesprochen werden Studierende aus den Bereichen Wirtschaft, Management, Sozialwissenschaften wie Psychologie, die nachhaltige Konzepte in ihren zukünftigen Berufsfeldern umsetzen möchten. Und wir sprechen sowohl Studierende mit sozialwissenschaftlichem als auch wirtschaftlichem Hintergrund an, die innovative, nachhaltige Geschäftsmodelle entwickeln wollen. Zudem werden Berufstätige angesprochen, die ihre Fähigkeiten im Bereich Nachhaltigkeit weiter ausbauen oder sich in diesem Bereich spezialisieren möchten. Wir fördern auch eine internationale Perspektive und richtet uns daher auch an Studierende, die eine globale Dimension der Nachhaltigkeit anstreben. Insgesamt spricht die University of Sustainability also all jene an, die sich in einem nachhaltigen, zukunftsorientierten Berufsfeld engagieren wollen.
Im Interview
Martin Kreeb ist Gründungsrektor der University of Sustainability – Charlotte Fresenius Privatuniversität und an dieser Privatuni als Professor tätig (Nachhaltigkeitsmanagement). Kreeb hat in Nachhaltigkeitscontrolling an der Universität Bremen promoviert; er leitete von 2000 bis 2017 die Forschungsgruppe Nachhaltigkeitsmanagement an der Universität Hohenheim. Seine Forschungsschwerpunkte sind Nachhaltigkeitsmanagementsysteme, Nachhaltigkeitsmarketing sowie Energie- und Nachhaltigkeitsaudits von Gewerbe- und Industrieimmobilien.