Österreich. Mit einer Umfrage wollen Der Standard und Statista die besten Anwälte des Landes küren: Die Teilnahme laufe gut. Manche Kanzleien mobilisieren dafür ihre Klienten – doch andere passen.
Das neue Ranking
Österreichs Rechtslandschaft bildet einen komplexen Markt, in dem unterschiedliche Akteure nach Orientierung suchen, heißt es in der Selbstdarstellung der Umfrage. Ein verbreitetes Instrument, um Licht ins Dunkel zu bringen, sind Rankings der Anwältinnen und Anwälte, wie sie in Österreich u.a. bereits vom Wirtschaftsmagazin trend sowie der Fachzeitschrift Juve und Handelsblatt aus Deutschland durchgeführt werden. Auch große internationale Rankings wie Legal 500 oder Mergermarket berücksichtigen den österreichischen Rechtsmarkt. Die Tageszeitung Der Standard mit Sitz in Wien bringt nun gemeinsam mit dem Statistik-Anbieter Statista eine eigene, neue Version auf den Markt.
So funktioniert das „Standard“-Anwaltsranking
Dafür hat man das Instrument einer Umfrage gewählt: Die Befragung läuft von 2. Juni bis 25. Juli 2025, erreicht also demnächst die Halbzeit – es bleiben noch 30 Tage, um Stimmen einzuheimsen. Bewertet werden Kanzleien sowie Anwältinnen und Anwälte in einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsbereiche – zum Beispiel im Arbeitsrecht, Erbrecht, Immobilienrecht, Kartellrecht, Steuerrecht, Vergaberecht und Wirtschaftsstrafrecht.
Jede Kanzlei könne ohne Voranmeldung in der Umfrage berücksichtigt werden, vorausgesetzt sie ist in den entsprechenden Rechtsgebieten tätig und hat einen Kanzleistandort in Österreich. Wer am häufigsten empfohlen wird, gewinnt. Thematisch liegt der Fokus also – wie bei fast allen Anwaltsrankings – auf den Fachgebieten der Wirtschaftsanwältinnen und -anwälte, deren Kanzleien teilweise mehrere hundert Beschäftigte zählen. Große internationale Player haben sogar mehrere tausend Anwält:innen. Das macht die Law Firms der Wirtschaftsanwälte zu einer interessanten Zielgruppe.
Die Qualität – oder bloß das Netzwerk messen?
An der Umfrage können laut den Angaben alle in Österreich ansässigen Rechtsanwält:innen in Kanzleien sowie Jurist:innen in Unternehmensrechtsabteilungen und Mandant:innen teilnehmen. Um als Mandant qualifiziert zu sein, muss man laut Teilnahmebedingungen im beruflichen oder privaten Rahmen innerhalb der letzten drei Jahre Rechtsberatung in Anspruch genommen haben. Das Voting ist über die Landing Page bzw. Online-Präsenz des Mediums möglich.
Allerdings verlassen sich die Ranking-Ersteller nicht bloß auf spontane Teilnahme, sondern machen Stimmung dafür, dass die Anwaltskanzleien ihre jeweilige Klientel zur Teilnahme motivieren. Konkret heißt es auf der Landing Page: „Die am häufigsten empfohlenen Anwaltskanzleien erhalten einen Platz auf der Liste der Top Anwaltskanzleien Österreich. Es lohnt sich also, die Umfrage mit Ihrem Netzwerk und Ihren Mandat:innen zu teilen!“
Und das tun die Kanzleien auch – teilweise. So machen bekannte Wirtschaftskanzleien wie Saxinger aus der SCWP Schindhelm-Allianz in Klienten-Newslettern oder über Social Media Stimmung dafür, am neuen Anwaltsranking der Tageszeitung teilzunehmen. Unterschiedlich sehen die Sache die beiden größten Anwaltskanzleien Österreichs, Schönherr und Wolf Theiss: Man überlasse es grundsätzlich den einzelnen Expert:innen des Hauses, ob sie daran teilnehmen möchten oder nicht, von einer aktiven Ansprache von Klienten sehe man jedoch „eher ab“, heißt es bei Schönherr. Eine solche Haltung sehe man auch im Markt generell.
„Unser Ansatz unterscheidet sich bewusst von Formaten, bei denen der Fokus stark auf aktiver Mobilisierung liegt“, heißt es bei Wolf Theiss. Daher wolle man nicht teilnehmen, denn es sei für ein gutes Abschneiden weniger die fachliche Leistung der einzelnen Rechtsprofis als vielmehr die Reichweite persönlicher Netzwerke ausschlaggebend, so die Befürchtung. Man beteilige sich aber regelmäßig „an internationalen Rankings mit transparenter und qualitativ fundierter Methodik“, so Wolf Theiss. Nicht an der Umfrage teilnehmen will auch das Wiener Büro von DLA Piper. Andere Kanzleien legen sich auf Anfrage nicht fest.
„Die Teilnahme verläuft sehr erfreulich“
Zufrieden zeigt sich Alexander Schreider, Senior Analyst bei Statista, auf Anfrage von Extrajournal.Net: „Die Teilnahme an der Umfrage verläuft sehr erfreulich. Wir sehen ein großes Interesse seitens der Jurist:innen und Mandant:innen, sich an der Befragung zu beteiligen.“ Ziel sei es, „die Reputation und Marktwahrnehmung von Kanzleien transparent und nachvollziehbar abzubilden, so, wie sie im beruflichen Alltag tatsächlich stattfindet. Häufige Empfehlungen durch Kolleg:innen und Mandant:innen stehen für fachliches Vertrauen und Anerkennung.“
Dabei gehe es keineswegs nur darum, die Fähigkeit zum Networking zu messen, so Schreider: „Um sicherzustellen, dass dabei nicht nur Netzwerkstärke zählt, setzen wir auf ein mehrstufiges Prüfverfahren: Neben der Anzahl an Nennungen fließen unter anderem berufliche Werdegänge, akademisches Engagement, Fachpublikationen, Spezialisierungen und öffentlich bekannte Mandate in die Bewertung ein. So garantieren wir Substanz und Qualität.“ Die Teilnahme an der Umfrage sei freiwillig, anonym, nicht steuerbar und werde nicht incentiviert, heißt es weiter: Auch wenn eine Kanzlei zur Teilnahme aufruft, habe sie keinen Einfluss auf das tatsächliche Ergebnis. „Dieser Ansatz ist in zahlreichen Ländern etabliert, ein klares Zeichen für die Relevanz und Akzeptanz unserer Methodik“, so Schreider.
Grundsätzlich könne dabei auch jede Kanzlei mit mindestens einem Standort in Österreich – unabhängig von ihrer eigenen Teilnahme – empfohlen und ausgezeichnet werden und die Auszeichnung sei mit keinerlei Kosten verbunden, so der Senior Analyst von Statista. Auch ohne aktive Teilnahme kann eine Kanzlei auf der Liste der Ausgezeichneten erscheinen, stellt Schreider klar: „Da Eigennennungen nicht berücksichtigt werden, erfolgt eine Auszeichnung ausschließlich durch Empfehlungen Dritter – etwa von Kolleg:innen aus anderen Kanzleien oder von Mandant:innen.“
Die Konkurrenz setzt auf Mobilisierung der Steuerberater
Die Mobilisierung der Klienten ist jedenfalls auch in Österreich keine neue Methode: Sie wird seit Jahren beim Ranking „Steuerberater:innen des Jahres“ angewandt und von teilnehmenden Kanzleien wie BDO, LeitnerLeitner, TPA oder Deloitte eifrig praktiziert. Produziert wird dieses Ranking von einem anderen großen Medienunternehmen, nämlich der Tageszeitung Die Presse (Styria-Gruppe) gemeinsam mit IFA AG und LexisNexis.
Die besten österreichischen Steuerberater:innen aus Sicht der Veranstalter bzw. der Jury wurden zuletzt am 22. Mai 2025 gekürt. Die Umfrage von Der Standard und Statista läuft noch bis Ende Juli, die Ergebnisse sollen laut Ankündigung einige Wochen später verkündet werden. Somit gehört künftig der Frühling den besten Steuerberatern, der Herbst den besten Anwälten – zumindest was die Rankings der großen österreichischen Tagesmedien betrifft. (gst)