Branchenreport. Der europäische Private Equity-Markt befindet sich in einer Phase grundlegender Veränderungen, so eine EY-Studie: Es zeigen sich Rückgänge – aber auch Chancen.
Der europäische Private Equity-Markt befindet sich in einer Phase grundlegender Veränderungen. Nach Jahren niedriger Zinsen und US-Dominanz im Kapitalfluss verschieben sich die Kräfte: Investor:innen richten ihren Blick zunehmend nach Europa – vor allem auf Deutschland, wo Reformdynamik und Innovationskraft Kapital anziehen. Gleichzeitig bleibe das Marktumfeld angesichts geopolitischer Spannungen, Handelstarifen und konjunktureller Unsicherheit jedoch herausfordernd, schildert Big Four-Multi EY in einer Aussendung.
In harten Zahlen: Minus 25,8 Prozent in CEE
Im ersten Halbjahr 2025 sank das Dealvolumen um 13 Prozent auf 708 Transaktionen und lag damit deutlich unter dem Fünfjahresschnitt:
- Besonders stark betroffen waren Spanien und Portugal mit einem Rückgang von 31,6 Prozent,
- die CEE-Region mit minus 25,8 Prozent sowie
- Frankreich mit einem Minus von 20,1 Prozent.
- DACH mit nur 0,8 Prozent Rückgang und die Nordics mit 0,9 Prozent erwiesen sich dagegen als vergleichsweise stabil.
„Die Private Equity-Landschaft in Europa ist komplexer geworden. Wer heute erfolgreich sein will, braucht nicht nur Kapital, sondern vor allem klare Strategien, operative Exzellenz und den Mut, Transformation langfristig zu gestalten“, so Dieter Schalko, Transaktionsberater und Partner bei EY Österreich.
Von Finanzengineering zu Value Creation
Die Zeiten schneller Gewinne durch Leverage sind vorbei, so EY: Mit hohen Finanzierungskosten und längeren Haltedauern rücke die „operative Exzellenz“ in den Vordergrund. Due Diligence entwickelt sich zunehmend zu einem Hebel der Value Creation.
- Operational Due Diligence untersuche heute nicht nur Risiken, sondern auch die Skalierbarkeit von Prozessen, die Resilienz der Lieferketten und die Potenziale zur Freisetzung von Working Capital.
- Technologische Prüfungen seien umfassender geworden und beziehen Themen wie Cloud-Architekturen, künstliche Intelligenz und Cybersecurity ein, die sich vom Risikofaktor zum Werttreiber entwickeln.
- Auch Nachhaltigkeit und regulatorische Anforderungen seien stärker in Transaktionsprozesse integriert und beeinflussen zunehmend sowohl die Narrative bei Exits als auch die Auswahl von KPIs.
Private Equity in Europa stehe an einem Wendepunkt, heißt es: Die reine Finanzoptimierung reiche nicht mehr aus – entscheidend ist, wie konsequent Portfoliounternehmen ihre operativen Hebel nutzen, so Schalko: „Wer Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Resilienz verbindet, kann langfristig echten Mehrwert schaffen.“
Diese Entwicklung zwinge Private Equity-Firmen, langfristige Investitionsstrategien aufzubauen und Value Creation mit Transformationsprojekten zu verbinden. Finanzielle Kennzahlen bleiben wichtig, doch nachhaltige Performance entstehe immer mehr durch operative Verbesserungen.
Technologie & Industrie bauen ab, Materials legen zu
Die sektoralen Verschiebungen im ersten Halbjahr 2025 zeichnen ein differenziertes Bild, heißt es:
- Trotz eines Rückgangs um 16 Prozent bleibe der Technologie- und Telekommunikationssektor die treibende Kraft im europäischen Private Equity. Dabei hebt EY insbesondere Deals in den Bereichen künstliche Intelligenz, Software und Dateninfrastruktur hervor.
- Überrascht zeigen sich die EY-Berater von der starken Entwicklung des Materials Sector, der um 23 Prozent zulegte. Hier suchen Investor:innen zunehmend defensive Assets, die Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und industrielle Transformation stützen, heißt es.
- Der Konsumsektor hingegen verzeichnete mit einem Rückgang von 33 Prozent den stärksten Einbruch und fiel aus den Top drei der aktivsten Branchen.
- Auch Industrials mit einem Minus von 31 Prozent und Healthcare mit minus 27 Prozent waren rückläufig.
Bei Exits ist Geduld gefragt
Auch bei den Exits sei Zurückhaltung spürbar. Insgesamt wurden 319 Transaktionen gezählt, neun Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Strategische Verkäufe, traditionell der wichtigste Exit-Kanal, sanken leicht auf 213 Transaktionen. Secondary Buyouts gingen deutlich zurück und erreichten mit 100 Deals ein Minus von 19 Prozent. Der IPO-Markt ist weiterhin schwach, mit nur sechs Listings in der ersten Jahreshälfte und damit 41 Prozent unter dem Fünfjahresschnitt.
Die längeren Haltedauern sind laut EY ein klares Signal dafür, dass Investor:innen geduldiger agieren und verstärkt auf Teilverkäufe oder Anteilsveräußerungen setzen, um Liquidität zu schaffen. Damit verfestige sich ein Trend hin zu langfristigeren Strategien.
Private Equity in Europa zeige 2025 zwei Gesichter: Einerseits sinkende Transaktions- und Exit-Zahlen, andererseits wachsende Chancen durch Kapitalzuflüsse, technologische Transformation und nachhaltige Geschäftsmodelle. Wer auf Value Creation setzt und bereit ist, Geduld mitzubringen, kann sich in diesem Umfeld entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern, so EY.



