Interview. Unternehmen sind noch unsicher, was ihre Rechtspflichten beim Einsatz von KI betrifft. Schönherr-Partner Günther Leissler erklärt im Interview, was jetzt zu tun ist, welche Rolle KI-Beauftragte spielen und weshalb das Recht immer nur der zweite Sieger ist.
Rechtliche Vorgaben
Extrajournal.Net: Wie groß ist allgemein die Kenntnis oder auch Unsicherheit österreichischer Unternehmen, was rechtliche Vorgaben zum Einsatz von KI betrifft?
Günther Leissler: Es ist mein Eindruck, dass die Rechtskenntnis zu Einsatz von KI in den Unternehmen noch nicht sehr ausgeprägt ist. Viele haben zwar unter der DSGVO Datenschutzkennnisse erworben und einige haben sich auch schon mit der KI-Verordnung beschäftigt – aber all die vielen zusätzlichen Rechtsfragen rund um KI liegen noch weitestgehend im Dunkeln. Das reicht von Fragen zur Betriebsvereinbarungspflicht, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und rechtliche Sicherheitsvorgaben, bis hin zu zivilrechtlichen Fragen, wenn generative Systeme Produkte auswählen und Verträge schließen – um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Fehlerquote der KI sinkt
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der KI-VO auf den praktischen Einsatz in Unternehmen?
Günther Leissler: KI hat ungeahnt starke Auswirkungen. Deep-Research-Programme der heutigen Generation vereinbaren mit dem Nutzer einen Research-Plan, legen ihre Gedanken bei der Recherche dar, fassen die berücksichtigten Quellen zusammen, begründen sogar, warum manche Quellen unberücksichtigt geblieben sind und erstellen ein sprachlich nahezu perfektes Ergebnis in übersichtlicher Gestaltung – und das in jeder gewünschten Sprache. Und die Technik verbessert sich rasant, die Fehlerquote sinkt fühlbar. Wichtig aber: Keinesfalls sehe ich Raum dafür, dass die KI den Menschen ersetzt. Der sinnvolle Einsatz von KI und das Verwenden von KI-Ergebnissen im beruflichen und sozialen Umfeld bleibt dem Menschen vorbehalten. Was allerdings voraussetzt, dass man sich mit dem beschäftigt, was KI kann und wie sie eingesetzt werden sollte.
Wie können sich Unternehmen nun konkret rechtlich absichern und worauf kommt es dabei an – etwa, wenn es um die Haftungsfrage geht?
Günther Leissler: Ebenso tiefgreifend wie die Auswirkungen der KI sind auch die Rechtspflichten. Die umfassendste Leitlinie bietet wohl die KI-Verordnung. Sie schreibt im Speziellen für Hochrisiko-KI-Systeme umfangreiche Pflichten vor, die von einem Risikomanagementplan bis hin zum Erkennen „unerwünschter Nebenwirkungen“ der KI reichen. Es gilt sehr viel zu beachten, und man kann diesen Pflichtenkatalog am besten zusammenfassen mit „Man braucht einen Plan zum Einsatz und zur Kontrolle der KI und darf nicht zu ihrem Passagier werden“. Daneben gilt es natürlich auch die DSGVO zu beachten, und weitere Rechtsgebiete können ebenso schlagend werden, wie zum Beispiel die NIS-2-Regelungen. Und man sollte sich um eine gute Versicherung kümmern.
Breites Grundwissen ist nötig
KI-Beauftragte sollen sich um die Umsetzung kümmern. In welchen Fällen ist die Etablierung eines solchen Beauftragten nötig bzw. kann das auch von Externen erledigt werden?
Günther Leissler: Vielen ist bekannt, dass die DSGVO unter bestimmten Voraussetzungen die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten im Unternehmen vorschreibt. Dieser kann intern oder extern bestellt sein. Die KI-Verordnung geht einen anderen Weg. Unter dem verbreiteten Begriff AI Literacy verlangt die Verordnung danach, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen, entsprechend ihrem Ausbildungsgrad und ihrer Jobposition im Umgang mit KI geschult sind. Diese Verpflichtung ist übrigens schon seit Februar diesen Jahres in Kraft. Und sie macht auch Sinn: Denn wenn jeder bzw. jede im Unternehmen die mittlerweile allgegenwärtige KI nutzen kann, dann sollten auch alle zumindest ein entsprechendes Grundwissen dazu haben. Und nicht nur der eine KI-Beauftragte im 4. Stock, Zimmer 327.
Wagen wir noch einen Ausblick: Was erwarten Sie in rechtlicher bzw. regulatorischer Hinsicht für die kommenden Jahre?
Günther Leissler: Neben der KI-Verordnung, die in den nächsten Monaten und Jahren stufenweise in Kraft tritt, erwarte ich viele weitere Gesetze und Regelungen, die unmittelbar und mittelbar KI betreffen und regulieren. Damit einhergehend kann man viel Rechtsunsicherheit und Judikaturentwicklung mit starker zeitlicher Verzögerung erwarten, weil Verfahren und Rechtswege naturgemäß kein schnelles Mittel des Rechts sind. Am wichtigsten aber: KI ist kein Rechtsthema, sondern ein Gesellschaftsthema. Es ist keine hohle Phrase, wenn man sagt: Der Schlüssel zur Akzeptanz von KI ist ihr fairer und transparenter Nutzen. Das Recht ist immer nur der zweite Sieger.
Im Interview
Rechtsanwalt und Partner Günther Leissler ist seit 2006 bei Schönherr in der Praxisgruppe Regulatory tätig und leitet dort die Datenschutzgruppe. Er beschäftigt sich intensiv mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz und ist einer der Autoren des Kommentars zur EU-Verordnung über KI von Prof. Wolfgang Zankl (Manz).