Open menu
Bildung & Uni, Recht, Veranstaltung

Tagung: Herausforderungen für das Lebensmittelrecht im Fokus

©ejn

Wien. Bei der Tagung „Lebensmittel.Recht.Up2Date“ diskutierten Vertreter des Lebensmittelsektors, von Behörden, Begutachtung, Ministerien und Justiz die jüngsten Herausforderungen im Lebensmittelrecht.

Quality Austria und Saicon Consulting luden unlängst zur Tagung „Lebensmittel.Recht.Up2Date“ in den Wiener Ares Tower. Durch die Veranstaltung leitete der Sachverständige Andreas Schmölzer.

Die jährliche Veranstaltung wurde mit einem Überblick zur Rechtsprechung von Anwältin Hildegard Schöllmann eröffnet. Gewichtig war dabei laut einer Aussendung die letztinstanzliche und damit bindende Entscheidung zu Wurst, nach der alle nicht verzehrbaren Bestandteile beim Wiegen abzuziehen sind.

Ebenfalls höchstgerichtlich wurde laut Schöllmann im Amtshaftungsfall zu Listerienwarnungen vom Bundesgerichtshof das „Neue Kooperationsverhältnis“ mit deutlichen Pflichten für Unternehmer formuliert. Im Bereich Kennzeichnung waren die Herkunftstäuschung bei „Dubai-Schokolade“ und die Gehaltauslobung bei Protein-Produkten beherrschend.

Herausforderungen bei der Überwachung

Über die Herausforderungen für die amtliche Überwachung berichtete Ulrich Busch vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Bayern. Neuer Schwerpunkt war hier die Echtheitskontrolle von Waldheidelbeeren mittels genetischen Fingerabdrucks, mit der knapp die Hälfte der Proben als gefälscht erkannt wurden.

Auch rund um das Trendprodukt „Dubai-Schokolade“ gab es einen Schwerpunkt, der zu einer Beanstandungsquote von 100 % führte. Neben der Kennzeichnung war auch die Sicherheit der Produkte oftmals mangelhaft.

In der laufenden Überwachung führte eine Häufung von illegalen, als Lebensmittel getarnten Potenzmitteln die Liste der gesundheitsschädlichen Produkte an, gefolgt von Fremdkörpern, Insektiziden bei Trauben und Fliegenpilzgift in Gummibonbons.

Bei den Mikroben lagen Salmonellen und EHEC (besonders gefährliche E. coli Bakterien) an der Spitze. Letztere fordern die Behörden in Deutschland aktuell mit einem Ausbruchsgeschehen, dessen Ursache aufgrund der langen Inkubationszeit noch unklar ist. Die Spurensuche gestaltet sich laut Busch schwierig, da keine verlässlichen Angaben zu Mahlzeiten gemacht werden können, die mehrere Tage zurückliegen. Von Infektionen betroffen seien hier hauptsächlich Kinder und diese teilweise sehr schwer.

Gold-Plating bei Analysebefunden

Einen weiteren Überblick über aktuelle Entscheidungen und Entwicklungen gab der Sachverständige Andreas Schmölzer von Saicon Consulting. Demnach wurde der österreichische Umgang mit grenzwertigen Pestizidbefunden bei Bio-Produkten als „Gold-Plating“ identifiziert. Während sich Experten auf EU-Ebene auf die einheitliche Anwendung einer „erweiterten Messunsicherheit“ verständigt haben, werde dies in Österreich bei Bio-Produkten meist nicht praktiziert.

Eine interessante Entwicklung sei bei der Kennzeichnung von Getränken zu beobachten, bei der sich die Kaltpasteurisation mitunter in der Zutatenliste findet. Hintergrund ist ein Auslegungsschwenk, weg vom Verarbeitungshilfsstoff hin zum Konservierungsmittel.

Ebenfalls neu ausgelegt wurde der Zusatzstoffbegriff von einem österreichischen Landesverwaltungsgericht bei Acerolasaftpulver in Wurstprodukten, welches mangels entsprechender Tradition als unerlaubte Zusatzstoffanwendung beurteilt wurde. Dass Fruchtsaftpulver auf EU-Ebene als Lebensmittel geregelt ist, wurde dabei außer Acht gelassen.

Bei der Deklaration von Allergenspuren setzen laut Schmölzer die Niederlande mit Jahreswechsel neue Maßstäbe. Die Spurenangabe wird dabei stark auf jene Fälle eingeschränkt, bei denen eine Überschreitung der inzwischen global synchronisierten Schwellenwerte (WHO, ALTS, VITAL) nachgewiesen werden kann. Es sei zu erwarten, dass diese Auslegungsumkehr in ganz Europa übernommen werden wird, so Schmölzer.

Zuletzt erörterte er zum Thema Irreführung noch die „relative Mogelpackung“ am Beispiel eines österreichischen Gerichtsentscheids zu einer Füllmengenreduktion bei ansonsten identer Verpackung und gleichem Preis von Tiefkühl-Fisch. Damit sollte der „Shrinkflation“ Einhalt geboten werden, womit sich für Hersteller jedoch zahlreiche Fragestellungen zur täuschungsfreien Artikeländerung ergeben, so Schmölzer.

Die Entwicklungen beim Klimaschutz

Den Schwerpunkt Nachhaltigkeit in der Praxis eröffnete Josef Baumüller von der TU Wien mit einem Überblick zur aktuellen Entwicklung des Klimawandels sowie der rechtlichen Aktivitäten der EU. Den Satz „Buchhalter retten die Welt“ erklärte er mit dem inzwischen weltweit gängigen Ansatz, Finanzströme über Nachhaltigkeitsberichterstattung zu zukunftsorientierten Technologien zu lenken. Dieses Prinzip sei sogar in China gesetzlich verankert.

Er zeigte auf, dass diese Aktivitäten insbesondere einem ökonomischen Interesse folgen – denn Klimawandel vernichte viel Kapital. Mit dem EU-Omnibus wurde nun einiges verschoben und daneben „Erleichterungen“ geschaffen. So wurde laut Baumüller der Kreis der nach CSRD-berichtspflichtigen Unternehmen durch Skalierungsänderungen drastisch eingeschränkt. Daneben wurde mit dem VSME-Standard eine einfache, freiwillige Berichtsschablone für nicht berichtspflichtige KMU geschaffen, die sich vollständig in der CSRD abbildet.

Wie Alexander Saxenhuber vom Consultingunternehmen Sustainable erläuterte, sei VSME eine sinnvolle Möglichkeit für KMU, in standardisierter Form (ohne individuelle Fragebögen) nötige Informationen an CSRD-pflichtige Unternehmen zu liefern. Eine einheitliche Vorgehensweise mit VSME im Ernährungssektor könnte den Umsetzungsaufwand und damit auch die Kosten beschränkt halten. Bei individuellen Lösungen ist hingegen mit einem laufenden Personalaufwand im Ausmaß von 2-3 Personen je KMU zu rechnen, so Saxenhuber.

Dass die administrativen Aufwendungen laufend steigen, demonstrierte Stephan Savic von Agrana anhand der neuen PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation). Ab 12. August 2026 gilt ein PFAS-Verbot für Verpackungen, dessen Einhaltung mit einer Konformitätserklärung für jedes einzelne verpackte Lebensmittel zu bestätigen ist. Schrittweise geht es dann bis 2030 weiter mit Recyclierbarkeit und deren Kennzeichnung, Recyclinganteilvorgaben, Restriktionen bei der Werbung, Beschränkung von Leervolumen und Abschaffung von Gastro-Kleinpackungen aus Kunststoff, so Saxenhuber.

Mikrobiologie: Freund und Feind

Den Schwerpunkt zur Mikrobiologie eröffnete Univ.-Prof. Martin Wagner von der Veterinärmedizinischen Uni Wien mit einem Überblick zur Entwicklung der häufigsten pathogenen Keime. Diese sind noch immer die Hauptursache für folgenreiche, lebensmittelbezogene Erkrankungen. Für Dänemark mit 5,8 Mio. Einwohnern wurde beispielsweise eine auf bakterielle Lebensmittelinfektionen zurückzuführende Schadensumme von 434 Mio. Euro pro Jahr ermittelt. Hauptquelle für Salmonellen, Champylobacter und EHEC sind noch immer tierische Lebensmittel, auch wenn die Zahlen insgesamt mit minus 90 % in 15 Jahren stark rückläufig sind, so Wagner.

Unterschätzt werden aber demnach die Auswirkungen des Klimawandels auf pathogene Keime, da diese davon profitieren. Ebenso zeigen die stark propagierten Fleisch-Ersatzprodukte neue mikrobiologische Risiken, die noch nicht ausreichend wahrgenommen werden, so Wagner. Daneben sei das Hauptproblem die Zögerlichkeit des Konsumenten zu Verhaltensänderungen – ohne entsprechende Hygienemaßnahmen im Haushalt werde man Lebensmittelinfektionen nicht beherrschen können.

Ziel ist ein vitales menschliches Mikrobiom

Univ.-Prof. Evelyne Selberherr von der Veterinärmedizinischen Uni Wien berichtete über die Forschung zum Mikrobiom bei Menschen und bei Lebensmitteln. Galt früher Sterilität als das Ziel der Gesundheit, so ist heute gesichert, dass Gesundheit nur mit einem entsprechend vitalen, diversifizierten Mikrobiom möglich ist. Das menschliche Mikrobiom wird durch die Nahrung, über deren Nährstoffe und auch deren Keime beeinflusst. Denn auch Lebensmittel werden durch ihr Mikrobiom geprägt, insbesondere fermentierte Produkte.

Die Hausflora zeigt dabei laut Selberherr noch stärkere Effekte als bisher angenommen, sowohl bezüglich Produktcharakteristik als auch Lebensmittelsicherheit. Auch hier seien die vegetarischen Alternativprodukte im Fokus, die sich auch beim Mikrobiom mit einem gänzlich anderen Profil als die tierischen Vorbilder zeigen. In Summe sei das Management des Mikrobioms der neue Schlüssel für Sicherheit und Gesundheit – nicht mehr die bloße Vernichtung von Keimen, so Selberherr.

Anwalt Bernd Roßkothen referierte am Beispiel einer Bäckerei über Hygienebeanstandungen in der Praxis. Dieser wurden nach einer Hygienekontrolle Strafen von in Summe mehr als 67.000 Euro vorgeschrieben. Den Beanstandungen fehlte aber laut Roßkothen meist der Bezug zur Lebensmittelsicherheit. Derartigem wurde in Österreich aber bereits vom EuGH 2004 ein Riegel vorgeschoben. So konnte vor Gericht geklärt werden, dass nicht jeder einzelne Aspekt für sich strafbar sei, sondern Verstöße eine Tateinheit bilden, die zu einer einzigen Strafe führt, so Roßkothen.

Seuchenbekämpfung in Österreich

Der letzte Schwerpunkt war der Seuchenbekämpfung in Österreich gewidmet. Florian Fellinger vom Gesundheitsministerium berichtete über die aktuelle Seuchenlage in Österreich und Europa. Hier ist laut Fellinger eine klimawandelbedingte Verschiebung zu beobachten, da zunehmend insektenübertragene Tierseuchen an Bedeutung gewinnen. Die Fälle von Maul- und Klauenseuche (MKS) im Frühjahr dieses Jahres haben demnach gezeigt, wie rasch sich eine Region zum Krisengebiet entwickeln kann.

Die Krisenpläne haben durch diesen „Echtfall“ Schwächen offenbart, die nun laut Fellinger beseitigt werden. Als Hauptlektion wurde von ihm das Thema Kommunikation wahrgenommen, da die fachliche Information aller beteiligten Kreise einschließlich Unternehmen Lücken gezeigt habe. Dies wurde auch von Geschäftsführer Gernot Rumpold und Qualitätsmanager Peter Bercek von GeRu Meat bestätigt, da man in der Krise ständig auf der Suche nach Informationen gewesen sei.

Werner Pail von Steirerfleisch machte auf die internationalen Auswirkungen von Seuchenfällen aufmerksam. Im Exporthandel sei man den mitunter willkürlichen Entscheidungen der Zielländer ausgesetzt, was zu unternehmensbedrohlichen Situationen führen kann. Wesentlich ist laut Pail eine detaillierte und stichhaltige Rückverfolgbarkeit, um im Ernstfall glaubhafte Abgrenzungen vornehmen zu können.

Täglich aktuell über Neues informiert werden:

Weitere Meldungen:

  1. Tina Antonius wird neue Geschäftsführerin des Kaffee- und Teeverbands
  2. Neue Kurse: Aufsichtsrat, Umgründungen, Reisekosten und Wirtschaftsstrafrecht
  3. CSE-Jahrestagung behandelt KI und Gamification im Aufsichtsrat
  4. 7. Aggsteiner Steuergestaltungstage beginnen am 2. Juli 2025

Schreiben Sie einen Kommentar